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Karfreitag: Die Schuld der Menschen fällt auf Gott zurück

Wie sollen die Menschen mit den Toten im Jemen fertig werden, den in Kambodscha oder Ruanda Hingerichteten, mit den Verendeten in den GULAG-Lagern oder den Millionen Juden des Holocaust. Seine monströsen Untaten überfordern den Menschen. Die Erwartung an Gott, den Menschen von der immer größeren Schuldenlast zu befreien, ist verständlich. Theodizee, die Rechtfertigung Gottes angesichts des Übels in der Welt. Gelingt Gott das?

Die Erwartung an Personen, eine moralische Autorität zu sein, die alles Mittelmäßige überragt, übertragen wir auf Gott. Ist er nicht uns Menschen moralisch so überlegen, dass er die Misere grundlegend ändern könnte. Die moralisch hochstehenden Menschen, wie Sokrates, Mahatma Gandhi, Martin Luther King haben die Ahnung bestätigt, dass es auch anders geht. Dann gelangen Personen in die entscheidenden Positionen, die das alles wieder infrage stellen. Machtmissbrauch, Korruption, Einschüchterung, der Aufbau von Feindbildern, die Herrschaft der Geheimpolizei beeinträchtigen wieder die Grundlage des Zusammenlebens. Das schlägt sich in unserem Lebensgefühl nieder. Der Verdacht, dass böse Kräfte am Ende alle guten Ansätze in ihr Gegenteil verdrehen können, mündet in Verschwörungsszenarien.

Resignation, dass sich grundlegend nichts ändert

Aus dieser Grundstimmung entsteht die Resignation, ob mich die Welt so hinnehmen lässt, wie sie sich immer wieder präsentiert. Ich entkomme dem Gefühl nicht. Kaum habe ich die Haustür hinter mir abgeschlossen, um mich vor diesen Kräften zu schützen, schlagen sie mir aus dem Fernseher entgegen. Es bleibt nur Fiktion, ein unwirklicher Tagtraum, wenn im Krimi jeden Abend das Böse zur Strecke gebracht wird. Das Wort an Kain, das aus archaischen Urzeiten bis in unsere Zeit klingt, "An der Tür lauert die Sünde als Dämon. Auf dich hat er es abgesehen, doch du werde Herr über ihn! Das Böse können weder ZDF noch Netflix vertreiben.

Die Gewaltsamkeit der Revolutionäre

Das, was unser Leben immer wieder klebrig fesselt, erklärt die Brutalität der Revolutionäre. Was uns die Lebensfreude und das ersehnte Gemeinschaftserlebnis stiehlt, kann nur mit Gewalt vertrieben werden und hat sich damit schon in seiner Klebrigkeit mitten in der Revolution eingenistet. Boris Pasternak stellt aus der Sicht des Arztes Dr. Schwiwagor fest, dass die Revolution die schlechten Charaktere auf die Befehlshaberposten geschleust hat. Mit dem Sturm auf das US-Parlament wurde das aller Welt als Live-Sendung vor Augen geführt. Keine Revolution hat die Klebrigkeit von Korruption, Machtmissbrauch und Festklammern an der erreichten Position aus der Menschheitsgeschichte ausgrenzen können. Sie haben eher das Böse zum Wuchern gebracht.

Der Tod der Gerechten ist nicht das letzte Wort

Was wir Karfreitag vor Augen geführt bekommen, ist kein Einzelfall. Sokrates, Gandhi, Luther-King sind wegen ihres Einsatzes für Gerechtigkeit und die Würde jedes Einzelnen zu Tode gebracht worden. Der Vizepräsident Michael Pence wäre fast gelyncht worden, weil er sich an die Verfassung gehalten und nicht den Umsturz mit Parlamentsmehrheit den Weg bereitet hat. Offensichtlich müssen Menschen die Last der Schuld aus dieser Welt durch ihren Tod heraustragen. Die Verurteilung und Hinrichtung Jesu wird von den Evangelisten in einen größeren Rahmen gestellt, indem Jesus dem Willen Gottes folgt. Dass Gott auf diese Weise in die Verbrechens-Geschichte eingreift, ist die eigentliche Herausforderung. Der Tod der Gerechten als Rechtfertigung Gottes, als Theodizee –das ist für viele keine befriedigende Antwort. Aber welche Alternative hat Gott. Wenn er mit seiner Macht eingreift, kommt er genauso wenig wie die Revolutionäre zum Ziel, das Böse wenigstens zu zähmen. Würde er die Schäden wieder beseitigen und die Hingerichteten wiedererwecken, würde er Korruption und Machtmissbrauch das Tor nur noch weiter öffnen. Offensichtlich will er, dass wir Menschen das Böse überwinden. Dass die Wirkung, die Sokrates und die anderen in der Geschichte sich nicht abnutzt, zeigt, dass ihr Handeln zwar von ihren Zeitgenossen, aber nicht von der Menschheit späterer Generationen desavouiert werden.

Links
Theodizee: Gott muss sich verantworten
Noch mehr Gewalt, wenn Gott eingreift
Verschwörungsgläubige: Regiert eine böse Kraft die Welt


Kategorie: Analysiert

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