Im Beitrag „Beten ist nicht fromm“ hat die Autorin erklärt, warum in der Pubertät „Gott mir auch eigentlich egal ist. Ich brauche ihn gerade nicht in meinem Leben.“ Wie aber kommt Gott zurück:
Das Leben funktioniert auch ohne Gott
Eigentlich muss sich meine Einstellung zu Gott bis zu meinem Tod nicht ändern. Ich lebe in den gottfernen Gewässern ganz gut. Selbst wenn doch manchmal Zweifel aufkommen, befinde ich mich ja in einem Umfeld, das ähnlich denkt, mich in meiner Haltung eher bestätigt, mir die Sicherheit gibt, dass ich nicht so falsch liege mit meiner Ansicht. Um einen neuen Zugang zu dem Unendlichen zu finden, braucht es dann manchmal ein besonderes Ereignis in meinem Leben oder besondere Menschen, die mir den Schritt in dieses spirituelle, unbekannte Land eröffnen.
Ich ahne, dass das nicht alles sein kann
Ich werde älter und erfahrener. Ich werde mit unausweichlichen Dingen konfrontiert, die nicht so einfach von der Wissenschaft erklärbar sind. Ich erlebe zum ersten Mal ganz bewusst das Sterben von lieben Menschen, werde konfrontiert mit eigenen Grenzerfahrungen, die auch anders hätten ausgehen können. Ich beginne zu ahnen, dass es da noch etwas geben muss, das mein Leben stützt, das nicht einfach so ignoriert werden kann. Ich spüre, dass mein Dasein doch irgendwo in eine größere Ordnung eingebettet ist. Vielleicht gibt es ja doch so etwas wie einen Gott, wie immer ich ihn mir vorstellen mag. Ich spüre tief in mir so etwas wie eine große Achtung vor der Natur, dem Leben, dem Kosmos. Manchmal fühle ich mich im Angesicht dieser Kraft, dieser Großartigkeit, dieser Wunder ganz klein. Ich registriere auch, dass wir Menschen trotz Hochtechnisierung nicht alles „machen“ können.
Meine Einzigartigkeit führt zu Fragen
Wenn ich darüber nachdenke, wie einzigartig meine DNA, wie individuell meine Iris und mein Daumenabdruck sind, dann kann das nicht vom Zufall kommen. Es muss eine Bedeutung haben, dass ich so einzigartig bin. Das muss doch einen Sinn machen. Je öfter ich mit Menschen zusammenkomme, mit denen ich mich über solche unerklärbaren Fragen ohne Besserwisserei auseinandersetzen kann, spüre ich in mir großes Interesse. Es ist fast Neugierde, ein bisschen Kribbeln. Soll ich mich nicht doch noch mehr damit befassen? Ich suche die Gespräche. Ich lese theologische Bücher, ich lese die Bibel, ich studiere vielleicht sogar Theologie.
Viele unterschiedliche Gottesbilder
Es fasziniert mich, ganz neue Gottesvorstellungen kennenzulernen. Ich erkenne, dass dieser neue Gott in seiner Vielgestaltigkeit nichts mit Machtausübung zu tun hat. Er hat mit dem Gottesbild meines Kinderglaubens kaum noch eine Ähnlichkeit. Im Gegenteil. Er hält aus, dass ich ihm lange meine Aufmerksamkeit entzogen habe. Jetzt, da er mir nicht mehr fern ist, spüre ich auch keinen strafenden Gott, sondern fühle mich eher so wie der verlorene Sohn, der vom Vater mit offenen Armen empfangen wird.
Ich spüre, dass da etwas ist, das mein Leben, meine Einzigartigkeit will.
Innerlichkeit
Alles das passiert nicht außen. Jedoch in mir, in meinem Innern gibt es Antennen, die mich ganz zu mir, meiner Existenz, meinen Sinnfragen führen. Sie ermöglichen mir auch den Zugang zu diesem Großen, Erhabenen:
Er hat mich ausgestattet mit einer Einmaligkeit, die mit einem Ruf verbunden ist.
Ich bin nicht aus der Verantwortung für mein Leben entlassen, sondern spüre die Ermutigung, es mit meinen Begabungen zu füllen, die Gaben und Talente zur Verwirklichung meines Lebens sowie zur Gestaltung der Welt einzubringen. Ich darf, soll am „Reich Gottes“ mitwirken.
Die Erkenntnis, dass es in meinem wie in jedem anderen Leben um unseren Einsatz, unsere Talente geht, dass Gott uns nicht eingrenzt, sondern in die Freiheit setzt, uns zur Selbstverwirklichung unserer Person ermutigt, war für mich wie die Öffnung des Himmels. Dieser Gott fasziniert mich. Er ist nicht weit weg, da oben irgendwo im Himmel, sondern in mir und um mich herum, in jedem lebenden Wesen. Er umfasst alles, ist größer als ich ihn mir vorstelle, dessen Geist ich spüre. Er ist einfach da.
Mit diesem Gott kann ich durch mein Leben gehen, ich fühle mich getragen, gewollt, unterstützt, ohne mich ausgeliefert oder gegängelt zu fühlen.
Beten ist für mich erst einmal danken.
Dafür kann ich in meinen Gebeten jeden Tag danken. Danken, dass ich aufstehen, nachdenken, gehen, singen und spielen kann. Manchmal klage ich auch, wenn der Alltag zu schwer ist. Wenn mir etwas missglückt ist, wenn ich nicht weiter komme. Ich klage, weil ich weiß, dass diese Klagen bei Gott gut aufgehoben sind. Mich erleichtert es so manches einfach an „ihn rüberzuschieben“, ohne den Anspruch, dass er gleich etwas tun müsste. Oft wendet sich sogar das Blatt zum Guten, was immer das auch bedeuten mag.
Bitten sind kein Auftrag an Gott
Ich bitte auch jeden Tag für Freunde, für Kranke, für die Verbesserung der Missstände in der Welt. Meine Bitten sind keine Aufträge an Gott, es doch zu richten, sondern ich bitte um die Einsicht, die Kraft, die wir als Menschen brauchen um den Frieden herzustellen, die Energie die wir brauchen, gesund zu werden oder die Krankheit auszuhalten, oder die Einsicht in die Notwendigkeit, anderen in ihrer Not zu helfen. Denn es liegt an uns Menschen ob es gelingt, friedlich miteinander zu leben, ob ich mich innerlich versöhne mit meinen Erfahrungen, ob ich mich engagiere für den Nächsten. Gott kann den Frieden nicht „machen“, wenn wir die Einsicht und Kraft dafür nicht aufbringen.
Gott der Dreifaltige
Gott ist für mich zu einer umfassenden „Person“ geworden. Ich kann den Geist Gottes manchmal ganz konkret spüren, das Leben von Jesus zeigt mir in den Evangelien den ganz praktischen Weg, den ich gehen kann. Gott erlebe ich als den Umfassenden, in dem alles aufgehoben ist. Er ist für mich der Große, Erhabene, der nicht Denkbare. Er ist für mich in allen Dingen.
Katja Thomsen Yoga am Meer
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