Das Buch ist flüssig geschrieben und kann daher problemlos auf der Fahrt zum nächsten Spielort gelesen werden. Es gehört unbedingt in das Gepäck derjenigen, die Spiele kommentieren. Bei Übertragungen bleibt es ja meist bei der Nennung der Spieler, die den Ball zuspielen oder zugespielt bekommen. Aber wie Schauspieler ein gutes Drehbuch brauchen, so auch Spieler eine Strategie, damit sie nicht einfach losrennen, sondern Spielzüge entwickeln, die die gegnerische Abwehr überwinden. Da es diese Analysen auch in Zeitungen nicht zu lesen gibt, füllt das Buch eine Lücke und gibt jedem, der auch nur sporadisch Spiele verfolgt, die Anhaltpunkte, um nicht den Ball zu verfolgen, sondern die Strategie zu entziffern, die das Spiel der Mannschaften lenkt. Man wird dann eher den Kommentator auf stumm stellen, deren Gerede auch ohne dieses Buch oft schon nicht auszuhalten war. Cox analysiert viele Spiele seit den führen Neunzigern und erläutert die Ideen hinter den Spielzügen. Er schreibt zugleich eine Geschichte des Fußballs seit 1992. Das Buch erklärt, warum gerade dieser Sport so großes Interesse auf sich zieht: Er spiegelt die Berufswelt.
Konzept und Teamgeist gewinnen – nicht nur auf dem Spielfeld
Ein Mannschaftssport zieht die größte Aufmerksamkeit auf seine Wettkämpfe. Das könnte daran liegen, dass Fußball die heutige Berufswelt besonders gut abzubilden scheint. Jedes Wochenende liefert er neue Ergebnisse. Wie ein Unternehmen muss eine Fußballmannschaft ständig Leistung bringen. Der Dax kennt ein Ranking wie die Bundesligatabelle. Und wie in den DAX muss man erst einmal in die oberste Liga kommen.
Die Trainer sind entscheidend
Das Buch gehört nicht zuletzt denen geschenkt, die sich wundern, warum Fußballfans vom Zuschauen nicht müde werden, es sehen müssen, wie ihre Mannschaft sich schlägt. Denn wie eine Fußballmannschaft muss eine Firma gewinnen. Das gelingt nur noch in Teamarbeit und mit einem Konzept, an das die Teammitglieder glauben. Wie das im Fußball funktioniert, beschreibt Michael Cox in „Umschaltspiel“. Das müssen Firmen, nicht nur in ihrem Marketing, sondern auch durch die Digitalisierung. Während die Sportreporter den Blick auf die Leistungen der Spieler lenken, zeigt Cox, dass ohne eine Strategie eine Mannschaft nicht bis zur Spitze vorstoßen kann. Nur einige Kapitel reichen, um zu verstehen, warum nicht die Spieler, sondern der Trainer ausgewechselt wird, wenn eine Mannschaft nicht mehr gewinnen kann.
Strategiewechsel
Die Beziehung eines Sports zur Gesellschaft reflektiert der Autor nicht. Dem Rezensenten wurde dieser Zusammenhang jedoch bereits im ersten Kapitel deutlich, in dem die Dominanz von Ajax Amsterdam in den frühen neunziger Jahren brillant zur Darstellung kommt. Der Titel des Buches "Umschaltspiel" klingt nicht nach Fußball, erklärt aber das Prinzip, nach dem das Buch aufgebaut ist. Jeweils eine neue Strategie prägt eine Epoche. Wer sie entwickelt dominiert, zuerst Ajax Amsterdam, dann Italien mit dem Cantenaccio, der Viererkette. Von 2000 a 2004 dominiert Frankreich, das die Dominanz Italiens durch seinen Tempo-Fußball ablöst. Dann kommen die vier Jahre Portugals, mit dem die Abwehrspieler auch in den Angriff auf das gegnerische Tor einbezogen wurden. Spanien mit der Tiki-Taka Taktik des Ballbesitzes. Die Dominanz des deutschen Spiels zwischen 2012 und 2016 wurde durch eine Dynamisierung des Ballbesitzes in Richtung Konterangriffe begründet. Die Mannschaft zieht sich nicht nach Ballverlust auf die Verteidigung des eigenen Tors zurück, sondern versucht, im Gegenpressing dem Gegner den Ball schon in dessen Hälfte abzujagen. Die Weltmeisterschaft in Russland ist nicht mehr Thema. Das letzte Kapitel gilt dem englischen Fußball, der körperbetont gespielt wurde und damit den dynamischen Strategien anderer Länder unterlegen waren. Der Import von Trainern und Spielern belebte die englische Premier League, so dass das Land international wieder mithalten kann.
Teamplayer werden Einzelkämpfern vorgezogen
Nicht einzelne gewinnen, sondern die Mannschaft. Es verlieren nicht die Spieler, sondern die Trainer. Einer bestimmt die Strategie. Wenn es ihm gelingt, jedem einzelnen, entsprechend dessen Talenten, eine auf ihn zugeschnittene Aufgabe zu geben Platz und so Rivalitäten durch unterschiedliche Rollenzuweisungen zu vermeiden, sammelt er die meisten Punkte. Was ist so anders bei Bill Gates, Steve Jobs, Bezos Jack Marc Zuckerberg. Jeder hat mit der digitalen Technik ein anderes Konzept entwickelt und hat dafür die Spieler seiner Mannschaft zusammengestellt.
Was hier ins Gesellschaftliche übertragen wird, reflektiert Cox nicht, aber er zeigt es, indem er es an Spielen erklärt, die für Meisterschaften entscheidend waren. Was die meisten Sportjournalisten offensichtlich nicht können, zeigt er, nämlich nach welchem Konzept eine Mannschaft ihr Spiel aufbaut. Dabei bespricht er nur die Strategien der Sieger. Damit trifft er das Interesse der Fans. Sie wollen sehen, wie man gewinnt. Für die dunklen Seiten des Lebens schaut man nicht Fußball, sondern Krimis.
Das Buch kann verschiedene Gruppen von Lesern gewinnen. Teamleiter und Geschäftsführer motiviert es, eine überzeugende Strategie zu entwickeln, bei Fußballfans weckt es Erinnerungen an entscheidende Spiele, Frauen können es ihren Männern schenken und Programmdirektoren ihren Sportreportern, damit diese nicht bloß die Rückennummern der Spieler ablesen, sondern Spielzüge erklären. Die Wiederholung von Torszenen könnte dann genutzt werden, den Spielzug zu erklären, der zum Torerfolg geführt hat und nicht nur den Torschuss aus verschiedenen Kamerawinkeln zu zeigen. Langweiliger als die Minuten bis zur Siegerehrung für Bayern München nach dem Spiel gegen Paris Saint-Germain kann man Fernsehen kaum noch machen. Michael Cox gehört in das Fortbildungsprogramm für Sportjournalisten.
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