Viele Menschen, die nach außen selbstbewusst erscheinen, beklagen sich oft darüber, dass sie sich innerlich gar nicht so fühlen würden und unter Druck gerieten, weil man von ihnen erwarte, dass sie sich selbstsicher verhalten. Wer ein wenig unsicher erscheint, erlebt diesen Stress weniger. ‚Starke‘ Typen können also mehr unter Stress stehen als Zauderer und ‚Weicheier‘. Es kann allerdings auch sein, dass entgegen der allgemeinen Annahme ein fester Standpunkt und ein selbstbewusstes Auftreten sogar ungesund sind, weil das Was vor dem Wie steht.
Faktoren des Krankwerdens
Es ist zunächst einmal schwierig zu sagen, warum ein Mensch eher krank wird als ein anderer. Sicherlich ist eine Grundlage unsere genetische Disposition. Manche Menschen leiden an Erbkrankheiten, auf die der Einzelne keinen Einfluss hat. Ein Eingriff in die DNA kann da die einzige Möglichkeit sein, die Gesundheit des Menschen zu erwirken. Wir wissen inzwischen auch relativ viel über die Einflüsse auf die Gesundheit durch gesellschaftliche und soziale Faktoren. Eine Krankheit wie Pseudokrupp war im Ruhrgebiet recht häufig und eindeutig durch die schlechte Luft bedingt. Ebenso ist nachvollziehbar, dass Menschen, die sich gesunde Lebensmittel leisten können, sich informieren, ärztlichen Rat einholen, sich Auszeiten nehmen können und einen Beruf ausüben, der ihnen Ansehen und Erfolg bringt, eine bessere Gesundheit haben. Auch Faktoren wie die Qualität der sozialen Beziehungen, Familienzusammenhalt, aber auch Eigenschaft wie Optimismus und Spiritualität tragen zur Stärkung der Gesundheit bei. Neu stellt sich die Frage nach der Gesundheit bei der Erfahrung von Traumata. Denn es ist erstaunlich, wie unterschiedlich Menschen auf ein Trauma reagieren. Während der eine nach einem Trauma psychisch zusammenbricht und auch körperliche Symptome zeigt, ist der andere stabil und zeigt keinerlei Symptome.
Pech kann auch ein Glück sein
Menschen, die viel Pech und Leid erfahren haben, sind deshalb nicht notwendigerweise unglücklich. Chronisch oder schwer erkrankte Menschen sind manchmal von einem bewundernswerten Optimismus. Sterbende überraschen oft mit einer abgeklärten Heiterkeit. Es muss angenommen werden, dass die Art des Umgangs mit Schicksalsschlägen von entscheidender Bedeutung ist. Diese Erfahrung, so kann angenommen werden, beruht auf dem eigenen Erleben und dem Modelllernen. Habe ich ein Elternteil oder Großeltern oder andere im Umfeld erlebt, die mit einem Schicksalsschlag positiv umgegangen sind, sich nicht haben unterkriegen lassen, so habe ich stellvertretend gelernt, dass es in mir Ressourcen gibt, die ausreichend sind, um Schicksalsschläge zu bewältigen. Oder die Unterstützung durch das soziale Umfeld bei Krisen hat mich zu der Überzeugung gebracht, dass auch bei einem anderen Ereignis Menschen bereit sind, mir ihr Ohr zu leihen. Die Bewältigung eines Traumas oder Schicksalsschlags führt jedoch auch zu der Erkenntnis, dass als gewiss geglaubte Meinungen über die Wirklichkeit in Frage gestellt werden können. Die Selbstgewissheit gerät ins Wanken. Man kann bei Menschen, die ein Trauma konstruktiv bewältigt haben, oft eine Milde wahrnehmen, eine demütige Haltung dem Leben gegenüber. In ihren Meinungen sind sie zurückhaltender geworden, denn sie haben erlebt, wie schnell Sicherheiten und Gewissheiten ins Wanken geraten können. Man könnte vielleicht sagen, dass sie gelernt haben, wie wichtig es ist, zu einer Haltung zu kommen und nicht darauf zu vertrauen, eine Haltung zu haben. Das Was ist dem Wie nachgeordnet. Einem Traumatisierten hilft man nur wenig, wenn man ihm seine schönen Meinungen über das Leben erzählt. Es ist wichtig, wie man wieder zu einem positiven Blick auf sich und die Welt kommt. Manches Mal ist die Aufgabe von Überzeugungen recht radikal. Ein gläubiger Mensch verzweifelt an Gott und er kann nur durch die Ablehnung des ehemals als sicher gefühlten Glaubens, dass es einen lieben Gott gibt, wieder zu einem zufriedenen Leben gelangen. Das Beharren an einer festen Meinung würde den Prozess der Genesung nur stören.
Dankbarkeit und Offenheit
Auch die Bewältigung kleiner Krisen – und als Kind können Kleinigkeiten größte Krisen auslösen – ist erstens mit der Erfahrung verbunden, dass man es geschafft hat und dem Schicksal, Gott und den Menschen, die zugehört haben, gegenüber Dankbarkeit empfindet. In den Forschungen zu Spiritualität und Gesundheit ist Dankbarkeit als ein ganz wesentlicher Aspekt erkannt worden. Dankbarkeit anderen oder irgendwelchen Mächten gegenüber verändert das Gefühl für Selbstmächtigkeit. Das Selbstbewusstsein hat quasi die Kränkung durchlebt, dass eigenes Zutun nicht hinreicht. Gleichzeitig war die Offenheit für äußere Hilfen notwendig, um die Krise zu bewältigen. Deutlich wird bei der Beschäftigung mit der Frage einer robusten Gesundheit, dass eine feste Meinung über die Welt sowie eine große Selbstsicherheit tendenziell gesundheitsschädlich sind. Der Zweifel gehört zum Glauben, so könnte man es theologisch wenden. Oder philosophisch gedacht, es ist wichtiger, die Frage genauer zu fassen als die bisherige Antwort, also eine Meinung, zu stabilisieren.
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