Das Böse frisst sich gegenseitig auf, St. Michael in Hildesheim, Foto: hinsehen.net E.B.

Deshalb Sonntag: Das Gute hat den längeren Atem

Wir beobachten eine Zunahme von Krisen, mehr Kriege, mehr Flüchtlinge, mehr Migranten. Setzen sich die destruktiven Kräfte durch? Das Gute scheint unterlegen. Warum lohnt es sich trotzdem, sich für das Gute einzusetzen?

Es ist tatsächlich einfacher, etwas kaputt zu machen als etwas zustande zu bringen. Es ist viel einfacher, einen Krieg anzuzetteln als ihn dann wieder zu beenden. Mit Waffen verdient man schneller Geld als mit einem Krankenhaus.
Aber scheint es nicht nur so? Zwar liegt es näher, einem Gegner Schaden zuzufügen, einen unliebsamen Kollegen zu mobben, einen schwierigen Menschen zu meiden. Jedoch verliert man dadurch Zeit, meist auch Energie, die man, ganz egoistisch gesehen, für sich, für den eigenen Vorteil, für das eigene Fortkommen hätte nutzen können. Jedes Mobbing, jeder Krieg kostet. Es ist aussichtslos, dass der unterlegene Gegner die Kosten zu 100% übernimmt.

Kluger Egoismus zahlt sich aus

Das lässt sich aus der Geschichte zeigen. Die Schweiz war immer auf ihren Vorteil bedacht. Sie hat sich nicht mehr in Kriege verwickeln lassen. Das Land hat mit einigen Kantonen, die sich zusammengeschlossen haben, angefangen. Viele sind dazu gekommen. Die meisten Gebiete wurden nicht erobert, sondern haben sich freiwillig dem kleinen, 1291 gegründeten Staatenbund angeschlossen. Ähnlich die EU. Alle „Gebietsgewinne“ sind ohne Eroberung hinzugekommen. Die Schweizer Methode, die die EU faktisch übernehmen musste, bedarf vieler Verhandlungen, eines ständigen Ausgleichs. Jedoch rutschen diese Gebilde nicht so schnell in einen Krieg, der sie auf jeden Fall teurer als der Aufwand für die innere Organisation zu stehen käme. Das Gegenmodell wird von den USA verfolgt. An vielen Punkten der Welt kommen US-Truppen zum Einsatz, das kostet Milliarden und führt am Ende nur zu Zerstörung und teuren Wiederaufbauprogrammen.

Das Böse hat den kürzeren Atem

Schon eine rein egoistische Betrachtung der Konfliktherde zeigt, dass es besser ist, sich mit den Nachbarn zu arrangieren, damit man kein unnötiges Geld für Konflikte ausgibt und stattdessen sein Gebiet vergrößert. Darunter liegt ein einfacher Zusammenhang, der die Grenzen des Bösen aufzeigt. Da das Böse auf Schädigung, ja sogar Zerstörung aus ist, hat das Gute aus sich selbst heraus den längeren Atem. Denn was übrig bleibt, ist aus dem positiven Schaffen von Menschen entstanden, die Häuser, die Straßen, die Tempel und Kathedralen, das Wissen. In Kriegen wird das deutlich. Militär braucht nicht nur Waffen, sondern Essen und medizinische Versorgung. Das Böse kann ohne etwas Gutes gar nicht bestehen. Alles, was in Kriegen zerstört wird, geht auch dem Angreifer verloren. Wer hätte irgendeinen Nutzen, ein Land voller Trümmern zu übernehmen? Der Abzug der USA aus Syrien erfolgt ja nicht zuletzt deshalb, weil man sich an dem teuren Wiederaufbau nicht beteiligen will. Der Dreißigjährige Krieg oder aktuell der Bürgerkrieg im Jemen konnte nur so lange dauern, weil er von Mächten außerhalb weiter finanziert wurde, als die Ressourcen im Land längst verbraucht waren. Das Böse ist wie ein Krebs. Wenn das gesunde Gewebe "verbraucht" ist, ist das auch das Ende des Bösen.

Das Gute ist egoistischer als das Böse

Von Kind an wird uns beigebracht, wir sollten uns überwinden, indem wir unseren eigenen Vorteil hintanstellen, um anderen etwas Gutes zu tun. Aber ist der Gute nicht alles andere als ein Verlierer. Gewinnt nicht derjenige, der Gutes tut, das meiste Wohlwollen und problemlose Unterstützung. Vielleicht wird er damit nicht an Geld reich, aber  dafür an der Anerkennung der Zuneigung vieler Menschen. Es ist offensichtlich: Diejenigen, die Gutes tun, sind die wahren Egoisten. Allerdings müssen sie das Gute um des Guten willen tun, sonst ziehen sie das Misstrauen und dann auch die Abneigung der anderen auf sich. Der wahre Egoismus hat dann auch das Ganze im Blick. Ich kann erst dann mit der Wirklichkeit zufrieden sein, wenn mich keine Armut, kein Leid anderer mehr infrage stellt. Wenn hinter meinem ummauerten Grundstück der Krieg tobt oder Menschen verhungern, werden mir ständig Kriegsbilder auf den Bildschirm gespült. Mein gutes Essen schmeckt schal, sobald ich das Geseufze der Hungernden hören muss.  

Wir brauchen die Erzählungen mit dem guten Ende

Das spiegelt sich in den Sagen und großen Erzählungen. Sie werden deshalb ständig neu erzählt, damit wir vertrauen, dass das Gute am Ende siegt. Deshalb trägt die Erzählung die größte Wirkkraft in sich, die von der Überwindung des Todes erzählt. Denn das Böse kann nur deshalb so bedrohlich sein, weil es nicht nur mit dem Tode droht, sondern ihn auch bringt, eben das Töten durchführt.
Die religiösen Menschen sind dann die eigentlichen Egoisten, insofern sie behaupten, der Tod sei zu besiegen. Kein Wunder, dass sie wegen dieser Anmaßung den Unwillen derer auf sich ziehen, die davon ausgehen, „mit dem Tod sei alles aus“. Am besten, man bringt die Gläubigen um, damit sie einsehen, dass es nach dem Tod nichts mehr gibt. Wie sollte man es ihnen auch anders nachhaltig beweisen. Aber jeder Märtyrer lässt die Frage offen.



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