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Das Vertrauensverlust verschlingt viel Geld

Die Grundmelodie in vielen Gesprächen intoniert den Verlust von Vetrauen. Sie ist in Moll gesetzt, weil die meisten Vertrauensverlust wahrnehmen- wegen der Defizite im Bildungsbereich, in der Politik, bei den Katholiken gegenüber ihrer Kirche. Überall gibt es zu wenig Geld.

Geld regiert weiterhin die Welt, jedoch eine Ebene tiefer trägt Vertrauen das Ganze. Wenn das abnimmt, wird das Geld knapp. Die These für die nächsten Zeilen beklagt nicht den Zustand, sie behauptet erst einmal nur, dass Menschen Vertrauen nicht garantieren können. Der Anker muss anderswo festen Grund finden. Das kann an der Katholischen Kirche in Deutschland und an der Politik seit 1968 abgelesen werden.

Katholische Kirche: Warum schlägt der Missbrauch so tief ein?

Ich habe in vielen Runden mit Kirchenleuten, Theologen und Theologinnen gesessen und mit beklagt, dass wir mit unserer Kirche so wie sie ist, nicht zufrieden sind. Aber wir sind Teil von ihr. Wir können das Kirche-Machen nicht an andere delegieren. Das wäre so, als würden Busfahrer sich hinten im Bus niderlassen und warten, bis sich jemand ans Steuer setzt. Den Sitz hinten haben wir eingenommen. Irgendwer soll die Kirche wieder in Schwung bringen. Obwohl das kirchliche Leben von innen her immer mehr eingedampft wurde, blieben wir auf dem Sitz hinten wie festgeklebt. Damit verschwand die Katholische Kirche aus den Talkshows. Pfarrerfilme versprechen keinen Erfolg bei den Zuschauern mehr. Mit Nonnen konnte das Fernsehen noch mit Erfolg zeigen. Die Serie lief ab 2002 achtzehn Jahre lang, erreichte Zuschauerzahlen um die 7 Millionen und war für einige Zeit die meistgesehene Serie der ARD – von der gleichen Firma, NDF-Neue deutsche Filmgesellschaft wie die Pfarrerserie im ZDF mit Günter Strack produziert.
Wenn heute das Kirchenleid weiter beklagt wird, dann ist der Niedergang durch die ins 14. Jahr gehende Missbrauchsaufarbeitung für viele der Grund. Die These dagegen: Weil die Kirche sonst keine Themen mehr hat und selbst sich lähmend mit dem Thema auseinandersetzt, hat sie sich selbst und der Öffentlichkeit nichts Anderes anzubieten als Skandale. Weil man nciht bei sich nach den Gründen sucht, kommt es zu der immer wieder gehörten Anklage: die Medien sind schuld. Aber über was könnten die Journalisten, die aus dem Fortbildungsinstitut IFP, das die Kirche betreibt, hervorgegangen sind und viele andere ehemalige Messdiener berichten.

Wie bei anderen Institutionen und dem Staat gibt es das Paradoxie mit dem Geld. Obwohl die Kirche wie auch der Bund und die Länder noch nie so viele Steuern eingenommen haben, fehlt es an Geld. Als die Kirche noch arm war, bauten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs die Pfarreien nicht nur Kirchen, sondern Kindergärten, Altenheime und die Orden sogar Krankenhäuser. Es gab genug Menschen, die etwas aufbauen wollten und die Kirche gab ihnen die Möglichkeit. Was war anders? In der Katholischen Kirche in Deutschland hat das Konzil in den sechziger und siebziger Jahren eine Aufbruchsstimmung ausgelöst. Diese ist versickert. Im Rückblick scheint es mir, dass dieser Aufbruch eher gesellschaftlich orientiert war. Er wurde nicht sozial konzipiert. Die Altenheime und Krankenhäuser mussten nur renoviert werden. Es wäre ein neuer Zugang zu Gott zu suchen gewesen, stattdessen versickerte das Gebet. „Wir können das selber“. Den Menschen einen Zugang zu Gott erschließen, trat hinter dem Ziel zurück, die Gemeinden attraktiv zu machen. Finden die Menschen in den Gemeinden das, was sie im 21. Jahrhundert brauchen?
Weil die Katholiken abwarten, was andere machen, verlieren sie das Ziel, für was ihre Kirche da sein will, aus dem Auge. Stattdessen wird seit 2004 die Seelsorgsorganisation ständig umgebaut. Wie beim Staat Reparatur. Das, was mit seiner Ausstrahlung Menschen anziehen sollte, die lebendige Pfarrei, muss mühsam instandgehalten werden. Wenn der Betrieb ständig neu organisiert werden muss, heißt das für die Menschen: Es funktioniert wieder einmal nicht. Die Menschen verlieren das Vertrauen, von der Kirche das zu bekommen, wofür sie da sein sollte. Das Vertrauen war schon weitgehend aufgezehrt, als die Missbrauchskrise den Menschen bestätigte, dass der Betrieb tatsächlich marode und mit Geld nicht zu retten ist. Dass die Aufarbeitung nun schon ins 14. Jahr geht, zeigt jedem nachhaltig, dass die Katholische Kirche in Deutschland nicht mehr die Kraft hat, sich so zu reformieren, dass Kinder nicht mehr zu Schaden kommen. Diejenigen, die wegen Gott in der Kirche sind, halten durch. Für die Jüngeren bietet ein Engagement in der Katholischen Kirche keine Perspektive.
Was an der Katholischen Kirche zu beobachten ist, gilt auch für die Republik. Ihr geht auch das Geld aus.

