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Freiheit heißt, es auch machen

Freiheit ist erst einmal nur eine Möglichkeit. Sie gewinnt erst ihre Gestalt, wenn der Mensch etwas in Gang setzt. Freiheit braucht Entscheidungen, um sich verwirklichen zu können. Wirklich wird sie aber erst, wenn ich die Entscheidung auch umgesetzt habe. Daran hindern mich viele Kräfte.

Freiheit drängt mich nach vorne. Ich muss Entscheidungen treffen, z.B. für eine Ausbildung oder ein Studium. Damit lege ich mich langfristig fest. Jetzt könnte Freiheit darin bestehen, dass ich diese Entscheidung rückgängig mache. Freier könnte man dann denjenigen nennen, der eine Entscheidung rückgängig macht und sich z.B. für eine andere Berufsausbildung entscheidet. Wenn er diese auch wieder umstößt, wäre er dann noch freier? Die Achtundsechziger haben diese Vorstellung, Freiheit bestehe darin, dass ich mich von meinen Entscheidungen entbinde, wenn die Konsequenzen mir nicht mehr zusagen. Sie stießen damit auf heftige Kritik, fühlten sich aber im Vergleich zu denen, die bei einer Entscheidung geblieben sind, freier. Freiheit besteht dann darin, dass ich immer Nein sagen kann, nicht zuletzt zu dem, was ich versprochen habe. Ich kann Termine absagen, zugesagte Arbeiten nicht erbringen. Das gilt dann auch für menschliche Bindungen. Im Zusammenhang mit Beziehungen und Partnerschaften wurde in den siebziger Jahren Freiheit dann besonders intensiv erlebt, wenn sich jemand aus einer Bindung gelöst hat. Es waren nicht nur Partnerschaften, die gelöst wurden. Freiheit hieß für einige auch, die Beziehung zu den Eltern abzubrechen. Die Freiheit schien immer auf der Seite verwirklicht, die ein Zusage oder eine Verbindung aufkündigte. Die anderen waren eben weniger frei. Wer eine Partnerschaft auf Lebenszeit einging oder einer religiösen Berufung zum Ordensleben und Priestertum folgte, begab sich für die Achtundsechziger in die Unfreiheit. Hinter ihrem Freiheitsverständnis stand die Grundvorstellung, sich aus den bürgerlichen Zwängen zu lösen. Dieses Freiheitsverständnis fließt in unserer Kultur noch untergründig mit. Es funktioniert wie ein Rücktrittsrecht. Ich kann ja immer noch aussteigen. Charles Taylor hat darauf aufmerksam gemacht, dass dieses Freiheitsverständnis direkt auf die Freiheit diejenigen einwirkt, denen ich absage. Das macht dann am Ende auch etwas mitmeiner Freiheit.

Die Freiheit der anderen.

Mich festzulegen scheint meine Freiheit zu begrenzen. Ich muss auf dem eingeschlagenen Weg weitergehen und verschließe mir die Möglichkeiten, die auf diesem Weg sich als vielversprechender auftun. Ich könnte nämlich etwas Interessanteres oder weniger Anstrengendes machen und mich mit interessanteren Leuten umgeben. Kündige ich eine Zusammenarbeit oder eine Beziehung auf, bin ich für die Menschen, mit denen ich bisher zusammen war, nicht mehr da. Sie hatten, vor allem wenn es um Familie oder eine langfristige Aufgabe geht, mit mir gerechnet. Meist hat das für andere auch finanzielle Folgen. Wenn ich ein Studium abbreche oder ohne Qualifikation beende, wurden meine Ausbilder und Professoren nicht von mir finanziert. Auch eine Lehrstelle verursacht Kosten, die die Auszubildenden nicht finanzieren. Aber es sind nicht nur andere davon betroffen, wenn ich abbreche, versprochene Leistungen nicht abliefere und in Freundschaften und für die Familie einfach nicht mehr da bin. Es muss auch meine Freiheit betreffen, wenn ich eine Entscheidung nicht umsetze, wir sprechen da auch von "umwerfen". Ich kappe auch bie mir etwas.

