Vater, Sohn und der Heilige Geist als Taube, Augustinerkirche Mainz Foto: hinsehen.net E.B.

Dreifaltigkeit: Gott ist Beziehung

Die Christen verehren einen Gott, nicht drei Götter, jedoch erkennen sie in Gott drei Personen. Dem widerspricht der Islam vehement. Und philosophisch ist ein Gott, der in seiner Person alles vereint, überzeugender. Warum ist die christliche Vorstellung von Gott unseren Erfahrungen trotzdem näher als der Gott der Philosophen. Es ist die Beziehung. Das wird im Gegenüber zum Islam deutlich:

Wird Gott gemindert, wenn er nicht einer ist

Der strikte Monotheismus hat im Islam zur Ablehnung der christlichen Vorstellung des dreieinigen Gottes geführt. Jesus ist nach dem Koran nur einer der Propheten und der Heilige Geist wird mit dem Engel Gabriel identifiziert. Die schwerste Sünde, die nicht verziehen werden kann, ist die, „Allah etwas beizugesellen“. Dass Jesus von den Christen als Gottes Sohn verehrt wird, ist unbedingt zu korrigieren. Einen solchen Korrekturversuch gab es 300 Jahre vorher schon einmal. Es war die Vorstellung von Gott, die der Mittel-Platonismus, der vom Priester Arius vertreten und von Vielen als die Vorstellung übernommen wurde, die Gott mehr zu entsprechen schien. Der Islam kann als die Religionsgemeinschaft gesehen werden, die nicht dem Konzil von Nicäa folgt, das gegen den Priester Arius die Gottessohnschaft Jesu gesetzt und damit der damals herrschenden Philosophie die Entscheidungsmacht über das christliche Glaubensbekenntnis entzogen hat. Denn im damaligen Mittelplatonismus konnte Gott nur vollkommen sein, wenn er einzig ist. Wenn man Gott dadurch eine noch höhere Verehrung entgegenbringen will, indem man ihn ganz von allem Nicht-Göttlichen unterscheidet, liegt in der Einzigartigkeit Gottes der wesentliche Unterschied. Denn in der Welt gibt es Vieles, das sich damit gegenseitig relativiert. Da Gott nicht relativiert werden kann, ist der Polytheismus philosophisch nicht haltbar. Diesen Gedanken kann man noch bis zu der Vorstellung weitertreiben, dass alles, was ein Mensch tut, eigentlich von Allah ausgeführt werde. Wenn ich ein Haus baue oder nur die Hand nach einem Glas Wasser ausstrecke, ist es eigentlich Allah, der das bewirkt. Das klingt erst einmal sehr weltfremd, da wir um Kraft bitten, jedoch wissen, dass das Haus nicht gebaut wird, wenn wir nicht Hand anlegen. Deshalb bitten Menschen vor großen Herausforderungen die höhere Macht um ihre Unterstützung. Die Vorstellung jedoch, dass diese Macht dann an meiner Stelle handelt, kommt nicht mehr aus meinem Erleben, sondern ist ein theoretisches Konstrukt, das erst aus dem strikten Monotheismus verständlich wird: Wenn Allah einzig ist, würde seine Einzigartigkeit infrage gestellt, wenn neben ihm noch andere Handelnde die Wirklichkeit gestalten könnten. Es scheint so: Wenn ein Gott, dann bewirkt er alles. Diese Schlussfolgerung kann sogar überzeugen. Bin ich dann doch der Verantwortung für meine Taten enthoben, wenn ein anderer an meiner Stelle handelt. Noch einen Schritt weiter: Die Psychologie der Machtausübung lässt mich an der Überlegenheit Allahs partizipieren und sicher sein, dass die stärkste Kraft im Universum siegen wird und ich mit ihr. Das hat ganz konkrete Konsequenzen für den Umgang mit denen, die das Handeln Gott allein zuschreiben. Warum erwarten wir Reue von Attentätern, wenn sie in ihrem Verständnis die Anerkennung des einen Gottes durchsetzen? Ist nicht auch der Verdacht von Kritiker:innen des Monotheismus ernst zu nehmen, dass der Monotheismus näher an der Bereitschaft liegt, Gewalt zur Durchsetzung seiner Mission einzusetzen, als das bei der Verehrung verschiedener Götter gegeben ist, unter denen dann auch weibliche Gestalten ihren Platz finden? Der Monotheismus, im Islam zuende gedacht, zeigt uns konkret die Konsequenz dieser Vorstellung von der Verehrung eines Gottes, der nicht in Beziehung steht. Warum ist dann aber für die Menschen Beziehung so elementar? Auf der einen Seite besagt die menschliche Freiheit, dass der Mensch und nicht eine andere Macht Urheber seiner Entscheidungen ist. Zugleich besagt Freiheit, den andere in seiner Freiheit nicht nur gelten zu lassen, sondern ihn wertschätzen. Freiheit heißt daher, nicht einfach selbst zu handeln, sondern mich mit den anderen so abzustimmen, dass deren Freiheit gewahrt bleibt und ich zugleich für mein Handeln die Verantwortung trage. Dafür ist im Monotheismus des Islam fast kein Platz. Wenn jedoch Gott Freiheit will, dann muss er mich als Freien achten. Und ich die anderen Subjekte in ihrer Freiheit nicht nur dulden.

