Schwarzrheindorf bei Bonn, Grabeskirche für Arnold von Wied, 1151-1155 Erzbischof von Köln, Foto: hinsehen.net E.B.

Verschulden braucht Entschuldigung

Corona hat sich zur Krise entwickelt, weil in China zu lange weggeschaut oder vertuscht wurde. Ähnlich hätten die Missbrauchsfälle in der Kirche längst aufgeklärt und befriedet werden können, wenn auch da nicht vertuscht worden wäre. Deshalb ist die katholische Kirche in der Öffentlichkeit abgeschrieben. Wie sollen die Gläubigen, die nicht austreten wollen, damit umgehen?

Vertrauensverlust durch Verschleierung 

Müssen die Gläubigen nicht das Vertrauen in die Kirche als Institution verlieren, die doch für christliche Werte steht, für den Weg die Wahrheit und das Leben? Der Umgang mit Missbrauch entwickelt sich im 11. Jahr zu einer zweiten, noch schlimmeren Krise, weil jetzt die Ergebnisse auf dem Tisch liegen, aber unter Verschluss bleiben. In Köln kann man sich nicht entschließen, eine von Rechtsanwälten angefertigte Analyse zu veröffentlichen. Das kann nur als weiterer Versuch der Vertuschung wahrgenommen werden. Entsteht nicht notwendig der Eindruck, die Personalverantwortlichen und damit auch der Bischof hielten an der Praxis fest, die Täter zu decken. Es entsteht eine weitere Schuld, nicht nur gegenüber den Opfern, sondern gegenüber den Gläubigen, denen ein Vertrauensverlust zugemutet wird. Sie verlieren nicht unbedingt den Glauben, jedoch wird es ihnen immer schwerer gemacht, sich mit der Institution zu identifizieren.  

Täter werden weiter gedeckt

Mit dem Zurückhalten der Ergebnisse einer Untersuchung, die durch unabhängige Fachleute erarbeitet wurde, werden faktisch die Täter und die Personalverantwortlichen weiter gedeckt. Wie sollen da die Täter Mut fassen, den Opfern gegenüber zu treten, wenn die Führungspersonen nicht zu ihrer Verantwortung stehen. Zudem wussten sie aus früheren Erfahrungen, dass bei solch einem Vergehen nur Versetzung als Strafe folgte. Wenn jetzt nicht reagiert wird, können die Täter, wie früher, davon ausgehen, dass die Institution sie weiter deckt. Eine Straftat, die viel, viel schlimmer ist als eine schlechte Predigt oder ein kritisches Wort gegen Vorgesetzte, wird nicht in der Konsequenz geahndet wie eine theologische Aussage, die nicht durch die Lehre der Kirche gedeckt ist. Nach außen wird der Eindruck verstärkt, dass die Personalverantwortlichen weiterhin missbräuchlichen Umgang mit Kindern zulassen. Das hat gravierende Auswirkungen auf Täter und Opfer wie auf die Institution Kirche.

Das Opfer braucht das Eingeständnis des Täters

Die Missbrauchsfälle, die jetzt ans Licht gekommen sind, liegen meist zwanzig, dreißig und mehr Jahre zurück. Die Opfer sind inzwischen erwachsen, die Täter alt. Sie könnten mit Abstand auf die Situation von damals schauen. Viele Opfer haben lange Probleme mit körperlicher Nähe, auch noch als Erwachsene mit sich herumgetragen. Die Wunden sind oft noch nicht verheilt. Denn sie können erst gesunden, wenn der Täter sein Vergehen eingesteht. Wenn die Wahrheit wahr wird. Von Angesicht zu Angesicht sich gegenüberstehen, sich ansehen und um Verzeihung bitten ist der Weg, der zur Heilung führt.
Nun sind schon etliche Täter verstorben, deshalb braucht es in einem Bistum einen Vertreter, der im Namen der Institution persönlich um Verzeihung bei den Opfern bittet. Denn die Institution, vertreten durch die Verantwortlichen ist mit schuldig geworden, weil sie nicht für die Opfer gesorgt, sondern die Täter vor Strafverfolgung geschützt hat. Deshalb genügen keine Telefonate, keine Presserklärungen und auch nicht Geldüberweisungen, sondern das persönliche Eingeständnis gegenüber den Opfern in einer realen Begegnung. Missbrauch kann mit nichts wieder gut gemacht werden, aber die Heilung wird erst ermöglicht, wenn die Täter ihre Tat eingestehen sich bei dem Opfer persönlich entschuldigen.
Mit Geld die Schuld zu tilgen, hilft möglicherweise jemandem über eine Durststrecke hinweg, der eine Therapie bezahlen muss. Zur Heilung seiner Seele trägt Geld als Wiedergutmachung nicht entscheidend bei.
Werden die Täter nicht persönlich zur Entschuldigung in die Pflicht genommen, brauchen sie sich ihrer Schuld nicht zu stellen. Die Opfer werden weiter im Ungewissen gelassen, ob die Personalverantwortlichen wirklich die Wahrheit wollen und zu ihnen stehen oder ob sie mit Geldmitteln versuchen, sich von ihrer Schuld zu befreien. Für die Institution selbst wird der Schaden nur vervielfacht.

