In den Evangelien wird berichtet, dass Jesus vor einschneidenden Ereignissen lange im Gebet war. Warum betet Jesus eigentlich? Ist er nicht der Sohn, der das auch aus eigener göttlicher Vollmacht alles hätte tun können? Will er sich informieren? Worüber redet man als allwissende Person mit einer anderen allwissenden Person? Eine Antwort auf diese Fragen macht freilich deutlich, wie mein Beten leider noch nicht ist, bzw. wie es sich immer wieder verändert.
Jesus betet nicht, weil er dies oder das haben will. Er betet nicht, um den Vater über irgendetwas zu informieren oder zu etwas zu bewegen, er betet, weil er gern beim Vater ist, ihn gerne preist und über seine Schönheit staunen will. Klar gibt es dann auch noch diese oder jene Aspekte, die hinzukommen, aber der Kern ist: Er liebt und genießt es, im Vater zu sein, wie dieser in ihm ist.
Wenn ich dann auf mein Beten schaue, sehe ich eine große Vielfalt, die abhängig ist von der Tagessituation. Meist beginnt es damit, dass ich am Abend in die erste Lesung vom nächsten Morgen eintauche. Dabei verweile ich eine Weile. Je nachdem, mit wie vielen Texten oder Gesprächen ich den Tag über beschäftigt war, bete ich dann die Vesper, auch wenn das eher die Tageszeit für die Komplet wäre. War der Tag schon zu verwortet, steige ich nach der Lesung in das Abendgebet mit der "clicktopray"-App, mit dem klassischen Examen, ein und schließe einen Rosenkranz an. Es gibt aber auch Tage, wo ich nach dem Einstieg einfach nur ins Jesusgebet komme und meine selbstgeschriebene Ikone ansehe und mich von Gott ansehen lasse. Das Gebet verläuft durchaus unterschiedlich. Meist sehe ich aber, wie wenig ich selber es in der Hand habe, was geschieht und wie arm so ein Gebet von meiner Seite her eigentlich ist. Ich schließe es meist auch wieder mit der Lesung des nächsten Tages.
Seit einigen Jahren lasse ich mich morgens von Lobpreis wecken. Hier stelle ich aber eine Entwicklung fest. Ich wache in letzter Zeit immer schon deutlich vorher auf, kann meinen Tee bereiten und komme schon während des Abkühlens zu den Laudes. Wenn dann der Lobpreis beginnt, startet auch meine Tea-Time mit Gott. Gute Lobpreislieder sind ja sehr oft einfach nur vertonte Bibelstellen. Hier lasse ich mich oft wochenlang vom selben Liederset leiten, wo dann oft andere Stellen derselben Lieder für die Betrachtung wichtig werden. Ich schließe dann wieder mit der Lesung und gehe zur Messe. Das ist in Coronazeiten noch dazu in einem Krankenhaus recht skurril, denn wir haben noch ganz andere Beschränkungen als normale Pfarreien (de facto nur zwei Schwestern, ein Diakon und ich). In den Arbeitstag starte ich dann (öfter) mit der Clicktopray App für den Morgen. Tagsüber komme ich dann nicht so regelmäßig ins Gebet – immer nur so mal zwischendurch.
Seit einigen Jahren versuche ich auch so oft es geht, mir einen ganzen Samstag frei zu nehmen von äußeren Terminen, sodass ich mehr oder minder einen Einkehrtag im Monat habe, wo ich dann an einem biblischen Buch oder auch an einer der Sonntagslesungen lese, bete und betrachte. Das ist eine Zeit, die ich sehr lieb gewonnen habe, und die gerade auch in der Coronazeit eher häufiger geworden ist als vorher; denn viele andere Termine sind von ganz allein weggefallen. In diese nicht ganz tägliche Kategorie fallen die Stunde eucharistischer Anbetung zur Vigil des Herz-Jesu-Freitags und zwei Wochen später.
Eine Neuentdeckung für mich sind online-Gebetsgemeinschaften. Das konnte ich mir früher gar nicht vorstellen. Man verabredet sich in Skype oder Zoom oder ähnlichem. Das ist zur Zeit noch wegen fehlender Internetraten da, wo ich meist bin, nicht so einfach, aber ich hoffe, dass dieses Problem in der nächsten Zeit gelöst werden kann. Gemeinsames Gebet empfinde ich meist als stärker und die Ablenkungen fallen schwächer aus. Der gemeinsame Lobpreis ist so zwar nicht so leicht möglich, aber besser als nix.
Ich hoffe aber, dass es mir mehr und mehr geschenkt wird, auch einfach nur die Gegenwart Gottes zu genießen und in ihm zu sein, wie er in mir ist.
P. Adrian Kunert SJ
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