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Bestrafung der Gotteslästerer

Blasphemie zwischen liberaler Meinungsfreiheit und den Ansprüchen des Islam

Wenn eine Gesellschaft sich als säkular versteht, das Heilige aus der Öffentlichkeit in das Private abgeschoben wird, dann gibt es kaum noch Gerichtsverfahren wegen Gotteslästerung oder religiöser Verunglimpfung. Jedoch fordert der Islam die Unantastbarkeit des Heiligen. Es stehen religiöse Vorstellungen dahinter, die das Christentum überwunden hat. Im Rahmen eines juristischen Fachgesprächs legten der Mediävist Prof. Arnold Angenendt und der Jurist, Prof. Fabian Wittreck im Haus am Domin Frankfurt die Grundzüge dar, wie religiös und juristisch mit Gotteslästerung umgegangen wurde.

Blasphemie zwischen liberaler Meinungsfreiheit und den Ansprüchen des Islam

Wenn eine Gesellschaft sich als säkular versteht, das Heilige aus der Öffentlichkeit in das Private abgeschoben wird, dann gibt es kaum noch Gerichtsverfahren wegen Gotteslästerung oder religiöser Verunglimpfung. Jedoch fordert der Islam die Unantastbarkeit des Heiligen. Es stehen religiöse Vorstellungen dahinter, die das Christentum überwunden hat. Im Rahmen eines juristischen Fachgesprächs legten der Mediävist Prof. Arnold Angenendt und der Jurist, Prof. Fabian Wittreck im Haus am Domin Frankfurt die Grundzüge dar, wie religiös und juristisch mit Gotteslästerung umgegangen wurde.

Ketzer, aber keine Ketzerprozesse

Im erste Jahrtausend hat es nur einen Ketzerprozess gegeben. Priscillian, ein spanischer Bischof, hatte eine strenge Askese befürwortet du geriet in den Verdacht Manichäer zu sein. Er appelliert an den Kaiser und wurde zur Verhandlung nach Trier überstellt. Er wurde von der römischen Regierung wegen Zauberei zum Tode verurteilt wurde. Martin von Tours versuchte vergeblich, das Todesurteil abzuwenden. Das Christentum kannte von Anfang an die Verurteilung von Ketzern, aber nicht mit körperlichen Strafen, sondern nur Ausschluss aus der Gemeinde. Man orientierte sich über die Jahrhunderte hinweg am Gleichnis vom Unkraut im Weizen. Jesus wählt das Bild des Samens. Als die Knechte dem Gutsherrn berichten, ein böser Nachbar habe Unkrautsamen in das Weizenfeld geworfen und sie fragen, ob sie dieses ausreißen sollen, lässt Jesus den Gutsherrn antworten: Lasst das Unkraut mit dem Weizen wachsen, sonst könntet ihr einen Weizenkeimling mit ausreißen.

Vorher hatten die Römer bereits die Menschenopfer der Kelten unterbunden. Zu Ketzerprozessen kommt es nach der Jahrtausendwende. Es steht dahinter die Angst, Gott könne ein Volk strafen, wenn dieses Gotteslästerung zuließe. Aber wer stellt fest, dass Ketzerei und Blasphemie vorliegt

Der Staat kann nicht über Ketzerei und Gotteslästerung befinden

Die Ketzergerichtsbarkeit muss ein Dilemma lösen. Auf der einen Seite kann der Staat nicht entscheiden, was als Ketzerei oder Gotteslästerung zu gelten hat. Es ist daher Aufgabe der kirchlichen Fachleute, den Tatbestand der Ketzerei festzustellen. Da aber die kirchlichen Amtsträger keine körperliche Gewalt anwenden darf, muss der Staat das Urteil der kirchlichen Gerichtsbarkeit exekutieren. Dieses Vorgehen haben die Reformatoren übernommen. Im Genf Calvins wurde bereits ein Theologe, Michael Servetus, der von der Lehre abgewichen war, 1553 hingerichtet.

Wenn aber der Staat sich in der Entwicklung nach der Französischen Revolution, sich zu religiöser Neutralität verpflichtet, kann er seine Jurisdiktion nicht mit einer Glaubensgemeinschaft teilen. Er kann sich auch nicht zueigen machen, was für eine Glaubensgemeinschaft als Gotteslästerung gilt. Da er über keine theologischen Kriterien verfügt, kommt ein anderes Rechtsgut zum Tragen, nämlich die öffentliche Ordnung. Mit den Konfessionskriegen gab es genügend Erfahrungen, aus religiösem Streit nicht wieder bewaffnete Auseinandersetzungen erwachsen zu lassen. Da die Staaten in Europa, nicht jedoch die USA, sich bis zur französischen Revolution an eine Kirche gebunden hatten, galt der jeweiligen Kirche der besondere Schutz. Im Verlaufe der Geschichte nach dem Dreißigjährigen Krieg war der innere Friede immer weniger durch religiöse Streitigkeiten gefährdet war. So konnte dieses Motiv zurücktreten. Es steht zwar noch im Gesetz, bezieht sich aber, bedingt durch die Faktoren der Späten Moderne darauf, dass sich jemand provoziert fühlt. In der Diskussion kam es zu folgenden Schlussfolgerungen

