Vezeley Foto: hinsehen.net E.B.

Das Kreuz als Siegeszeichen – auch für Schlachten?

Wir können Kreuzen nicht ausweichen, das Kreuz an der Halskette, in den Arm tätowiert, an der Wand aufgehängt, in jeder Kirche, auf Berggipfeln weit sichtbar. Kreuzzüge und Kreuze auf den Koppeln von Soldaten gehören auch zu unserer Geschichte. Wo gehören sie eigentlich hin?

Ein Kommentar zum Fest Kreuzerhöhung am 14. September

Wenn ein Kreuz in Schulen und anderen staatlichen Einrichtungen verboten werden kann, es gehört zu unserer Umwelt und zu unserer Geschichte und werden auch heute bewusst getragen. Es sind nicht die Kruzifixe mit dem Gekreuzigten, sondern eher dazu da, sich als Christ zu outen und sich in einer Sphäre des Segens aufzuhalten und gerade vor dem schützen, was den vielen Gekreuzigten im Römischen Reich zugefügt worden ist.  

Am 14. September 325 oder auch in einem anderen Jahr wurde das Kreuz in Jerusalem auf einen Altar gestellt, erhöht. 

Das Kreuz als Garantie

Es hat nicht nur auf die Halskette Vieler gefunden, sondern Ritter und Soldaten motiviert, sich in die Schlacht zu werfen. Es begann eigentlich sehr friedlich, mit einer Mutter. Helena hatte es wiedergefunden, eine der Mütter, ohne die es die Kirche nicht gäbe. Sie sah wohl darin eine Reliquie des Gekreuzigten. Weil dessen Grab am Ostermorgen leer war, gibt es daher nur Kleidungsstücke von Jesus. In Trier wird der Rock Jesu aufbewahrt und zieht, wenn er ausgestellt wird, Zehntausende an. Vor allem Russen pflegen eine intensive Reliquienfrömmigkeit. Bei der letzten Wallfahrt 2012 sind sie 2.000km mit dem Bus gefahren, um die Glasscheibe über dem Mantel zu küssen und wieder zurückzufahren. Das alles in unseren Tagen. Drücken die Kreuze am Hals oder auf der Haut aber nicht ebenso den Wunsch aus, unter einem besonderen Schutz zu stehen? Wenn wir selbst ein Kreuz aufhängen, soll uns das Segen bringen.  

Versprechen eines militärischen Sieges

Es war noch mehr. Zeichen, das den Sieg verspricht. So wie ein Lichtkreuz am Himmel Helenas Sohn Konstantin auf Christus vertrauen ließ. Er hat seine Truppen unter diesem Zeichen in den Kampf gegen seinen Rivalen Maxentius geführt. Trotz geringerer Truppenstärke ging er 312 aus der Schlacht an der Milvischen Brücke in der Nähe Roms als Sieger hervor. Da war er noch kein Christ. Er wandte sich danach dem Christengott zu, weil dieser sich als der Stärkere gegenüber den Schutzgöttern der Gegner gezeigt hat. Und spielen diese Vorstellungen nicht bei der Überzeugung noch der Mehrheit der Russen mit. Sie sehen sich als Gottes auserwähltes Volk, das deshalb jeden Krieg gewinnen wird. Und sind die Israelis nicht überzeugt, dass ihnen Palästina von Jahwe geschenkt wurde. In unserem germanischen Erbe steht Christus auch als der siegreiche Gott über den schwachen Göttern der Germanen. Denn die germanischen Gottheiten, Odin und seine Kinder, unterliegen im Kampf den Riesen. Sie können keine wirksamen Schutzgötter sein. Deshalb war die Annahme des Christentums ein Schritt aus der wohl dunklen Welt ihrer Religion. 
Die Ritterheere, die Jerusalem zurückerobern sollten, brachen zu Kreuzzügen auf. Vom Papst dazu gerufen und in seinem Namen mit dem Versprechen des Sieges. 
Das Kreuz auf den Koppeln der Soldaten, als zöge Christus gegen sich selber in die Schlacht. Die Konfessionskriege als Kampf um die richtige Auslegung der Bibel nannten sich nicht mehr Kreuzzüge.  

