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In der Kraft des Geistes nachhaltig entscheiden

Den Weg zu tragfähigen Entscheidungen suchen. Dafür hat Ignatius von Loyola die Wegmarken beschrieben, nicht theoretisch, sondern für jeden gangbar, auch für Gruppen. Das Erspüren des Geistes in Entscheidungsprozessen ist der innere Motor des Jesuitenordens. Ein erfahrener Wegbegleiter öffnet den Blick für „Die Kraft des Geistes“ in der konkreten Begleitung von Entscheidungsprozessen einzelner wie von Gremien und Vorständen.

Franz Meures S.J. hat seine Beobachtungen und Hinweise in Artikeln über die Jahre weitergegeben. Der Echter-Verlag hat sie in einem Sammelband veröffentlicht. Igna Kramp und Johanna Schulenburg haben sie durch Übersichtskapitel systematisch zugänglich gemacht. Wie wird die Kraft des Geistes erfahrbar:

Exerzitien, der Untertitel des Bandes, sind für Entscheidungsprozesse einzelner angelegt. Weniger eingeübt, für die Kirche in Deutschland höchst aktuell, ist der zweite Teil der Beiträge, nämlich wie Gruppen und Gremien den Geist erspüren können. Exerzitien und ihre Methodik können nicht nur Entscheidungen, die für das persönliche Leben anstehen, in einen Prozess bringen, sondern ebenso Herausforderungen, denen sich Vorstände, Pfarreigremien, Caritative Einrichtungen, Ordensgemeinschaften wie Diözesen stellen. Nichts braucht die Kirche in Deutschland dringender, um in einem völlig neuen kulturellen, medialen und ökologisch herausgeforderten Umfeld ihren Weg zu finden.

Wegmarken für NGO’s, Initiativen und politische Gremien 

Nicht nur die Katholische Kirche, sondern andere Konfessionen und christlich inspirierte NGO'S, können viele Gruppen und Gremien mit den Ausführungen von Meures erkennen, wie sie ihre eigene Identität und damit ihre Ausstrahlung neu finden, wenn sie sich spirituell auf den Weg machen. Das ist wie im Exerzitienprozess einzelner ein emotionales Hin&Her. Es muss sich etwas nicht nur verstandesmäßig bewegen, damit sich an den Empfindungen zeigt, ob es einen Zuwachs an Glaube, Hoffnung, Liebe gibt, d.h. ob das Gremium hinter einer getroffenen Entscheidung steht. Meures referiert hier nicht nur die Hinweise aus dem Exerzitienbuch, sondern aus vielen Entscheidungsprozessen, die er in leitenden Aufgaben mit erheblichen Folgen für die jeweiligen Institutionen durchgeführt hat. Daher auch seine Beobachtung, dass Entscheidungen nicht umgesetzt werden, wenn sie nicht aus vollem Herzen getroffen oder dem Gremium aufgezwungen wurden. Diese Erfahrungen machen Vereinsvorsitzende wie Politiker ebenso.

Auch NGO's und Parteien brauchen einen guten Geist

Vorsitzende von Vereinen, Initiativen, Parteien finden viele ihrer Erfahrungen in diesem Buch wieder und darüber hinaus analysiert. Sie werden den Ablauf von Entscheidungsprozessen besser überblicken und Hinweise umsetzen, wann und wie sie fördernd eingreifen. Hier würde man dem Autor mehr Zutrauen zu demokratisch verfassten Verbänden und auch Parteien wünschen. Seine kurzen Bemerkungen zu demokratisch verfassten Gruppierungen sollten ergänzt werden, nämlich dass auch diese ihre Entscheidungen auf einem Wertefundament treffen. Für Gremien und Gruppen gibt es Grundsätze, im Politischen die Verfassung, für Vereine deren Zweckbestimmung. Verbände oder Parteien werden nur bestehen, wenn die tragenden Werte in die Entscheidungen einfließen.
Ergänzt werden könnte, dass nicht nur kirchliche Gremien sich auf Einstimmigkeit festlegen. Das hätte zur Konsequenz, dass die notorischen Neinsager sich überlegen müssten, ob sie eine Entscheidung blockieren wollen. Auch die distanzierte Haltung, sich bei der Umsetzung eines Vorhabens zurückzuhalten, ist nicht mehr akzeptabel, wenn Enthaltungen ausgeschlossen sind. Die von den Achtundsechzigern eingeführte Regel, dass jeder auch noch mal anders votieren kann, hat doch nicht nur kirchliche Verbände und Institutionen entkernt.

