Wenn die Bejahung bzw. Verneinung Gottes nicht auf einer Sprachverwirrung beruht, würden Atheisten und Theisten über etwas Verschiedenes reden, also nicht in gleichem Sinne bejahen oder ablehnen. Wenn sie beide den Gleichen meinen, dann gibt es Gott wenigsten im Denken. Kann das aber Gott sein, der im Denken des Menschen verankert ist, so dass der Mensch verstehen würde, wer Gott ist. Gerade das will der Gottgläubige nicht von Gott sagen und der Atheist verneint, dass es so ein, den Menschen übersteigendes Wesen gibt.
Wie kann der Mensch etwas denken, das seine Fassungskraft übersteigt
Mit Gott meinen wohl Gottes-Bejaher wie Gottes-Leugner ein Wesen, das noch größer als dieses Weltall ist. Gott umfasst alles, was es gibt, auch noch einmal alles, was der Mensch sich ausdenken kann. Damit wäre der Philosoph auch von Gott umfasst. Das Denken des Philosophen findet damit im Denken Gottes statt. Das liegt in dem Begriff von Gott begründet, denn wenn Gott der Ursprung von allem ist, dann kommt auch der Philosoph aus Gott. Zwar kommt er auch aus der Evolution des Lebendigen. Sein Denken wurde jedoch nicht von seinen Eltern gemacht, sondern durch die Kräfte der Natur. Diese Kräfte haben ein Lebewesen hervorgebracht, welches nicht nur seine Eltern als Ursache dafür erkennen kann, dass es überhaupt existiert. Der Mensch kann ein Wesen denken, das für alles der Ursprung ist, auch für den Millionen Jahre dauernden Prozess der Evolution von einer einfachen Zelle bis zum Menschen. Er kann auch denkend zu der Einsicht kommen, dass dieses Wesen Raum und Zeit nicht unterworfen sein kann. Das Denken des Menschen kann sogar alles auf eine einzige Ursache zurückführen, einen planenden und schöpferischen Geist. Die Theisten sind davon überzeugt, dass es dieses Wesen gibt, die Atheisten halten das für unmöglich.
Für beide gilt: Wenn der Mensch seinen Schöpfer denken kann, dann kann es ihn, den Menschen gar nicht geben, wenn es Gott nicht gibt. Stimmt dieser Gedankengang? Das würde ja bedeuten, dass allein, weil der Mensch den Urheber von allem denken kann, es diesen geben muss. Von Anselm von Canterbury, einem Mönch, der um 1100 lebte, ist dieser Gedankengang zum ersten Mal aufgeschrieben worden.
Die Atheisten sind der Gegenbeweis für den Gottesgedanken
Dass es Menschen gibt, die kein geistiges Wesen am Ursprung des Kosmos und des beginnenden Lebens sehen, zeigt, dass der oben dargestellte Gedankengang nicht zwingend ist. Für die Atheisten sind diese Überlegungen nur eine falsche Schlussfolgerung des Denkens. Aber die Frage, ob es Gott gibt, kann auch der Atheist nicht abschließend entscheiden. Denn so lange es Theisten gibt, ist auch seine Aussage nicht allgemeingültig.
Die Unentscheidbarkeit liegt darin, dass Gott nicht Teil dieser Welt sein kann und damit auch nicht mit den Erkenntnisinstrumenten, die dem Menschen zur Verfügung stehen, eindeutig bestimmt werden kann. Wenn er nicht Teil dieser Welt sein kann, überragt er das an Raum und Zeit gebundene Forschen und Denken des Menschen so sehr, dass Gott für den Menschen nicht fassbar wird. Das wird mit dem Gottesbegriff so gedacht. Wenn Gott alles umfasst, ist er nicht Teil der Wirklichkeit, so wie wir nur Teil sind und neben uns Milliarden andere Individuen, Tiere, Pflanzen, Sterne, Milchstraßen existieren. So wie wir andere und anderes erkennen können, ob durch Elektronenmikroskop, Fernrohr, durch das Sehen und Hören eines anderen Menschen, können wir Gott nicht ausmachen. Er ist auch nicht die "Schwarze Materie", die diesen Kosmos grundieren soll.
Offensichtlich ist der Gottesgedanken auch nicht dafür notwendig, um sein Leben zu meistern, noch um Wissenschaft zu treiben, um die physikalischen Gesetze freizulegen, z.B. die, nach denen die Erde um die Sonne kreist, ohne dass deren Strahlen alles Leben verbrennen. Jedoch kommt der Gottesgedanke vor und kann auch von Menschen gedacht werden, die ein solches Wesen, das mit Gott angesprochen wird, nicht für möglich halten. Was denken wir dann aber:
Der Gottesgedanke treibt unser Denken aus uns heraus
Es gibt also diesen Gottesgedanken. Er wird auch von denjenigen gedacht, die die Existenz eines Wesens, das diesem Gedanken entspricht, ablehnen. Diesen Gedanken kann man aber nur denken, wenn es dieses Wesen gibt. Denn wenn es dieses Wesen nicht gibt, das alles umfasst, dann würde es nur im Gehirn des Menschen existieren. Dann wäre Gott aber nicht all-umfassend, er wäre ja ein Teil des menschlichen Gehirns. Es ist wie mit der Liebe. Gäbe es sie nur als Gedanke, wäre es nicht Liebe, denn Liebe gibt es nur, wenn sie gegenüber einem andern Individuum Ausdruck findet.
