Relikt der Zonengrenze Foto: hinsehen.net

Das gemeinsame Fremde ist das Neue

Fremdenhass, Ausländerfeindlichkeit, Rassenhass, Diskriminierung finden sich als Schlagworte im 21. Jahrhundert wie Landmarken, die das sozio-kulturelle Klima prägen würden. Es wird dann analysiert, dass das Fremde den Menschen Angst mache. Es wird überlegt, wie man zu einer Gesellschaft gelangen könne, die friedlich ist, wo Menschen so sein können, wie sie sind. Andere meinen, dass es eine Überfremdung gäbe und man für Ordnung sorgen müsse.

Bei vielen Diskussionen wird deutlich, dass es meist nur eine Perspektive ist, aus der heraus etwas als fremd bestimmt wird. Der Versuch, die Perspektive derer, die fremd sind und derer, denen etwas fremd vorkommt, zu einer Perspektive zu vereinen, wird gewöhnlich nicht vorgenommen.

Das Fremde ist erst einmal fremd

Es ist schon verwunderlich, dass vom Fremden meist nur aus der Perspektive dessen geredet wird, dem etwas oder jemand fremd vorkommt. Stoßen zwei Menschen aufeinander, dann sind sich beide fremd. Aus beiden Perspektiven erscheint etwas als fremd. Wenn aber beiden etwas fremd ist, dann haben sie etwas gemeinsam. Es ist nicht nur das Bekannte, was verbindet, sondern auch das Gemeinsame und das kann eben die Erfahrung des Fremden sein. Verbindet man die Perspektiven, dann muss es gar nicht mehr das Fremde genannt werden, es ist etwas Neues. Wir unterscheiden Fremdes und Neues. Eigentlich ist das Neue aber immer fremd und das Fremde ist immer neu. Das Fremde, so legen es typische Attributionen nahe, erzeugt eher Angst. Das Neue stößt auf Ablehnung oder wird gerade gesucht.

Das Fremde ist nicht schön

Zunächst lässt sich feststellen, dass etwas Fremdes immer unangenehm, herausfordernd oder unheimlich ist. Durch die moralische Aufforderung, das Fremde oder die Fremden zu lieben, ist diese negative Komponente nicht aufgehoben. Im neuen Testament heißt es auch nicht, dass man den Fremden lieben solle, man soll seinen Nächsten lieben. Man kann nicht etwas lieben, was man nicht kennt, weil es fremd ist. Auch Partner, die sich viele Jahre kennen und viel voneinander wissen, lieben nicht das Fremde im Anderen. Das Fremde ist eine Gefahr, ein kleines Geheimnis des anderen, das wenn es gelüftet wird, zur Entzweiung führen kann. Das Bekannte verbindet und schafft Vertrauen. Menschen aus anderen Ländern tragen viel Fremdheit mit sich und in sich. Weiß man etwas über die Kultur, typische Verhaltensweisen und Angewohnheiten, dann ist das Fremde zwar ein wenig entschärft, die Perspektive bleibt jedoch, man sieht den Fremden als fremd, der besser einschätzbar ist.

Nicht die Perspektive ist schlecht

Das Fremde als Fremdes zu sehen, die Fremden als Fremde zu sehen und ihnen Vorbehalte entgegenzubringen, liegt in der Natur der Sache. Einem anderen solche Vorbehalte vorzuwerfen, geht an der Sache vorbei. Die Perspektive als solche ist nicht schlecht. Jetzt könnte man sagen, dass es wichtig sei, wie man mit dem Fremden umginge, nicht dass man etwas als fremd erkennt. Aus dem Eingeständnis heraus, dass etwas als fremd empfunden wird, leitet sich nicht ab, wie man darauf reagiert. Dies allerdings wäre dann eine Frage der Moral und würde sich nicht nur auf das Fremde oder den Fremden beziehen, sondern auf Menschen generell.

Die Verschmelzung der Perspektiven

Versucht man, die Perspektive des Fremden und die eigene zu einer zu verbinden, dann ist es nicht mehr der Blick auf das Fremde, sondern auf etwas Neues. Der Blick wird abgelenkt vom Fremden, denn beide schauen in eine Richtung. Es ist dann das gemeinsame Tun und damit ist das Tun neu. Die Frage des Fremden wird nebensächlich, das Bemühen um den gemeinsamen Blick und die damit verbundene Dynamik ist für beide Seiten gleich. Es gibt dabei keine vorgeordnete Machtposition. Dies ist nicht die Frage einer Deutungshoheit, sondern die Frage der Perspektivenhoheit. Welche Seite sagt als Erste, dass der andere fremd sei? Und genau diese Vorgabe nicht zu machen, sondern sich auf eine Dynamik einzulassen, die das Neue im gemeinsamen Eingehen auf eine Perspektive riskiert, entlastet vom moralischen Druck, mit den Fremden menschlich umzugehen. Aus der Angst vor dem Fremden wird eine Frage des Mutes zum Neuen.

 Das Thema wird für den Dialog zwischen Islam und Christentum weitergeführt

 



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