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Fußball: so spielt auch das Leben

Warum schauen wir immer wieder Fußballspiele an: Wir können uns selbst zusehen, denn die Spiele gewinnen wie wir nur als Mannschaft und wenn zugleich jeder auf seinem Posten etwas Besonderes leistet. So "gewinnt" auch unser Betrieb, unsere Stadt, unser Land. Der Fußball bringt es besser zur Darstellung als z.B. im Moment die Parteien oder die Kirchen. Und mein Betrieb?

Damit eine Mannschaft gewinnt, braucht es gute Spieler und jemanden, der mit ihnen das Spiel entwickelt, einen Trainer, ob im Sport, im Betrieb, in der Partei, in der Kirchengemeinde. Diese können ihre Mannschaft dann zum Sieg führen, wenn sie das Talent jedes einzelnen sehen. Jeder braucht das auf ihn zugeschnittene Trainingsprogramm, auch im Betrieb. Das müsste besonders in der Kirchengemeinde zutreffen, denn Gott eröffnet den jeweils größeren Raum.

Ich brauche ein Umfeld, damit ich zu dem werde, der ich werden kann

Mein Selbststand, dass ich meinen einmaligen Fingerabdruck auch setzen kann, wird durch die Lehrer, die Ausbilder, die Vorgesetzten, die Gemeindeleiter eröffnet. Sie schulden es den ihnen jeweils Unterstellten, deren Begabungen zu erkennen und diesen Raum zu geben. Weil das am Fußball deutlicher wird als an Teams und Abteilungen von Unternehmen, schauen wir Fußball und nicht Wirtschaftsberichterstattung. Uns langweilt die Wirtschaftsberichterstattung in Zeitung und Fernsehen auch deshalb, weil die Beiträge meist nicht den Blick für die Mannschaft, sondern einseitig auf die Geldflüsse gerichtet haben. Kämen die Einzelleistungen und das Zusammenspiel der Teams zur Darstellung, würden wir wahrscheinlich weniger Fußball schauen. Wenn Teamplay in der Schulklasse, auf der Baustelle, in der Werbeagentur gezeigt würde, wäre das für Zeitung und Fernsehen allerdings sehr viel aufwändiger. Der Fußball ist nämlich in doppelter Hinsicht einfacher zu filmen. Er braucht nur 90 Minuten Aufnahmezeit und kann die Leistungen der einzelnen sehr viel einfacher zeigen als die einer Verkäuferin, eines Grafikers und auch die eines Lehrers. Dabei wäre der Bau einer Brücke genauso spannend und verlangt noch mehr außerordentliche Leistungen jedes Beteiligten als ein Fußballspiel. Das kann verlorengehen, die Brücke muss halten.  

Ich muss meine Begabungen entwickeln 

Ich bringe wie die Linien meiner Hand auch Begabungen mit ins Leben, die in meiner Mischung sogar einmalig sind. Auch wenn alle das Gleiche machen, wie z.B. Verkäuferinnen oder Lehrer, erleben wir jede anders und fühlen uns von jeder Lehrkraft verschieden angesprochen. Damit ich das erleben kann, musste sich jeder und musste sich jede Kompetenzen aneignen. Wer verkaufen will, muss die Kunden verstehen, ihre Vorstellungen einschätzen, das Sortiment kennen, Rückmeldungen zu den einzelnen Produkten erfragen, um dann dem Kunden ein Verkaufserlebnis zu vermitteln. Wer anderen etwas vermitteln will, muss nicht nur das Sachgebiet beherrschen, sondern eine Vorstellung haben, wie in den Köpfen Lernen abläuft, also die Erkenntnisse der Hirnforschung umsetzen, eine Lerndramaturgie aufbauen und jeden einzelnen im Blick haben, ob alle folgen konnten. Diese Kompetenzen werden nur annäherungsweise durch Prüfungen abgefragt. Da diese durch die Lehrkräfte bewertet werden, bevorzugen diese Arbeiten, die sie benoten können. Gute Noten sind nichts Schlechtes, aber sie sind nicht der Fingerabdruck, den ich hinterlassen könnte. Es ist wie im Fußball. Das Training ist notwendig, aber gewonnen werden muss das Spiel. Deshalb sind Praktika, in denen ich mich ausprobieren kann, unentbehrlich. Und nur solche Praktika sollte man machen, bei denen man auch zum Einsatz kommt, „spielen“ darf.

Selbstbewusstsein

Wer ein Tor geschossen hat, geht das nächste Mal anders auf den Platz. Ebenso brauche ich in jedem Spiel, ob Beruf oder Ehrenamt Resonanz auf meinen Einsatz. Deshalb sollte man möglichst zu Aufsteigern gehen. Wir meiden instinktiv Absteiger und tendieren zu erfolgreichen Teams. Letztere sind jedoch meist kein innovatives Lernfeld. Erfolgreiche machen das, was sie immer schon gemacht haben und sind in Gefahr, weil sie Veränderungen nicht ernstnehmen. Man kann das an Betrieben wie an Parteien und besonders gut an den Kirchen ablesen. Sie wollen nicht besser werden, nicht zu den neuen Entwicklungen aufschließen. Deshalb sollte man in jungen Jahren in ein aufstrebendes Unternehmen, einen Verband mit neuen Ideen, in einen Club mit ambitionierten Trainern einsteigen, um sich mit dem Unternehmen, dem Verein zu entwickeln. Gerate ich in einen Betrieb, wo sich alle „etabliert“ fühlen, wo man neuen Konzepten nicht traut und deshalb Sicherheit beim Überkommenen sucht, bin ich schon alt, ohne in die Jahre gekommen zu sein.

