Facebook: Nur Selbstdarstellung und Verführung zu Rüpeleien

Facebook ist als Social Medium entworfen. Es verbindet zwar Menschen, aber nur, damit sie sich zeigen können. Es bringt Influencerinnen hervor und verführt zu Pöbeleien. Kommunikation als Hin und Zurück unter Gleichen braucht eine andere Software. Social Media, die das Soziale auch leisten, müssen entwickelt werden.

Facebook ist nicht über das hinausgewachsen, was es anfangs war: Die Personenbeschreibung von Zuckerbergs Kommilitonen und Kommilitoninnen. Dafür gab es noch bis Anfang dieses Jahrhunderts meist alphabetisch zusammengestellte Fotokataloge. Mit diesen konnten die Studierenden Gesichter mit Namen verbinden. Das bestimmt auch heute Facebook
1. Wenn man dazu gehören will, muss man in den Katalog kommen - mit Foto
2. Wenn man Kontakte haben will, muss man sich möglichst positiv darstellen.
      Bei Facebook hat die digitale Technologie zu einem weiteren Muss geführt:
3. Man muss Präsenz zeigen - was ich anziehe, wo man mich treffen kann, Fotos aus meinen
     Urlauben, was ich gerade Interessantes mache.
4. Wenn man es nicht mit Witz oder Charme schafft, macht man sich durch Pöbeleien wichtig.

ein Jemand werden

Wer sich darstellt, andere beschimpft, seine Aufenthaltsorte und seinen Konsum präsentiert, versorgt Facebook mit allen Daten zu seiner Person. Das erklärt auch, warum Konsumwerbung so gut läuft. Facebook verlangt ja nicht von mir, dass ich Einblick in den Stand meiner Examensarbeit gebe, sondern motiviert, mich über meine Konsumgewohnheiten darzustellen. Wer das gut macht, wird zur Influencerin oder zum Spaßvogel. Wer das nicht hinbekommt, muss mit etwas raueren Mitteln auf sich aufmerksam machen. Facebook heißt eben, sich als jemand darstellen, mit welchen Mitteln auch immer. Ein Interesse an der Sache, ein Ringen um Lösungen ist in der Genetik von Facebook nicht vorgesehen. Die behauptete Freundschaft ist so geartet, dass die Nutzer Mobbing nicht als No Go empfinden, außer sie sind selbst betroffen. Es ist doch nicht nur Facebook als Unternehmen, das Rüpeleien durchgehen lässt, sondern auch die Aktiven, die auf der Plattform posten, werden nicht zurückgerufen.
Damit trägt Facebook nichts Entscheidendes für die religiöse Dimension des Lebens bei. Wenn ich mich damit darstellen will, stelle ich Fotos von Feiern ein, Berichte von Ereignissen und nicht von Fehlschlägen. Wenn Facebook und noch weniger Tik Tok das leisten, heißt das jedoch nicht, dass die digitalen Medien nicht mehr für den Zusammenhalt einer Gruppe, eines Verbandes, einer Institution ermöglichen können. Gurus der digitalen Welt sollten daher nicht etwas versprechen, was Facebook u.a. Social Media von ihrer Konzeption her nicht leisten können. Das gilt nicht zuletzt für die schwer darstellbare Dimension „Religiosität“. Frühere Generationen haben mit Buchmalerei und Glasfenstern andere Qualitätsmaßstäbe gesetzt.

Zugehörigkeit und Zusammenhalt intensiver erleben

Hätte nicht Covid mit dem digitalen Lernprogramm, das es Kirchengemeinden, Gruppen, Verbänden aufgezwungen hat, zu anderen Effekten führen müssen? Die Internetpioniere in den Kirchen sollten reflektieren, ob mehr Facebook und Twitter auch mehr Zusammengehörigkeitsgefühl vermittelt haben. Die Katholische Kirche hätte das dringend nötig. Social Media wären für Gemeinden und Verbände das Medium, das eigentlich mehr Möglichkeiten bietet als die bisherigen Printprodukte. Dafür wären folgende Funktionen zu nennen, die die digitalen Medien ermöglichen müssten, wollen sie sich mit den früheren Wochen- und Monatszeitschriften oder gar mit Luthers Flugblättern vergleichen:

  •     Themen ins Gespräch bringen
  •     Zusammenhalt spürbar machen
  •     das Engagement unterstützen
  •     Mistreiter für Projekte gewinnen
  •     An Problemlösungen mitarbeiten können