Freiheit heißt Verschiedenheit

Der Monotheismus, so wie der Islam ihn "denkt", kommt nicht mehr zu einem tieferen Verstehen der menschlichen Freiheit. Dass der Mensch selbst Urheber seiner Handlungen ist, wird zwar in der Scharia vorausgesetzt, denn sonst könnte einem Dieb nicht die Hand abgehackt werden. Aber im Letzten muss die muslimische Theologie sagen, dass auch das Böse durch Allah geschieht. Es betrifft unmittelbar die Politik. Die Vorstellung von Allah als dem einzig Handelnden verpflichtet die Politik, sich ganz den Geboten Allahs zu unterwerfen. Zugleich kommt dem Herrschenden seine Macht nicht „vom Volke“, sondern von Gott zu.  Die mangelnde Anerkennung der menschlichen Freiheit leitet sich dann logisch aus dem Machtanspruch der frühen Kalifen bis zu den heute Herrschenden her. Denn wenn Allah die Herrscher dafür einsetzt, dass sie seine Ordnung politisch durchsetzen, kann jeder Widerspruch gegen den politischen Herrscher als Widerstand gegen Allah geahndet werden. Diese Entwicklung kann in der Türkei beobachtet werden.
In der philosophischen Reflexion stellt sich eine weitere Frage. Wenn Gott als der gesehen wird, der möglichst gänzlich getrennt von jeder weltlichen Wirklichkeit verehrt wird, warum hat er dann überhaupt diese Welt und den Menschen geschaffen? Wenn Gott ganz in sich ruht und vollkommen ist, „braucht“ er nicht das Andere und vor allem keine freien Wesen, die sich als Zerstörer seiner Schöpfung erwiesen haben. Nicht nur die vielen Untaten und Kriege, auch der Umgang mit der Natur spricht dafür, führt dazu, dass die Skeptiker und die Kritiker des Christentums verlangen, dass Gott eingreift und alles Handeln seinem Willen unterwirft.

Warum überhaupt etwas außer Gott

Es geht, auch für die vom Christentum geprägte Welt darum, ob die Freiheit des Menschen von Gott gewollt ist. Denn die Freiheit, die Gott den Menschen zugesteht, wird vom Islam kaum und von den christlichen Religionsvertretern den Gläubigen nur sehr zögernd zugesprochen. Die Freiheit des einzelnen, dass er selbst Autor seiner Biografie ist, bleibt nicht allein durch die Religion unterbewertet. Jeder macht die Erfahrung, dass die eigene Freiheit von anderen Menschen skeptisch betrachtet und oft auch bedroht wird. Die eigenen Entscheidungen finden oft nicht die Anerkennung der Familie, der Firma, des Staates. Zwischen Menschen bleibt die Freiheit fragwürdig und oft auf der Strecke. Nur wenn der andere meine Freiheit und damit meine Kreativität und Bereitschaft zum Engagement schätzt, kann ich mich in meiner Freiheit entfalten. Ich kann daher einen Gott, der alles bestimmen will, nicht wirklich verehren. Wird Gott so verkündet, dass er eifersüchtig auf meine Selbstbestimmung ist, dann muss ich zwischen meiner Freiheit und Gott wählen. Viele Menschen wurden von den Kirchen in diese Entscheidung getrieben. Aber Gott ist der, der meine Freiheit will, an ihr sogar Gefallen findet. Das ist die Voraussetzung für Liebe. Wir können die Freiheit des anderen nicht „machen“ sondern nur anerkennen. Das gilt auch für die Eltern gegenüber ihren Kindern. Freiheit heißt, den anderen so zu lassen, wie er sein will. Will das auch der christliche Gott? Die Verehrung des einen Gottes in drei Personen legt die Anerkennung und absolute Wertschätzung des anderen in Gott selbst. Gott ist nicht mit sich allein und damit nicht zuerst auf sich selbst bezogen. Da die Freiheit den Menschen im Kern seiner Person auszeichnet und aus ihr die Menschenrechte begründet werden, lässt die Tatsache der Freiheit einen Rückschluss auf Gott zu. Gott will andere, aus sich selbst handelnde Personen. Dann entspricht die Dreifaltigkeit, dass der Vater in Beziehung zum Sohn und zu seinem Geist steht, sehr viel mehr dem, was wir aus der Schöpfung ablesen können als die Vorstellung, dass Gott nur in sich existiert. Dafür spricht auch, dass Jesus die Einsicht der jüdischen Religion in den Mittelpunkt stellt, dass nämlich die Gottesliebe sich in der Liebe zum anderen Menschen zeigt. Ich soll wie Gott den Anderen nicht nur dulden, sondern ihm einen Platz geben, ihn wertschätzen, lieben