Sich provoziert fühlen

Beispiel sind die Mohammed Karikaturen der dänischen Zeitung, auf die Muslime weltweit reagierten. In der westeuropäischen Gesetzgebung und Rechtsprechung ist der Fall unter Meinungs- und Kunstfreiheit einzuordnen und daher erst einmal nicht zu verbieten. Wenn keine direkte Beschimpfung vorliegt, kann ein Gericht eine Veröffentlichung nicht unterbinden. Es muss erst zur Störung der öffentlichen Ordnung kommen. Auch könnten christliche Gruppierungen wie auch die großen Kirchen den Anspruch erheben, der Staat müsse die öffentliche Ordnung wiederherstellen, die durch eine blasphemische Aussage oder eine vergleichbare Handlung in Gefahr geraten ist. Gegen diese Position, die die direkte Herabwürdigung religiöser Personen und Symbole unter Strafe stellt, ohne dass die Elemente "Beleidigung" und "Störung der öffentlichen Ordnung" das Eingreifen des Staates erfordern, sprechen folgende Gründe:

Die Rechtsprechung muss sich auf Fakten beziehen, eine emotionale Reaktion ist nicht justitiabel. Würde eine emotionale Reaktion ausreichen, könnten auch kleinste Gruppierungen sich auf ihre Emotionen berufen, um das Eingreifen des Staates zu erzwingen. Das könnten auch könnten christlichen Gruppierungen sein, die den Arm des Staates nutzen, um ihre Kirche unter Druck zu setzen.

Wenn es um die Beurteilung von Fakten geht, muss sich der Staat zurückhalten, weil er sich nicht mehr auf die Vorarbeit seiner Staatsreligion stützen kann, die den Tatbestand "Gotteslästerung" feststellt. Da die Kirchen ansonsten ein Interesse an der religiösen Neutralität des Staates haben, sollte keine Ansprüche an den Gesetzgeber gestellt werden, von seiner Seite festzulegen, was als Blasphemie unter Strafe zu stellen wäre.

Über diese Gesichtspunkte hinaus gibt es auch eine theologische Begründung, auf einen "Blasphemie-Paragrafen" zu verzichten. Dafür ist ein Rückblick auf religiöse Vorstellungen früherer Generationen notwendig:

Gott muss für die Herabwürdigung durch Blasphemie versöhntwerden

Die Bestrafung von Gotteslästerung und Heiligtumsschändung war für frühere Generationen deshalb notwendig, weil Gott wegen der Beleidigung, die die Gruppe, das Volk zugelassen hatten, diesen sein Wohlwollen entzieht. Um Gott wieder zu versöhnen, musste der Täter umgebracht werden.

Hier setzten religiöse Autoritäten, auch unter Einbeziehung des Alten Testaments, dagegen, dass die Bestrafung allein Gott zukommt. Der Mensch sei dazu nicht befugt. In der Apostelgeschichte wird von einem solchen Gottesurteil berichtet. Ein Ehepaar, Hananias und Saphira haben, wie die anderen Mitglieder der ersten Gemeinde, ihre Habe verkauft, jedoch nicht alles an die Gemeindeleitung übergeben. Petrus durchschaut das und droht ihnen göttlich Strafe an, die auch Eintritt.

Die Römer hatten bereits die Menschenopfer der Kelten untersagt. Diese waren auch bei den Germanen üblich. Die christlichen Missionare gingen dagegen vor. Dagegen wehrten sich die Anhänger der alten Religion. So könnte die Ermordung des Bonifatius erklärt werden. Er wäre dann, so Prof. Angenendt, nicht einer Räuberbande zum Opfer gefallen, sondern die Friesen hielten ihren Boden dadurch religiös verunreinigt, weil ein christlicher Missionar ihn mit der Absicht betreten hat, ihre Kulte abzuschaffen.