 Politik: Warum gibt es immer zu wenig Geld

Wie die Kirche hat der Staat nie so viel Geld zur Verfügung gehabt wie durch die durch Vollbeschäftigung sprudelnden Steuern. Im fehlt auch die Kraft, die Infrastruktur intakt zu halten. Milliarden Arbeitsstunden verbringen Beschäftigte in Staus und verspäteten Zügen. Auch hier liegt die Weichenstellung, die zum jetzigen Zustand geführt hat, weiter zurück. Mit der Achtundsechziger-Bewegung fingen die Partien an, den Bürgern Wohltaten zu versprechen. Die Bürger sind darauf reingefallen. Immer neue Sozialleistungen wurden versprochen, so dass der Staat seine eigentliche Aufgabe nicht mehr vorrangig gesehen hat. Er soll die Verkehrs-, die Rechts-, die Bildungsstrukturen sichern. Dafür sind die Steuern da. Für die notwendige Modernisierung der Bundeswehr müsste genug Geld da sein. Aber es fließt nicht in die zentralen Staatsaufgaben. Dabei muss der Staat nicht für Krankheit und Rente aufkommen, denn dafür sind Versicherungen eingerichtet, in die der Bürger zusätzlich zu den Steuern einzahlt. Wenn Wohlbefinden das Staatsziel ist, ablesbar an dem größten Etat des Bundes, dann gibt es kaum noch Geld für die eigentlichen Aufgaben. 171 Milliarden sind vom Gesamtetat von 476 Milliarden 2024 für Sozialausgaben vorgesehen. Die Partien haben den Bürgern ein Wohlfühlprogramm versprochen. Da der Staat aber kaum Mobilisierungskräfte entwickeln kann, dass die Bürger selbst für ihr Wohlbefinden sorgen, muss er seine Versprechen mit Geld einlösen. Dafür nimmt er wie jedes Tourismusunternehmen und jedes Restaurant das Geld der Bürger,  tut aber so, als würde er ihnen etwas schenken. Wenn die Bürger weniger Steuern zahlen müssten, könnten sie mit dem Geld das machen, was sie für richtig halten. Dass etwasaber auch  bei den Bürgern nicht stimmt, ist an der ökologischen Herausforderung ablesbar. Die Bürger erwarten, von den Parteien so konditioniert, dass sie das nicht selber machen müssen, weil sie ja die Grünen gewählt haben. Diese haben neben demotivierender Moral auch nur Geld für den ökologischen Umbau. Es fehlt wie in der Katholischen Kirche die Kraft, aus dem Reparaturstatus herauszukommen. Das führt auch hier zu Vertrauensverlust. Wer etwas verspricht, was er nicht halten kann, ob eine Wohlfühl-Kirche oder einen Wohlfühl-Staat, verliert das Vertrauen, wenn sich die Bedingungen ändern, weil z.B. in Europa wieder Krieg sein muss. Wenn dann die Leitungsebene sich nicht traut, den Kurs neu zu justieren, können die Bürger weiterhin klagen, wie schlimm es sei. Dann wird allerdings die Demokratie überflüssig. Das wird an den Wahlen in der Katholischen Kirche überdeutlich. Es gibt keine Wahl mehr, weil sich kaum noch Gläubige im Pfarrgemeinderat engagieren wollen. Mit dem Unternehmensziel ist auch das Vertrauen, etwas Sinnvlles bewirken zu können, verdampft. In der DDR ist diese Strategie bis zum Zusammenbruch des Systems durchgehalten worden.


Kategorie: Analysiert

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