Alles kommt ans Licht

Schon in den Evangelien heißt es, dass alles ans Licht kommen wird. Früher oder später. Auch diejenigen, die ihrer Fürsorgepflicht und Verantwortung, für Recht zu sorgen, nicht nachkommen, Unrecht und Missbrauch vertuschen, machen sich schuldig und verursachen Misstrauen. Sie missbrauchen das Vertrauen der Gläubigen. Das Unrecht, das durch Missbrauch an Kindern oder Jugendlichen begangen wurde, verlangt Entschuldigung, Frieden. Das braucht ein Verfahren, das sowohl den Täter als auch das Opfer in den Blick nimmt und dafür Sorge trägt, dass das Eingeständnis ausgesprochen wird, sich Täter und Opfer in die Augen sehen können. Erst dann können die Verletzungen der Seele heilen. Auch wer als Verantwortlicher nicht das Kindeswohl an die erste Stelle gesetzt hat, wer weggesehen oder sogar bewusst nichts unternommen hat, muss sich seiner Schuld stellen. Warum hat man die Aufarbeitung der Fälle einer externen Instanz übergeben, wenn man sie dann doch nicht veröffentlicht? Weil die Ergebnisse der Untersuchung zurückgehalten werden, bleiben Täter und Vertuscher weiter im Dunkeln. Da die Journalisten wie auch die Gläubigen sich eindeutig auf die Seite der Opfer stellen, ist Vertuschung nicht mehr möglich. Denn gegenüber früher wird den Opfern heute geglaubt, so dass die Kirche mit mehreren Instanzen konfrontiert ist die auf Aufarbeitung der Schuld bestehen.

Die Verantwortlichen machen sich schuldig

Ich frage mich, wie der Kölner Kardinal mit diesem Misstrauen, das er in das ganze Land ausgesät hat, umgehen will. Wie will er das Vertrauen der Gläubigen zurückgewinnen? Kann er damit rechnen, dass er noch die Informationen erhält, die er für die Leitung seines Bistums braucht? Kann er noch für die Glaubensüberzeugung stehen, zu der er als Nachfolger der Apostel stehen sollte? Welche Chancen sind ihm noch geblieben, die Gläubigen vom massenweisen Austritt aus der Kirche zurückzuhalten? Das schlägt bis auf die Ebene der Pfarreien wie des Religionsunterrichtes durch. Jeder, der dort tätig ist, wird von dem Vertrauensverlust beeinträchtigt. Wie soll da Frieden einkehren, Versöhnung geschehen, Entschuldigung passieren?

Auch die Täter brauchen Heilungschancen

Durch die seit 10 Jahren laufende Diskussion über den Missbrauch durch Kleriker sind die Täter mit der Tatsache konfrontiert, dass sie ihre Opfer schwerwiegend geschädigt haben. Sie werden mit jedem neuen Medienbericht mit ihrer Schuld konfrontiert. Derjenige, der sich an Kindern vergeht, verursacht tiefe seelische Wunden, verletzt die Freiheit und die Würde des unmündigen Opfers. Tief in seinem Innern weiß der Täter natürlich, dass er Unrecht tut, kann sich aber oft aus seiner „speziellen Neigung“ nicht von alleine befreien. Deshalb braucht auch er Hilfe. Hier muss die Fürsorgepflicht des Vorgesetzten greifen. Nicht im Wegschauen und Vertuschen, sondern darin, Licht in die Situation zu bringen, damit sich der Täter selbst stellen und sich mit seiner sexuellen Andersartigkeit in Therapie begeben kann. Gelingt es nämlich dem Täter nicht, mit seiner „Neigung“ selbst fertig zu werden, sich sein Vergehen auch einzugestehen, seine sexuelle Neigung als zerstörerisch zu erkennen, wird er in seiner sexuellen Orientierung gefangen bleiben. Führungskräften, die dieses Verhalten decken, büßen ihren Führungsanspruch ein. Sie unterstützen nämlich den Missbrauch weiter. Gleichzeitig machen sie sich durch unterlassene Hilfeleistung nicht nur an den Opfern, sondern an den Tätern schuldig.

Link: Unbearbeitete Konflikte münden in Krisen


Kategorie: Analysiert

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