Diese religiöse Vorstellungswelt hat das Christentum überwunden. Das zeigt sich nach Prof. Angenendt u.a. daran, dass von den verschiedenen Aussagen, vor allem des Alten Testaments, zu Blasphemie das Gleichnis vom Belassen des Unkrauts im Weizenfeld die Wirkungsgeschichte bestimmt hat. Das liegt wohl nicht zuletzt daran, dass Gott den Tod seines Sohnes und die Blasphemie der Umstehenden, die rufen „wenn du der Sohn Gottes bist, dann steige doch herab vom Kreuz,“ nicht rächt, sondern mit der Auferstehung beantwortet.

Es klingt dabei schon an, dass Gott nicht vor Verunglimpfung geschützt werden muss. Er steht, wie der Gutsherr im Gleichnis, über blasphemischen Anwürfen. Diese Sicht ist seit der Aufklärung bestimmend geworden.

Es scheint also auch aus der Tradition des Christentums keinen Grund dafür zu geben, mit staatlichen Maßnahmen gegen Ketzerei, Gotteslästerung und auch Religionsabfall vorzugehen. Mit dieser Einschätzung ist beim Islam jedoch nicht zu rechnen.

Freier Austritt aus der Religion

Zwar kennen der Islam wie das Christentum das Prinzip der persönlichen Glaubensentscheidung, die nicht unter Zwang geschehen darf. Jedoch anders als das Christentum kennt der Islam nicht das Recht auf Verlassen der Religionsgemeinschaft. Das kann deshalb nicht hingenommen werden, weil ein Abfall eine Beleidigung Gottes darstellt. Zudem muss in seinem Geltungsbereich eine Beleidigung Gottes unterbunden und dann auch hart bestraft werden, da die Würde Gottes der höchste Wert, an dem sich die islamische Gemeinschaft ausrichtet. Hinzu kommt, dass der Islam keine Trennung von Staat und verfasster Religion kennt. Auf Grund des islamischen Gesetzes ist der Staat pflichtet, gegen Blasphemie einzuschreiten. Die meisten Prozesse werden in Pakistan geführt. Allerdings, und das spricht nicht zuletzt gegen eine Blasphemie Gesetzgebung, wird der Vorwurf der Gotteslästerung oft deshalb erhoben, um sich bei Streitfragen, z.B. in Grundstücksstreitigkeiten, durchzusetzen. Es ist damit zu rechnen, dass Muslime zur Selbstjustiz greifen, wenn der Staat Gotteslästerung nicht bestraft.

Für Journalisten besteht eine echte Gefährdung, denn die Bestrafung kann sich gegen einen Korrespondenten in einem islamischen Land richten, dessen Heimatredaktion die Meinungs- und Kunstfreiheit gegenüber dieser Religion in Anspruch genommen hat. Ohne dass das öffentlich diskutiert wird, bestehen diese Freiheiten nicht mehr, wenn der Islam Thema wird. Das führt zu einer faktischen Ungleichbehandlung von Christentum und Islam. Diese wird noch dadurch verschärft, dass der Staat nicht nur im Ausland, sondern auch in seinem Hoheitsbereich Journalisten nicht gegenüber Attentate schützen kann, genauso wenig wie er Bürger, die die islamische Religionsgemeinschaft verlassen wollen, vor Sanktionen ihrer Familie bzw. Mitgliedern der Moscheegemeinschaft wirksam schützen kann.

Die Liberalität, die am Ende des Abends auch christlich gerechtfertigt wurde, wird wohl nicht bestehen bleiben. So wie in der Frage des islamischen Religionsunterrichtes wird auch der Staat, hier nicht die Länder, sondern der Bund, auch in der Blasphemiethematik mit den Religionsgemeinschaften deshalb zu Vereinbarungen kommen müssen, um den öffentlichen Frieden im Vorhinein zu schützen und nicht, wie jetzt zu warten, bis er gestört wird. Das war aber nicht die Sicht der Juristen, sondern legt sich aus journalistischer Sicht nahe.

Eckhard Bieger S.J.

Die im Moment gültigen gesetzlichen Bestimmungen zur Religionsbeschimpfung:

§ 166

Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen

(1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§

<p>Abs. 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.</p> <p>(2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§</p> <p>

<p>Abs. 3) eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.</p> <p>§ 167</p> <p>Störung der Religionsausübung</p> <p>(1) Wer</p> <p>
<paragraph>1.</paragraph> <paragraph>den Gottesdienst oder eine gottesdienstliche Handlung einer im Inland bestehenden Kirche oder anderen Religionsgesellschaft absichtlich und in grober Weise stört oder</paragraph>
<paragraph>2.</paragraph> <paragraph>an einem Ort, der dem Gottesdienst einer solchen Religionsgesellschaft gewidmet ist, beschimpfenden Unfug verübt,</paragraph>

wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Dem Gottesdienst stehen entsprechende Feiern einer im Inland bestehenden Weltanschauungsvereinigung gleich.


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