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Hospiz – mit dem Tod im Leben umgehen

Hospiz, das ist Sorge für die Seele, Pflege des Körpers, der richtige Ausgleich von Nähe und Distanz, Traurigkeit und Fröhlichkeit, Begleitung auf den Tod hin, aus Liebe; Tod. Und Leben.

„Ich weiß nicht, ob sie weiß, was das bedeutet!?“

Einen Sterbenden zu begleiten ist Konfrontation mit dem Tod, der auf die Endlichkeit des Lebens verweist, die der Sterbende erfährt, die alle Menschen betrifft, auch mich selbst: die Unausweichlichkeit meines Todes und derer, die mir wichtig sind. Das taucht mich in eine Traurigkeit ein, als gäbe es am Ende des Lebens nur die Tür, die sich schließt. Ist es das, was ich der Tochter einer Freundin sagen würde, die „Ich weiß nicht, ob sie weiß, was das bedeutet!?“, deren Tochter vorhat, sich für ein Praktikum zu bewerben – und zwar in einem Hospiz. „Ja, was bedeutet es denn?“, fragte ich mich selbst in den darauffolgenden Tagen immer wieder.

Aus der Begrenzung hinaus

Der Tod ist keine Tür, die schließt. Nein, das erlebt man im Hospiz nicht. Mich mit dem Tod auseinandersetzen zu müssen, gar auch zu wollen und dies immer wieder zu tun, Sterbende zu begleiten, öffnet. Es öffnet den Umgang mit meinem eigenen Lebensende und dem der mir wichtigen Menschen. Ich kann nun sehen, dass es nicht mehr nur die Tür ist, die sich für immer schließt. Ich sehe deutlicher auch die Wege, die sich mir irgendwann auftun werden: Das Leben aus der Perspektive des Danach zu sehen. Das Gefühl der Begrenzung in die Entgrenzung zu wandeln. Mich darin zu üben, an das Weitergehen zu glauben. Der doch sehr vage Glaube an das Weitergehen zeigt sich auf viele Weisen: Da sind alle, die den verstorbenen Menschen in Leben und Sterben begleitet haben, die von Erinnerungen an ihn erzählen. Immer klarer wird dann, dass der Mensch weiterlebt, dass er immer noch geliebt ist, in den Herzen „seiner Menschen“ geliebt bleibt. Dann ist er in seiner Entgrenzung da. Es ist das Vertrauen, dass er, so hörte ich einmal die Formulierung, nun in einem Land ist, in dem grenzenloser Friede, Ruhe und Vergebung herrschen. Dann zeigt sich mir immer wieder die Relativität meiner manchmal zu ernst genommenen Erwartungen, Ansprüche und Pflichtgefühle:

Erwartungen relativieren sich

Sterbende zu begleiten, heißt für einen Menschen da zu sein, in allem, was er braucht und was ich ihm geben kann, ganz gleich, wie ich das hinbekomme, wie ich es sage wie ich jetzt reagiert. Mich schon einstellen, wie er oder sie wünschen und brauchen, um es dann so zu tun, wie ich es kann. Das größte Geschenk in der Begleitung Sterbender ist das Abstreifen der Vorbehalte, die mein Ich verhüllen. Eine Ahnung zu bekommen vom Unfassbaren, Großartigen – Heiligen, das sich in diesem Menschen auftut, in seinen Angehörigen, seinen Freunden und auch in mir selbst. Sterbende zu begleiten heißt zu entgrenzen, gerade in der Erfahrung des Begrenztseins. Daraus lerne ich für das Leben: Es geht nicht um die Erfüllung von Erwartungen, sondern es geht um den Menschen als Menschen, darin die Erfüllung zu erfahren: Ich lerne, mich für die Erfahrung der unfassbaren Ich-Du-Beziehung zu öffnen. Was das bedeutet? Ich kann es nur andeuten. Manchmal habe ich vielleicht eine Ahnung, die mich dankbar macht.

Wie der Tod im Märchen zum Begleiter wird: Gevatter Tod



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