Dialog –Abschied vom Kampf der Religionen
Bei der Religion geht es um Leben und Tod, nämlich richtig zu leben, um nach dem Tod etwas zu erwarten. Weil Religion so viel Konsequenz fordert, muss sie für ihre Lehren garantieren können. Anders als in der Wissenschaft hat sich aber noch keine einheitliche Religion herausgebildet. Menschen bleiben meist bei der Religion ihrer Kindheit. In der Geschichte führte das oft zu Kriegen. Weil der andere nicht zu überzeugen ist, muss bis heute noch die Überlegenheit der Waffen entscheiden, welche Religion die richtige ist. Denn Gott muss ja auf Seiten der Sieger stehen. Der Dialog soll diese Tendenz zum Angriff durch Verstehen entschärfen. Im Verstehen stecken aber noch mehr Chancen. Jeder versteht nicht nur die andere, sondern auch seine Religion durch den Dialog besser. Das hat seinen Grund.
Den Rätseln näher kommen
Wenn man nicht mehr ums Rechthaben streitet, dann treten die Fragen deutlicher hervor, weswegen der Mensch überhaupt Religion braucht. Es sind die Rätsel, mit denen sich der Mensch auseinandersetzen muss. Weil sie auf Widersprüche hinauslaufen, können sie deshalb Paradoxien genannt werden, weil die Widersprüche nicht aufzulösen sind. Die Religion kann nur helfen, mit diesen Paradoxien zurecht zu kommen. Noch mehr, die Religionen sollten zeigen, wie es weitergeht, wenn man an den Paradoxien gescheitert ist. Ein Widerspruch, mit dem der Mensch bei jeder Angst zurechtkommen muss, Leben und Tod, ist nicht der einzige:
- Leben und Tod: Wir sollen alles tun, damit wir leben und laufen doch auf den Tod zu.
- Sünde und Barmherzige: Gott muss die sittliche Ordnung garantieren und auf ihr bestehen. Zugleich soll er dem Sünder eine neue Lebensperspektive durch Barmherzigkeit eröffnen. Darauf kann der Sünder aber nicht setzen. Gott muss streng sein, zugleich aber auch milde.
- Gott einzig und doch gibt es die Vielheit der Welt. Wenn Gott einzig ist, kann er seine Einmaligkeit nur einbüßen, wenn er Vieles ins Dasein ruft. Er bleibt eigentlich nur Gott, wenn er sich radikal von dem Vielen unterscheidet, trotzdem will er das Viele, von dem jedes alleine bestehen kann. Das führt zu einer weiteren Paradoxie:
- Vollkommenheit erlaubt nichts Unvollkommenes. Wenn etwas ganz gelungen ist, dann fällt dagegen alles Nicht-Gelungene ab. Eigentlich hat nur Vollkommenes eine Daseinsberechtigung. Gott ist vollkommen. Was rechtfertigt dann die Existenz des Menschen?
Auf diese und andere Widersprüche kann auch die Religion keine Antwort geben, die die daraus entstehende Frage ein für alle Mal zum Schweigen bringt. Die Widersprüche bleiben paradox und können eben nicht zum Verschwinden gebracht werden. Weil die Religionen auch keine letzte Antwort geben, sondern nur verweisen können, muss es im Dialog der Religionen nicht mehr darum gehen, welche der Weltdeutungen die richtige ist. Vielmehr können die Religionen Wege zeigen, wie die Menschen mit den Widersprüchen leben können. Da können die Religionen sogar voneinander lernen.
Warum kaum Dialog mit dem Islam:
Der Islam bringt eine Schwierigkeit mit in den Dialog, die aus seiner Geschichte herrührt. Wie bei jeder Buchreligion lebt der Islam nur dann weiter, wenn es einen grundlegenden Konsens über das Verständnis sein Gründungsbuch, den Korans gibt. Da der Islam keine Instanz kennt, die bei Auslegungsstreitigkeiten moderierend eingreift, musste er sich auf ein einfaches Auslegungsprinzip zurückziehen. Will man mit Muslimen die Rätsel, die dem Menschen aufgeben sind, tiefer ausloten, dann stößt man bei den Orthodoxen dieser Religion auf folgende Antwort: „So will es Gott!“ Die Muslime sind sich genauso wie Angehörige anderer Religionen bewusst, dass es in der Welt des Glaubens wie im Leben viele Widersprüche gibt. Schon Mohammed fragte sich, wie es möglich ist, dass es so viele Religionen gibt und dass die Leute sich nicht zu der einen wahren, der von ihm verkündeten Religion bekehren wollen. Im Koran gibt es auch ein Antwort: "Hätte Gott es gewollt, Er hätte euch zu einer einzigen Gemeinde gemacht.“ Sure5/48. Zu dieser Interpretationsregel kam die muslimische Theologie ('aschariten) in Folge des Streites mit den Rationalisten, den mu'taziliten, der sich vom 8. bis zum 10 Jahrhundert hinzog. Die Lösung aller Probleme sah man in der Aufforderung: „Du sollst nicht fragen "wie?" (bila keifa). Dieses Abschneiden aller Fragen, die ja aus dem Rätselhaften entstehen, auf das der Mensch stößt, blieb die bestimmende Richtung der Koranauslegung. Das heißt aber nicht, dass der Muslim nicht immer wieder zu Fragen gedrängt wird, wenn er auf das Rätselhafte seines Lebens und seiner Religion stößt.
Die vielen Auseinandersetzungen, in den Religion immer wieder für politische Ziele eingesetzt wird. Der Dialog bleibt ohne Alternative.
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