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Pfingsten: nur noch mit dem digital-rechnenden Geist

Unsere Kultur erhofft sich von Naturwissenschaften die besseren Antworten. Von diesen erhält sie Zahlen, ebenso wird die Wirtschaft mit Mathematik gelenkt und die Medizin arbeitet mit den Zahlen der Laborwerte. Jetzt sind noch die Algorithmen zu Mitspielern geworden. Welcher Geist soll den Menschen bestimmen? Weckt Pfingsten noch mehr als Urlaubsgefühle?

Wir leben in einer Kultur der medizinischen, der Bank-Daten, unser Leben wird mit den Signalen, die unser Handy ständig aussendet, erfasst. Jetzt übernehmen Text-Algorithmen einen großen Teil des Denkens. Der Geist, der an Pfingsten beschworen wird, zeigt sich fast kaum noch in dieser Welt der Zahlen. Er wird als Wind erlebt und macht sich in verschiedenen Sprachen verständlich. In den Kirchen wird er wahrgenommen, wenn Menschen in Jesus eine entscheidende Person erkennen, wenn die Gottesdienste mehr Besucher finden, wenn Religiosität spürbar wird. Diese Ausstrahlung hat kaum eine Kirche, auch wenn die mittelalterlich erbauten Räume viele Touristen anziehen. Das gottesdienstliche Leben ist weitgehend verödet. Ehe in dieser Situation der Heilige Geist als realer Mitspieler der menschlichen Geschichte beschworen wird, sollte wir auf den Geist schauen, der unser Leben bestimmt. Welchen Raum findet der Geist Gottes in unserer Kultur, um sich bemerkbar zu machen? Denn Geist wirkt im Zusammenspiel mit Freiheit, während die Naturwissenschaften, die Volkswirtschaft, die digitalen Medien uns berechenbar wollen.

Berechenbarkeit vermehrt das Geld

Ich kann deshalb mit tausenden Labor-, Finanz- und Telefondaten erfasst werden, weil ich einen Körper habe, der von den Naturwissenschaften immer gründlicher erforscht wird. Da wir von diesen Wissenschaften den größeren Erkenntnisgewinn erwarten, scheint dann auch unser Körper mehr über uns zu sagen als das, was wir bewusst denken und wollen. Lange herrschte die Vorstellung, dass das Unbewusste uns sehr viel mehr bestimmt als das, was wir bewusst entschieden haben. Wo es im Körper zu verorten wäre, blieb unklar. Die Psychologen haben sein Wirken zumindest nicht entdeckt. Im Gefolge von Sigmund Freud haben sie auch dem Geist, auf den sich die Kirche als ihren eigentlichen Gründer beruft, keine Wirkung auf das Unbewusste zugetraut.
Inzwischen schreiben wir nicht mehr den in unserem Inneren wirkenden Trieben zu, unsere Kultur zu bestimmen, sondern dem Zeitgeist, also dem Geist, der unsere Kultur inspiriert. Unsere Kultur hat dem Geist auch nur noch eine Bedeutung am Rande zugedacht. Wir gehen davon aus, dass das Materielle, was die Naturwissenschaften erforschen, mehr über den Menschen sagt als das Kulturelle. Die jeweilige neue Technik bestimmt nach der Überzeugung Vieler mehr über den Geist als der Geist über das Materielle. Digitalisierung wird dringend gemacht, nicht Lesen und Sprechen können. Was wir Kultur nennen, war für die Gotik oder den Barock gewichtiger. Das ist daran abzulesen, dass Kulturetats als erstes gekürzt werden, wenn trotz aller mathematischen Steuerung die Wirtschaft in eine Finanzkrise rutscht. Kultur und Religion verhalten sich dann auch entsprechend abstinent. Sie überlassen die Analyse der Krise denen, die die Welt mit Zahlen im Griff haben müssten. Auch die Kirchen rechnen nicht mehr so richtig mit dem Heilige Geist als eine den Menschen erfüllende Wirklichkeit, so dass sie sich diesem Geist bewusst öffnen. Dafür sind die Verwaltungen zu groß und zu bestimmend geworden. Diese lenken nicht mehr mit Glaubensinhalten und moralischen Maximen das Leben in den Gemeinden, sondern über die Zuteilung von Geld.

Den Geist in seiner Wirkkraft erforschen

Mit der Künstlichen Intelligenz wird die Frage drängender, was es mit dem Geist auf sich hat. Geistiges, also das Denkenkönnen, ist nicht mehr nur im menschlichen Kopf zu finden, sondern auch in den Computern. Das heißt aber, dass diejenigen, die den Geist wichtig nehmen sollen, also die Theologen und die anderen Geisteswissenschaftler, ihn nur in einem Ausschnitt der Wirklichkeit suchen, also in den kulturellen Institutionen. Als ob Finanzkrisen wie ein Gewitter mit starkem Hagel nur Naturphänomene wären und nicht tatsächlich die notwendige Folge aus dem überhöhten Stellenwert sind, den unsere Kultur, also etwas Geistiges, dem Geld zuerkennt. Wenn Geld als der höchste Wert gesehen wird, sind Finanzkrisen die notwendige Folge. Warum in einer Kultur das Geld diese Rolle spielt, kann nicht mit einem Forschungsauftrag an die Naturwissenschaften geklärt werden, sondern wäre reguläre Aufgabe der Kulturwissenschaften. Geist formt Wirklichkeit. Er ist nicht physikalisch wirksam und, weil er ein freies Wesen bestimmt, immer nur im Medium der Freiheit.

Der Geist wirkt jetzt

In Bezug auf die Katholischen Kirche zeigt sich die mangelnde Offenheit für den Heiligen Geist an vielen Phänomenen:

  1. Die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle wird an Rechtsanwaltskanzleien delegiert. Am Ende werden wieder als erstes Zahlen genannt. Damit gerät die Frage, wie der Schutz der Täter Vorrang vor dem Schutz der Minderjährigen erhalten konnte, aus dem Fokus der Aufmerksamkeit.
  2. Theologische Fakultäten, vor allem aus Kirchengeld finanzierte eigene Hochschulen, sollen aus Finanzgründen geschlossen werden. Als wäre nicht Theologie dringend und müsste nicht das Denken der Kirche, also die Theologie selbst, sich damit beschäftigen, warum dieses Fach kaum noch Studierende anzieht.
  3. Gottesdienste und ihre Finanzierung: Als Priester, der wegen seines Alters nicht über eine Anstellung einer bestimmten örtlichen Kirche zugeordnet ist, habe ich in drei Bistümern erlebt, dass Gottesdienste inzwischen von der Verwaltung als zu teuer eingestuft werden.

Die Überlegungen oben sind ein Abgesang. Es kündigt sich eine neue Epoche an. Sie wird nicht durch die Digitalisierung kommen, sondern aus einer neuen Zuwendung zur Natur. Dort ist bereits ein neuer Geist am Werk: dazu Beobachtungen in dem Beitrag: vom Geist umhüllt


Kategorie: Analysiert

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