Kontrollierte Religiosität
Seit der Tangzeit (8.Jahrhundert), der Yuan-Dynastie (13.Jahrhundert) und dem16. Jahrhundert erreichten christliche Missionare China. Im 19. Jahrhundert standen die christlichen Kirchen unter dem Schutz von England und Frankreich. Heute wirkt das Christentum auf die Chinesen sehr anziehend. Weil der Aufbau von Gemeinden stark behindert wird, haben die evangelischen Kirchen die Konzeption der Hauskirche entwickelt. Man trifft sich in Wohnungen, betet und hört Predigern zu. Diese Hauskirchen sind schwerer einzuschätzen als die Regierung hierarchisch strukturierten Katholischen Kirche. Zudem entspricht eine hierarchische Struktur sehr viel mehr dem chinesischen Denken. Einer hat das Sagen und alle anderen sind diesem zugeordnet. Im Hintergrund stehen geschichtliche Erfahrungen, dass religiöse Bewegungen zu chaotischen Zuständen führen können.. Es gab im 19. Jahrhundert in der sog. „Taiping-Rebellion“ einen Prediger, der sich zum wiedererstandenen Christus erklärte und chaotische Zustände herbeiführte. Auch aus diesem Grund wird die strenge Überwachung der Religionsgemeinschaften bleiben, die bereits auf die Zeit vor dem Kommunismus zurückgeht.
Die katholische Bildungstradition
Die katholische Kirche genießt nicht nur in Hongkong und Taiwan hohes Ansehen wegen ihrer Schulen und Hochschulen. Zudem gibt es noch eine wache Erinnerung an die Jesuitenmissionare Matteo Ricci und den Kölner Adam Schall von Bell, die die astronomischen Kenntnisse der beginnenden Neuzeit zusammen mit den Fernrohren an den kaiserlichen Hof in Peking brachten. Die chinesische Führung setzt auf Bildung und die Errichtung katholischer Schulen und Hochschulen zulassen.
Die chinesische Religion ist nicht identitätsstiftend
Als die Kommunisten die Erneuerung des Landes in Angriff nahmen, gab es zwei Gründe, den Einfluss der Religion und insbesondere des Christentums auszuschalten. Wie in vielen anderen Kulturen galt die Religion als Hemmschuh der Modernisierung. Weil es Religion nicht ohne Tradition gibt, trägt sie bei Modernisierungsschüben ein retardierendes Moment in die Gesellschaft. Als die Kommunisten die Macht übernahmen, war nicht nur die Besetzung weiter Teile des Landes durch die japanische Armee in Erinnerung, sondern auch die Eingriffe der Kolonialmächte, die im Opiumkrieg ihre Zuspitzung fanden. Die christlichen Konfessionen wurden diesen Mächten zugeordnet. Diese hatten im 19. Jahrhundert deren Missionstätigkeiten unterstützt, nicht zuletzt als Kulturinitiative, um ihre Macht zu stabilisieren. Auch wenn die kommunistischen Machthaber eine westliche Marxistische Ideologie übernahmen, ist die nationale Motivation eine vielleicht noch wirkungsvollere Kraft, nämlich China in seiner nationalen Integrität wiederherzustellen und vom Einfluss anderer Staaten unabhängig zu machen. Nach dem wirtschaftlichen Aufschwung kann China seine Einflusssphäre nicht nur auf die benachbarten Länder, sondern nach Afrika und über die ehemalige Seidenstraße bis nach Europa ausweiten. Der Exportüberschuss hat genügend Devisen in das Land gespült. Da es keine Religion gibt, die die Identität des Landes stützen könnte, ist allenfalls der Weisheitslehrer Konfuzius eine Ressource, auf die eine Regierung zurückgreifen kann. Das zeigt der Vergleich mit Indien. In diesem ebenfalls von einem westlichen Staat okkupierten Land setzen die Eliten auf den Hinduismus als identitätsstiftende Kraft. Da die Kaste der Brahmanen nicht nur die intellektuelle Elite des Landes, sondern auch die Priesterschaft umfasst, gab es andere Voraussetzungen als in China, wo die Mehrzahl der Menschen sich religiös nicht verortet und der aus Indien herkommende Buddhismus und nicht der chinesische Daoismus die größte Religionsgemeinschaft darstellt,
Die Untergrundkirche und die vom Staat eingesetzten Bischöfe
Die christlichen Gemeinden, die vor der Machtübernahme der Kommunisten entstanden waren, wurden in den Untergrund gezwungen. Für diese Gemeinden wurden weiter Bischöfe geweiht. Daneben etablierte der Staat eine von Rom unabhängige Kirche mit vom Staat ernannten, aber zugleich sakramental geweihten Bischöfen. Mit solchen Tendenzen musste Rom in der Geschichte schon öfters fertig werden. Es gibt also zwei katholische Kirchen. Allerdings hat der Vatikan bereits vielen Ernennungen von Bischöfen der vom Staat gelenkten Kirche zugestimmt hat. Damit ist der Weg gebahnt, dass alle Bischöfe in Verbindung mit dem Papst stehen. Es wäre ein großer Fortschritt, wenn der Vatikan die Kandidaten auswählt und der Staat nur ein Einspruchs-, aber kein Ernennungsrecht mehr ausübt. Zugleich muss die bisherige Untergrundkirche integriert werden. Diese steht ja in Verbindung mit dem Papst und hat dafür nicht nur Nachteile, sondern auch Verfolgung auf sich genommen. Wenn der Vatikan faktisch die schismatischen Bischöfe rehabilitiert, fühlen nicht wenige sich in ihrer Papsttreue enttäuscht. Für die Mitglieder der Untergrundkirche sind die vom Staat ernannten Bischöfe eher Diener des Staates als der Kirche. Die Problematik wird auch von europäischen Christen aufgenommen, vor allem von denen, die in Opposition zum jetzigen Papst stehen. Jedoch setzt Franziskus nur die Bemühungen seiner Vorgänger weiter um. Er scheint kurz vor der Unterzeichnung eines Abkommens zu stehen. Dabei muss berücksichtig werden, dass die Vereinigung der Untergrundkirche mit der vom Staat eingerichteten Kirche in der Logik vatikanischer Bemühungen liegt. Die Versöhnung beider Kirchen ist ein längerer Prozess.
Nach Berichten von Chinakennern zusammengestellt
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