Meine Freiheit tendiert auf Verwirklichung

Aus mir soll etwas werden, nicht nur mit Schule und Ausbildung, sondern auch durch die Berufsausübung, das Engagement in Vereinen, einer Partei oder Kirche sowie durch die Elternrolle. Diese Personwerdung wurzelt in der Freiheit. Die Freiheit setzt mich instand, mein Leben zu leben, auch wenn andere über mich bestimmen, bleibe ich der Betreiber meines Lebens bin. Denn ich kann mein Leben nicht an andere delegieren. Selbst wenn es weitgehend von anderen bestimmt wird, bleibt es deshalb mein Leben, weil ich mich unterschiedlich zu den Bedingungen verhandelt kann. Ich kann sie ablehnen wie auch akzeptieren. Ich kann tun, was andere von mir wollen, weil ich eingesehen habe, dass das sinnvoll ist oder ich kann es einfach nur hinnehmen, das zu tun, was andere von mir wollen. Wenn es nicht von außen über mich bestimmt wurde, sondern meine Entscheidung ist, dann ist es folgerichtig, dass ich das auch umsetze, was ich entschieden habe. Wenn ich der werden soll, der ich sein will, dann büße ich mit einer nicht umgesetzten Entscheidung etwas für meine Person ein. Das, was ich mit vorgenommen hatte, bleibt in meinen Gedanken, gelangt aber nicht in die Verwirklichung. Das heißt aber, dass ich mich nicht verwirkliche. Ich werde nicht zu dem, der ich werden wollte. Das empfinde ich in jungen Jahren noch nicht als unnötige Beschränkung, die ich mir selbst auferlege. Ich bin ja offen für etwas, das mehr verspricht. Das kann aber eine Täuschung sein, die mir im Alter erst bewusst wird. Da sehe ich nämlich, wie sich in meinem Leben das eine aus dem anderen entwickelt hat. Dann erscheinen umgeworfene Entscheidungen als Brüche. Ich erkenne dann mit Sechzig oder Siebzig, dass einige Brüche unumgänglich waren, dass mich aber andere in meiner Personwerdung zurückgeworfen haben. Denn mit jedem Abbruch werden auch Entwicklungen gebremst oder sogar verunmöglicht. Mein Leben wird dann so wie der Berliner Flughafen. Der ganze Aufwand macht nur Sinn, wenn auch Flugzeuge starten und landen können. Es muss auch in meinem Leben etwas herauskommen. Eine Ausbildung oder ein Studium machen erst Sinn, wenn ich das umsetze, was ich mir angeeignet habe. Was in einer Freundschaft oder Partnerschaft wirklich steckt, weiß ich erst, wenn ich sie nicht abgebrochen habe. Es ist doch wohl ein großes Missverständnis, Freiheit dann verwirklicht zu sehen, wenn ich Entscheidungen umwerfe. Ich werde nicht nur anderen untreu, sondern noch mehr mit selbst.

Mein Leben ist das, was ich gelebt habe

Freiheit heißt mehr als etwas verändern. Sie setzt Individuen instand, nicht das zu kopieren, was andere leben, gelebt haben' sondern das eigene Leben selbst zu entwerfen und diesen Entwurf in eine konkrete Biografie umzusetzen. Weil Freiheit aus ihrem Prinzip heraus wenige allgemeine Aussagen zulässt, hat sie das Interesse der Philosophen nur mäßig geweckt. Man kann erst über die Freiheit etwas aussagen, wenn sie sich der Person durch Handlungen eine Gestalt gegen hat. Sie wird damit immer einmalig, mein Unikat. Deshalb gibt es wenig Allgemeines, was man über sie feststellen kann. Es sind daher die Schriftsteller und Drehbuchautoren, die sich intensiv in Romanen, Filmen wie auch in Theaterstücken und Biografien mit der Freiheit auseinandersetzen. Da jeder von uns noch einmal selbst der Autor, die Autorin der eigenen Biografie sind, arbeiten wir alle an dem großen Buch mit, das aus der Geschichte jedes Menschen entsteht. Daher kommt das Bild, dass es im Himmel ein Buch gibt, in dem nicht primär unsere Gedanken, sondern unsere Taten aufgeschrieben sind.

Mein Leben soll von mir gelebt werden, in Beziehung, dazu ein Beitragüber Freundschaft und Partnerschaft von Jutta Mügge: Mein Platz in Partnerschaft und Freundschaft

Wenn es auf Entscheidungen ankommt, die mein Leben tragen sollen, dann muss ich in der Entscheidungsphase die Sicherheit gewinnen, dass ich mich für das für mich Entscheidende entschieden habe. Dafür gibt es den deutlichen Hinweis, dass meine Iris unverwechselbar ist und ich wohl einen einmaligen Fingerabdruck hinterlassen soll.
Berufung – Kompass für meine Identität

Mich für einen Lebensweg entscheiden, beginnt mit tastenden Bewegungen. Bis ich spüre, dass mein Lebensnerv getroffen wird. Hier zum Weiterlesen:

Wo kommt mein Lebensauftrag her?
Ich spüre, wenn ich für eine Aufgabe, eine Tätigkeit so interessiere, dass ich mich ihr widmen, mich dafür ausbilden, sie mir Lebensinhalt werden kann. Jutta Mügge hat beschrieben, wie ich zu dem Lebensauftrag finde. Hier zum Weiterlesen


Kategorie: Verstehen

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