Viele Unternehmen und Institutionen lassen die Begabungen liegen

Wenn jeder Mensch einmalig ist und deshalb seinen Fingerabdruck hinterlassen soll, dann braucht es das Zusammenspiel der Einzelnen mit dem Betrieb bzw. der Einrichtung. Letztere erhalten dafür die Sicherheit, nicht unterzugehen, wenn sie jede Begabung zum Zuge kommen lassen. Aber können sich die Einzelnen in ihrer Einmaligkeit immer als gewollt erleben? Wir können doch erst dann von einer humanen Kultur sprechen, wenn nicht nur einige in ihrer Einmaligkeit herausgestellt werden. Muss man dafür erst eine Goldmedaille erringen? Unsere Kultur ermöglicht das offensichtlich nur für einige. Die Berufswelt hat allerdings inzwischen mehr als Institutionen, Kirchen und auch Parteien erkannt, dass der höchste Unternehmenswert nicht mehr die Maschinen sind, sondern das Potential der Mitarbeiter:innen. Aber in wie vielen Bereichen, vor allen in den Verwaltungen und Institutionen, muss man noch jammern, um wahrgenommen zu werden. Wenn einige ständig klagen, überlastet zu sein, ist das ein deutliches Signal dafür, dass die Begabungen der Mitglieder nicht ins Spiel gebracht werden. Auf den Fußball übertragen würde das heißen, dass nur 5 statt 11 Spieler auf den Rasen geschickt werden.

Ich muss es immer wieder versuchen und kann trotzdem nicht immer gewinnen

Vom Fußball kann man eine wichtige Lehre mitnehmen. Selbst in 90 Minuten muss die Mannschaft immer neu versuchen, bis zum Tor durchzudringen. Fußball ist anders als Handball eine Frage der Geduld, bis überhaupt ein Torschuss gelingt. Manchmal bringen wir den Ball überhaupt nicht ins Tor des Gegners. Und was im Leben auch nicht zu vermeiden ist: Ich kann verlieren. Diesen Schmerz, den die Fans mitleiden, stärkt für die Niederlagen im eigenen Leben. Vom Fußball kann ich auch lernen, dass eine Niederlage nicht das Ende ist. Wer sich aufrappelt und intensiver trainiert, kann oft noch in der Champions League mitmachen.

Ich muss dorthin gehen, wo ich einmalig gewollt bin

Wenn jeder einen einmaligen Fingerabdruck hinterlassen kann, dann muss in jedem von uns Einmaligkeit angelegt sein. Ich kann also bei mir auf die Suche gehen. Das ist gar nicht so selbstverständlich. Obwohl ich mich immer "dabei habe", bin ich meist "anderswo". Ich verbringe nämlich mehr Zeit damit, herauszufinden, was andere von mir halten, wie sie reagieren werden, wenn ich zu einer Fahrradtour, zu meinem Geburtstag, zu einem Projekt einlade. Im Beruf geht es ständig darum, ob andere unser Produkt kaufen, unsere Brötchen essen, überhaupt bereit sind, für das zu zahlen, was ich anbiete. Die digitale Kultur hat hervorragende Mittel erfunden, mich von mir selbst abzulenken. Waren früher nur Telefon und Brief die Kommunikationskanäle, mit denen mich andere erreichen und so ablenken konnten, gibt es jetzt nicht nur die Emails, sondern die Social Media und die Messengerdienste. Viel mehr Menschen scheinen mir etwas mitteilen zu wollen, jedoch meistens reden sie von sich. Es scheint so, dass ich das alles mitbekommen muss. Am Ende wird das aber nur gemacht, damit Google, Facebook&Co möglichst viel von mir wissen. Denn je mehr Zeit ich mit dem Handy verbringe, desto mehr Daten werden von mir gespeichert und für die Lenkung meiner Wünsche eingesetzt. Inzwischen wissen Google und Instagram viel besser als ich, wo ich letzte Woche Mittwoch um16h war und für was ich mich interessiert habe. Es verwundert nicht, dass junge Menschen immer schwieriger zu einer Entscheidung kommen, was sie mit ihrem Leben anfangen wollen. Das kann ihnen das Internet nämlich nicht sagen, sondern nur sie selbst. Deshalb sind für mich nicht die „Freunde“ bei Facebook wichtig, sondern die Menschen, die meine Einmaligkeit respektieren, die mich nicht für ihre Zwecke einsetzen, sondern mich schon an dem Platz sehen, an dem ich meine Begabungen verwirklichen kann. Um der zu werden, der nur Ich werden kann, braucht es zuerst mich selbst. Und einige andere, die mich realistisch, aber auf Zukunft als Entwicklungsprojekt sehen, die absehen können, wie ich meine Begabungen und Vorstellungen umsetzen kann. Es sind die, die sich von mir überraschen lassen, die mich so haben wollen, wie ich mich haben will. Dafür brauchen wir eine andere Zivilisation. Denn wenn jeder Klick auf eine Internetseite, jede Mail, jeder Post gespeichert wird, soll ich ja berechenbar gemacht werden. Je mehr ich bei Instagram und Facebook unterwegs bin, umso mehr werde ich Teil des Netzes. Jeden Tag wird meine Person weiter festgezurrt. Deshalb ist sehr sinnvoll, genau hinzuschauen, wie Fußball funktioniert. Auch die Institutionen, die kaum junge Leute anziehen, die Kirchen und Verbände, sollten vom Fußball lernen. Eine Mannschaft ohne starke Charaktere gewinnt kein Turnier.


Kategorie: Verstehen

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