Dem förderlichen Geist folgen

Die Grundannahme für das Gelingen eines Entscheidungsprozesses ist die Orientierung am Guten Geist, für Christen an Gottes Heiligem Geist, der sich jedoch nicht als einziger in den Befindlichkeiten und Bewegungen eines Entscheidungsprozesses meldet. Es gibt noch andere Einflüsterungen, es wird Unmut von einzelnen in einen Entscheidungsprozess eingespeist, das Zurückweichen vor notwendigen Veränderungen blockiert von vorneherein eine nachhaltige Strategie. Deshalb ist "Unterscheidung der Geister" unentbehrlich. Auch diese ist nicht primär eine Orientierung an Argumenten, sondern das Erspüren von Befindlichkeiten. Der Gute Geist ist an innerer Freude, gewachsener Solidarität, der Motivation, das Beschlossene auch umzusetzen, erkennbar.

Eine Glaubensgemeinschaft braucht Glaubenssubstanz in ihren Entscheidungen

Schaut man nach der Lektüre auf den real existierenden Katholizismus in Deutschland, dann liegt diesem ein anderes Konzept zugrunde. Die Kirchenstruktur, die einzelnen Leitungsämter und wie auch die Personalverwaltung werden wie Gehäuse konstruiert, in dann später Religion eingefüllt werden soll. So werden seit Jahren Pfarreien nach organisationstechnischen Prinzipien zusammengelegt. Es werden also Gefäße hergestellt, die erst noch religiös gefüllt werden müssen, so als würde Wein genauso aus einem Bierglas schmecken, in das er gelangte, weil es sich leichter spülen lässt. Dass die Organisation aus den religiösen Vollzügen heraus entwickelt wird, liegt außerhalb der Vorstellungskraft der meisten Planungsgremien. Nicht das religiöse Leben selbst, sondern Planungsbürokratien bestimmen die Räume, in denen das Religiöse dann austrocknet. Der Synodale Prozess ist durch Unmut ausgelöst, ob er nachhaltige Lösungen finden wird, ist nach den Wegmarken, die Meures für solche Prozesse herausgearbeitet hat, kaum zu erwarten. Es werden wie mit den Diözesansynoden Hoffnungen geweckt, die nur durch gemeinsame Suche nach dem, wohin Gottes Geist leitet, entdeckt werden können. Stattdessen werden Positionen gegeneinander in Stellung gebracht. Beschlossen wird, was die Mehrheit durchsetzt. Aber was machen die, die überstimmt wurden. Die Bewegung, auf die man vertraut, sind das Aufeinandertreffen gegensätzlicher Standpunkte. Die Bewegungen, die Meures beschriebt, sind die von Freude und Niedergeschlagenheit, von Energie und Kraftlosigkeit, von Klarheit und Verworrenheit. In diesen “Bewegungen“ zeigt sich der Geist Gottes. Wenn ein Gremium sich auf diesen Suchprozess einlässt, dividiert es sich nicht auseinander, sondern gewinnt Ausstrahlung, so dass andere sich zum Mitmachen eingeladen fühlen. Wer sich mit „In der Kraft des Geistes“ auf den Weg macht, wird Wind unter den Flügeln spüren, auch müde gewordene Ordensgemeinschaften, Gremien und Teams.

Igna Kramp, Johanna Schulenburg, Hrsg. „In der Kraft des Geistes, Beiträge von Franz Meures zur Spiritualität der Exerzitien“ 325 S. Echter-Würzburg, 2021, € 34.-


Kategorie: Gelesen

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