Letzteres wäre für die Katholische Kirche in Deutschland dringend gefragt. Ihr Synodaler Weg findet hinter verschlossenen Türen statt. Die Themen gelangen nicht in die Gruppierungen, um dort besprochen zu werden und sich so zu verankern. Nach außen wird Zerstrittenheit transportiert. Es erscheint notwendig, dass sich die Kirchen selbst die Sozialen Medien bauen, die das auch leisten, was bisher mit Facebook&Co versprochen wurde. Dafür sind Vorgaben zu formulieren. Hier erste Schritte:

Projekte, Probleme, Themen

Zu einem Thema sich einer Gruppe so anschließen können, dass ich meinen Beitrag nicht nur online stelle, sondern ihn ergänzend anderen Beiträgen zuordnen kann. Es müssen nicht neue Beiträge sein, ich sollte auch einen Link auf einen Beitrag im Netz setzen können, der das Projekt, die Klärung eines Themas, ob theologisch, didaktisch oder organisatorisch, weiterbringt. Wikipedia ermöglicht das bereits, ist aber linear aufgebaut, es müsste ein Nebeneinander geben. Ebenso verhindert die Timeline von Facebook, dass Beiträge zur gleichen Thematik direkter einander zugeordnet werden.

Kooperation und Projektgruppen

Facebook und auch LinkedIn ermöglichen zwar, eine Analyse oder eine Einschätzung zu verlinken. Die Leser können das auch kommentieren. Wollen sie jedoch ebenfalls einen Beitrag dazustellen, steht der nicht neben dem Beitrag, auf den er sich bezieht, sondern irgendwo später in der Timeline. Das bringt eine Fragestellung nur dann weiter, wenn nur wenige auf der Seite veröffentlichen. Für den Nutzer wäre es aber hilfreich, die Beiträge nebeneinander zu finden und zugleich die Links auf weitere Beiträge im Netz.
Das Muster "Jemand veröffentlicht und ich kann das kommentieren" tendiert in den Social Media zu einer Engführung und bei Google zu einer Aufreihung von mehr gleichen Beiträgen. Diese werden nicht in eine Reihenfolge gebracht, die sich am Inhalt orientiert, sondern an dem Ranking-Platz, den der Google-Algorithmus der Quelle gibt. Der Nutzer kann sicher sein, dass Google ihm relevante Beiträge zum Thema listet, aber nicht, ob alle wichtigen Aspekte zur Sprache kommen. Das würde aber auf einer Seite gelingen, die z.B. von 15 Mitgliedern einer Gruppe betreut wird, die sich mit einem Thema intensiv beschäftigen und anderen den Überblick ermöglichen.

Zugehörigkeit erfahren

Die Postmoderne mutet ihren Bewohnern zu, sich alleine durchs Leben zu schlängeln. Der Staat, vor allem die Kommunen, müssen immer mehr Sicherheitssysteme finanzieren, um Risiken der Nachmoderne zu mindern. Die Karriere des Smartphones ist wesentlich durch die Kommunikationsdefizite der Lebensform bedingt, die die westlichen Länder entwickelt haben. Zugehörigkeit ist für Verbände, Kirchen, für alle freiwillige Vergemeinschaftungen eine zentrale Ressource. Sie ist eine Qualität, die Mitglieder von Gruppen, Verbänden, Gemeinden erleben müssen. Das haben sie früher durch die Mitgliederzeitschrift, den Pfarr- bzw. Gemeinbrief jeden Monat oder öfter erfahren, können das aber wegen der Kommerzialisierung der Social Media nur schwer bekommen. Wenn man die Kommunikationsleistung der Missionswerke in Erinnerung ruft, dann hatten die Unterstützer in Europa und den USA das Gefühl, dass sie zum Erfolg der Mission persönlich beitragen können, nicht nur durch Geld, sondern auch durch Gebet und persönlichen Kontakt mit den Missionaren und Missionarinnen. Weil die digitalen Medien über das Smartphone diese Erlebnisqualität früherer Printmedien außer Kraft gesetzt haben, müssten sie das selber leisten. Auch wenn Facebook das nicht leistet, im Digitalen steckt das Potential, die gerade in der Postmoderne notwendige Ressource „Zugehörigkeit“ zu entwickeln. Das kann man nicht kommerziell arbeitenden Tech-Konzernen anvertrauen. Das müssen die Gruppierungen, die Religions- u.a. Gemeinschaften selbst entwickeln.

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Kategorie: Digitalisiert

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