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Das Gute hält länger durch

Gewalt, das Zerstörerische, Intrige, Neid sind stärker. Das Aufbauende, das Versöhnende, den anderen wichtiger nehmen als mich selbst, setzen mich in die Position des Schwächeren. Warum soll ich auf das Gute setzen, wenn ich mich damit auf der Verlierer Seite einreihe. Oder ist das eine Täuschung: Gewinnt am Ende doch das Gute?

Jeder von uns ist gefordert, sich in einer der zwei Gruppen einzureihen, entscheide ich mich, immer dem Guten den Vorzug zu geben oder ordne ich alles dem Erfolg, dem Geld, der Macht unter? Weil wir vor der Entscheidung stehen, können wir nicht genug Geschichten über den Kampf zwischen Gut und Böse lesen und ansehen. Es gäbe den größten Teil der Filme, der Dramen und auch die Bibel nicht, wenn sich die einen nicht für Geld, Macht, Rücksichtslosigkeit und Ausschaltung des Konkurrenten und die anderen für Sorge um den Schwachen, für Gerechtigkeit, für Versöhnung einsetzen. Wenn jemand zögert, sich für eine der beiden Gruppen zu entscheiden, ist das verständlich. Denn der Kampf um Geld und Macht ist gefährlich. Viele kommen im Kampf der Clans um. In Chicago sterben mehr Menschen im Krieg der Banden als US-Soldaten im Einsatz weltweit. Lasse ich mich auf den Konkurrenzkampf ein, stoße ich leicht auf einen Konkurrenten, der durchsetzungsfähiger ist als ich.
Entscheide ich mich für die andere Seite, ist der Erfolg noch ungewisser. Wage ich mich an die Aufdeckung von Mißständen, Kindesmissbrauch, Korruption, Bauschäden, gehe ich gegen Mobbing oder die Willkür von Leitungskräften vor, werden sie mich dann ihre Macht spüren lassen. Ist es nicht besser, sich rauszuhalten aus dem Kampf um Macht und Geld und auch nicht im Einsatz für Gerechtigkeit ins Gehege der Einflussreichen zu kommen oder mich mit der Gruppe, dem Team anzulegen, wenn ich mich für ein Mobbingopfer einsetze. Der Lauf der Welt lässt die Frage scheinbar offen, ob der Einsatz für das Gute der Mühe wert ist. Ein zweiter Blick, der den Kampf zwischen Gut und Böse entwirrt, führt zu einer ersten Antwort:

Das Böse gibt es nicht ohne das Gute

So wie es keine Viren ohne Wirtszellen gibt, kann Böses nur an etwas geschehen, das schon da ist. Diese Überlegung hat Thomas v. Aquin innerhalb der aristotelischen Seinslehre formuliert. Das Böse existiert nicht in sich, sondern setzt immer etwas voraus, was sich manipulieren lässt. Wenn man dem Vergleich mit dem Virus weiter nachgeht, dann steht das Virus wahrscheinlich nicht am Anfang der Evolution, sondern ist ein Abfallprodukt, Reste einer Zelle, die sich selber nicht mehr teilen kann, brauchen andere Zellen, um sich zu duplizieren. So geht, wie in den Mythen weltweit vom Eintritt des Bösen in das Zusammenleben das Gute dem Bösen voraus. Führt man den Gedanken weiter, dann überlebt das Gute auch das Böse. Das lässt sich auch leicht verifizieren:

Das Böse bereitet sich selbst den Untergang

Das Böse kämpft um Geld und Macht, indem es nicht aufbaut, sondern zerstört, was ihm im Wege steht. Der Bürger- wie auch der Konfessionskrieg eskalieren zu immer größerer Grausamkeit, weil der andere vernichtet werden muss. Eroberer sind deshalb etwas weniger vernichtend, weil sie aus dem eroberten Gebiet Nutzen ziehen wollen. Trotzdem ist ihre Herrschaft immer Rückschritt für die Eroberten. Bürger- wie Konfessionskriege enden erst, wenn alles zertrümmert ist. Der Krieg zwischen Schiiten und Sunniten dauert seit der ersten Auseinandersetzung 1980 zwischen dem damals sunnitisch dominierten Irak und dem schiitischen Persien bis zum syrischen Bruderkrieg, in dem sich die von Persien unterstützten Alawiten und die von Saudi-Arabien unterstützten Sunniten schon über 40 Jahre gegenüberstehen. Der Konfessionskrieg zwischen Protestanten und Katholiken in Deutschland ruinierte das ganze Land, ehe man aus Erschöpfung nach 30 Jahren die Kampfhandlungen beendete, nicht aber die Rivalität. Die zerstörerische Dynamik erscheint zu Beginn erfolgreicher, die Spirale der Vernichtung schlägt aber auf die Kämpfer zurück.

Einsatz für das Gute kann tödlich sein

Wer sich für das Gute einsetzt, vor allem wenn er sich auf einen höheren Auftrag beruft, kann sich in Todesgefahr begeben. Sokrates wurde der Verführung der Jugend angeklagt, Jesus der Gotteslästerung. Indem sie die Regierenden wie die Richter einer höheren Autorität unterwarfen, stellten sie die Legitimation der Herrschenden infrage, Wer die Legitimation der Herrschenden infrage stellt, begibt sich in Gefahr. Das muss nicht im Tod enden. Der Journals Jamal Khashoggi wurde vom Geheimdienst Saudi-Arabiens umgebracht, Alexej Nawalnly vom russischen Geheimdienst vergiftet. Bei Geheimdienstaktionen spielten sich vor der weltweiten Öffentlichkeit ab. Die Hinrichtung Jesu in einer unbedeutenden Provinz des Römischen Reiches erreichte die weltweite Öffentlichkeit genauso wenig wie die Ermordung von Journalisten in vielen Ländern und die vielen politischen Gefangenen, für die sich die Gruppen von Amnesty international einsetzen. Gandhi, der das Prinzip der Gewaltlosigkeit nicht verletzte, kam nicht durch die britische Kolonialmacht zu Tode, sondern weil er die Dominanz der Hindus dadurch infrage stellte, dass er mit Muslimen politisch zusammenarbeitete. Martin Luther King musste mundtot gemacht werden, weil er die Dominanz der Weißen antastete, eine Konstellation, die zu Trumps Wahlsieg und seinem Stimmenzuwachs im Jahr 2020 erklärt. "Black lives matter" war vorausgegangen. Es werden Menschen zum Schweigen gebracht, die für das Gemeinwesen unentbehrlich sind. Das ist aber nicht das Ende der Geschichte. Indem sie mit ihrer Hinrichtung zu Helden werden, zeigt die Überlegenheit des Guten. Die Macht der destruktiven Kräfte endet mit der Vernichtung des Gegners, die Wirkung ihrer Worte kann das Böse nicht mehr verhindern. Es ist das Paradox des Bösen: Es erschafft sich diejenigen, die es in seiner Hinfälligkeit entlarven und ihm die Grenzen seiner Macht aufzeigen.

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