Es gibt neben Gott Andere


Ein Gott, der mich in meiner Freiheit achtet, kann sich durch meine Freiheit nicht in seiner Machtfülle bedroht fühlen. So will er uns auch nicht durch seine Gebote seinen Willen aufdrücken. Die 10 Gebote sind keine Instrumente der Unterwerfung. Sie wurden von den Juden deshalb auch als entscheidende Hilfen für das Zusammenleben und nicht als dem Menschen fremdes Diktat gesehen.
Weiten wir unseren Blick über das eigene Erleben hinaus, dann deutet auch in der Natur alles auf Beziehung hin, die die Vielheit nicht in Uniformität verwandelt, sondern das Verschiedene lässt und zugleich verbindet. So übt die fernste Galaxie mit der Gravitation Einfluss auf uns aus. Wir existieren nur, weil das Licht der Sonne uns erreicht. Die Wechselbeziehungen in der Biosphäre, die für die schmanistischen Religionen selbstverständlich waren, beginnen die Wissenschaften neu zu entdecken. Wir sind auf Milliarden andere Lebewesen angewiesen, nur damit wir atmen und verdauen können. Wir atmen die Luft, aus der die Bäume das CO² herausgenommen haben. Wenn schon die Materie diese Verbundenheit zeigt, dann noch viel mehr der Mensch. Wir sind noch tiefgreifender auf Beziehung angelegt. Es gäbe mich nicht, wenn andere mich nicht nach der Geburt versorgt und aufgezogen hätten. Mit der Sprache können wir die Beziehungen untereinander sehr viel intensiver und differenzierter gestalten als die mit uns verwandten Menschenaffen. Für die Entfaltung jedes einzelnen ist die Freiheit fundamental, sie erfordert Anerkennung von den anderen. Wenn das Prinzip „Beziehung“ alles durchwirkt, dann drückt sich darin das Wesen Gottes aus. Er lässt uns in unserer Freiheit leben und fühlt sich nicht, weil wir gestaltend kreativ sind, von unserer Freiheit bedroht. Wir finden in ihm die Anerkennung, die wir brauchen, um eigenständig zu werden und unser Handeln selbst zu verantworten. Wenn die Schöpfung so angelegt ist, wie kann ihr Urheber eine beziehungslose, in sich verschlossene Monade sein, die vor allem erwartet, dass man sie als unangreifbar und abgehoben von allem Nicht-Göttlichen verehrt?

Die Dreifaltigkeit Gottes lässt sich nicht beweisen

Dass Gott in drei Personen existiert, kann aus den vorausgehenden Überlegungen nicht abgeleitet werden. Es gibt keinen vom Menschen angestellten Beweis, der zwingend die Erkenntnis der drei göttlichen Personen erschließt. Allenfalls kann man argumentieren, dass wenn Gott die Liebe ist, es ein Gegenüber für die Liebe geben muss. So wie unser Denken auch kein Gesetz der Physik hervorbringen kann, war es auch kein Philosoph oder Mythenerzähler, der die christliche Vorstellung von dem einen Gott in drei Personen hervorgebracht hat. Sie stößt eher auf Zweifel und sogar Widerstand, weil wir Gott wie einen irdischen Herrscher denken, in dessen Person alle Macht gebündelt ist, die er nicht mit anderen teilen will.  
Die Dreifaltigkeit Gottes wurde auf verschiedene Weise mit menschlichen Vorstellungen in Beziehung gesetzt. möglich. Augustinus hat eine überzeugende Deutung gefunden, die die Einheit von Vater Sohn und Heiligem Geist deutlich macht. Er hat die drei Personen den Seelenkräften Gedächtnis für den Vater, Wort-Vernunft für den Sohn und Wille dem Heiligen Geist zugeordnet. Richard von Sankt Victor argumentiert von der Liebe her, die so weit geht, dass Gott, der Vater, auch seine Göttlichkeit seinem Sohn schenkt. Da die Liebe über die Zweisamkeit hinaus drängt, öffnet sie sich im Heiligen Geist. Dadurch wird die Schöpfung Ausdruck der Liebe Gottes und stellt die Einzigartigkeit Gottes nicht infrage, sondern ist Ausdruck der Liebe Gottes. So erleben wir die Schöpfung auch, als Geschenk, die nicht in der Zweckmäßigkeit stecken bleibt, sondern in Schönheit erstrahlt.

Link:
Zu dem Verhältnis der freien Person zu Gott, der die Freiheit der Person will s. Jutta Mügges Beitrag bei explizit.net: Fürbitten sind kein Auftrag an Gott

 

 



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