So ist es auch mit dem Gottesgedanken. Der Theist, also der sich auf Gott, Theos, bezieht, erörtert nicht nur einen Gedanken, sondern bezieht sich auf die ihn umfassende geistige Wirklichkeit. In der jüdischen Glaubenswelt und dem von der Bibel inspirierten Christentum wie im Islam beinhaltet der Gottesgedanke mehr als einen Weltgeist, der alles durch-seelt, sondern Gott hat jeden einzelnen Menschen, vor allem den Armen und die von der menschlichen Gemeinschaft Verachteten im Blick. Er muss also außerhalb der Welt und ihrer Gesetze leben. Ein Weltgeist würde nur die Gesetze dieser Welt bestätigen, sie mit seiner Kraft wirksam halten, aber keine Instanz darstellen, die unabhängig von den Vorgängen in der Welt denken und handeln kann. Das alles verbinden wir mit der Gottesvorstellung, nicht zuletzt, weil die religiösen Schriften ihn uns so vermittelt haben.
Der Gottesgedanke ist keine Vorstellung, sondern eher eine Beziehung
Wenn wir den Gottesgedanken nach diesen Überlegungen anschauen, dann beinhaltet er nicht eine Vorstellung, die wir z.B. von einer Stadt wie London oder von unserem Sonnensystem haben. Wir gehen davon aus, dass es London und das Sonnensysteme gibt, diese also nicht nur in unserer Vorstellung existieren. In diesem Sinne "gibt" es Gott so nicht, dass man dorthin fahren oder ihn mit einem Gerät am Himmel ausmachen könnte. Er umfasst die Wirklichkeit insgesamt, er lässt etwas wirklich sein, so dass es mich überhaupt gibt und all das, was ich erkennen kann. Der Gottesgedanke beinhaltet daher nur eine Ahnung. Er drängt mich über mein Denken hinaus, er öffnet meinen Geist auf das Ganze hin, sogar über dieses Weltall hinaus. Wenn ich anfange, Gott zu denken, dann zieht mich dieses Denken von mir weg, auch aus der materiellen wie der geistigen Welt, in der ich einen Platz haben soll. Selbst wenn mir dieser Platz streitig gemacht wird, es kann nur der begrenzte Raum sein, über den ein anderer Macht hat. Macht, die ein Krankheitserreger ausübt oder eine Institution, ein Vorgesetzter, einer, der mich mit Worten oder einer Waffe bedroht. Den unbegrenzten Raum regiert kein irdischer Machthaber. Wenn ich der Ahnung folge, dann erkenne ich zumindest, dass es keine Instanz in diesem Kosmos gibt, die über Gott steht. Auch wenn Herrscher Menschen hinrichten lassen, stehen sie nicht über Gott. Ihre Macht endet spätestens mit ihrem Tod. Keine irdische Instanz kann mir meine Würde absprechen, wenn Gott sie mir garantiert. Vielleicht ist deshalb der Satz „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ der Erweis, dass Gott nicht nur ein Gedanke von Menschen sein kann.
Gott muss nicht verteidigt werden
Damit wären wir bei dem aktuellen Dilemma von religiösen Menschen, die den Auftrag spüren, andere im Namen Gottes umzubringen. Denn sie sagen: Wer Gott und seine Gebote nicht anerkennt, beleidigt Gott und verliert damit seine Würde so tiefgehend, dass er nicht mehr im Angesicht Gottes leben kann, sondern nur fern von ihm, was dann die Hölle wäre. Da es auch im Namen atheistischer Staaten Hinrichtungen von Gottgläubigen gibt, garantieren auch diese die unbedingte Würde des Menschen nicht. Weder die Theisten noch die Atheisten konnten die Würde des Menschen garantieren. Wenn es nur beim Gottesgedanken als Gedanken bleibt, dann gibt es keine Instanz, die den Einzelnen „garantiert“. Das ist dann der Fall, wenn Gott nur ein Gedanke wäre.
Noch eine Beobachtung: Ob bejaht oder verneint, der Gottesgedanke kann für den einzelnen lebensbedrohlich werden. Das zeigt, dass Gott, den der Mensch denken kann, zum Weiterdenken führt. Wenn Gott nur gedacht ist, dann kann man das Wort ohne Konsequenzen einfach so aussprechen oder instrumentalisieren. Damit wird dann die menschliche Freiheit berührt:
Einmal stellt sich die Frage, ob die Freiheit von Gott kommt oder Gott der Konkurrent der menschlichen Freiheit ist. Zum anderen beinhalt die Freiheit eine Dimension, in der der Mensch nicht als Teil der Natur nach ihm eingegebenen Gesetzen handelt, sondern aus sich heraus sein Leben bestimmt. In der Freiheit berührt der Mensch eine andere Wirklichkeit, die Sprachfähigkeit erfordert und im Miteinander zur Geschichte wird. Das ist in einem weiteren Beitrag zu zeigen. S. Unsere Freiheit kommt nicht aus der Natur
Die hier formulierten Überlegungen sind aus der Lektüre des Sammelbandes „Gott denken“ angeregt. Hingewiesen sei vor allem auf den Beitrag von Markus Enders über den Ontologischen Gottesbeweis und weitere Beiträge, wie wir über Gott sprechen können. Dass der Gottesgedanke den Menschen weiter führt, ihn über sich hinaus drängt, zeigen Beiträge zu Gebet und Anbetung. Zur Besprechnung von "Gott denken" hier
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