Das Kreuz inmitten der ständigen Kämpfe zwischen Stämmen, dann Staaten und Konfessionen, auf diesem Boden stehen wir. Er schwankt wieder heftig. Das Kreuz ist offensichtlich nicht dazu gedacht, mit militärischen Mitteln das Schwanken zu stabilisieren. Zudem hat es die Anhänger Jesu nicht zu Rächern seiner Hinrichtung gemacht? Petrus nennt die Hinrichtung Jesu nicht einen bloßen Justizirrtum, sondern Mord, lädt jedoch ein, den Gekreuzigten als den Messias Gottes anzuerkennen. 

Das Erbe der Leidensmystik

Wir haben wohl nicht mehr dieses Verständnis vom Kreuz als Medium, das uns Gewinnen verspricht. Wir sind wohl eher an Franz v. Assisi orientiert. Er hat in der Frömmigkeit des Hochmittelalters den am Kreuz Hingerichteten in seinem Leiden gesehen. Dieses Kreuz lässt sich nicht mehr für menschliche, noch weniger für politische Zwecke vereinnahmen. Es konfrontiert den Betrachter mit dem wehrlosen Erlöser. Diese Leidensmystik hat den Autor des Sonnengesangs nicht schwermütig gemacht. Diese Schwermut kam erst mit der Verbindung von Leidensmystik und Sündenbewusstsein durch die Ordensfrau Margareta Maria Allacoque. Mitleiden mit Jesus, nicht nur, weil unsere Sünden ihn ans Kreuz gebracht haben, sondern weil sich so Viele nicht zu ihm bekehren. In der Herz-Jesu-Verehrung wurde das Leiden zum Zentrum der Frömmigkeit und hat dem Katholizismus eine düstere Ausstrahlung gegeben. Sie war mit dem Zukunftsoptimismus des Konzils in den Sechzigern Jahre verflogen, ist aber als “Betroffenheit ” zurückgekommen. Diese versteht sich nicht mehr als Anteilnahme am Leiden Christi, sondern an den Zuständen in der Gesellschaft und der Kirche.
So wie das Kreuz als Zeichen für militärische Siegesgewissheit entspricht auch die in Schwermut getauchte Leidensfrömmigkeit nicht dem Jesus, den die Evangelien darstellen. Dort lesen wir, dass Jesus vor seiner Gefangennahme in Verzweiflung betete. Aber er steht auf und geht selbst auf Judas und die Tempeldiener zu. Er ergibt sich nicht seinem Schicksal, sondern sucht die Begegnung mit dem Hohenpriester. Es war ihr erstes Zusammentreffen. Auf dessen Frage „Bist du der Messias, der Sohn des Hochgelobten?“ antwortet er mit „Ich bin es.“ Ja. Zwar kann dieser ihn zu Tode verurteilen und das durch Pilatus bestätigen lassen, aber er bringt Jesus nicht dazu, von seinem Anspruch zurückzutreten. Jesus konfrontiert den Richter mit dem Endgericht, in dem er auf dem Richterstuhl sitzt: „Und ihr werdet den Menschensohn zur Rechten der Macht sitzen und mit den Wolken des Himmels kommen sehen.“. Er kann ihn am Kreuz umbringen, aber ihn nicht zum Ketzer machen. Jesus kommt in einer neuen Gegenwart zurück. Der jüdische Hohe Rat könnte das Angebot annehmen, in dem Gekreuzigten den Messias zu erkennen. Das oberste Gremium müsste dann eingestehen, nicht den Willen Gottes vollstreckt, sondern einen populären Konkurrenten ausgeschaltet zu haben. Ihre Reaktion ist die Angst, dass die Gläubigen sich Jesus zuwenden. „Wenn wir ihn gewähren lassen, werden alle an ihn glauben. Dann werden die Römer kommen und uns die heilige Stätte und das Volk nehmen.“ Diese Mechanismen wirken heute noch. Es wäre eine kraftlose Reaktion, mit Schwermut auf die Situation zu reagieren. Das Selbstbewusstsein Jesu verbietet das. Wir können ihm folgen, ohne Gewalt anwenden zu müssen. Er hat nicht nur mit seinen Worten Religion strikt von Gewalt getrennt, sondern jedes politische Amt abgelehnt. Gerade deshalb haben seine Worte und seine Hinwendung zu den Menschen ihre Überzeugungskraft behalten. Darin sind ihm die Märtyrer und Märtyrerinnen gefolgt. Sie haben nicht klein beigeben. Folgen wir dieser Orientierung, leisten wir einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft.

 Zum Foto oben: Jesus kommt als Weltenrichter den Besuchern der Kirche auf dem Hügel oberhalb von Vézelay mit offenen 
                           Armen entgegen


Kategorie: Analysiert

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