Das Gewirr der Woche Foto: Strohdach, hinsehen.net E.B.

Deshalb Sonntag: um sich die Energien nicht absaugen zu lassen

Der jüdische Sabbat dient der Ruhe. Selbst Gott ruhte am 7. Tag der Schöpfung. Das ist nicht nur dem Körper geschuldet. Im Zeitalter der Informationsüberflutung, der immer schnelleren Taktung braucht auch unser Geist Freiraum.

Wir finden uns in einer Welt mit täglich neuen Möglichkeiten vor, verbunden mit ständiger Umdisponierung. Ob Zug oder Autobahn, das  Jonglieren mit der Zeit ist wegen Verspätungen oder Staus fast jeden zweiten Tag gefragt. Terminverschiebungen, kurzfristige Absagen, Verzögerungen, Ausstieg von Mitarbeitern kommen hinzu. Der Wochenrückblick ist erst einmal notwendig, um den Stress loszuwerden. Denn anders als Südeuropäer planen wir immer noch so, dass wir mit pünktlichen Zügen rechnen und einem normalen Durchkommen mit dem Auto. Wenn wir den Frust, den all diese Hindernisse hinterlassen haben, erscheint dann auch das auf unseren Leinwand, was doch noch geklappt hat und sogar unerwartet schnell zustande gekommen ist. Wenn wir genauer hinsehen, dann haben andere mir beim Weiterkommen geholfen, sind eingesprungen, haben auf ihren Vorteil verzichtet, damit das Projekt zum Abschluss kommt. Es kommt dann sogar noch vor, dass ich durch einen Hinweis oder einen Tipp sehr viel schneller weiterkomme oder damit ein Problem eine Lösung gefunden hat.
Hätte ich auch diesen Überschuss gehabt, um anderen behilflich zu sein? Hatte ich die Nerven, um nachgeben zu können, sogar mehr Zeit und Verantwortung zu investieren als ich mir vorgenommen hatte?

Die digitalen Techniken saugen Kraft aus unserem Leben.

Wenn wir unseren Energielevel am Wochenende nachfüllen, dann bleibt meist ein entscheidender Faktor unterhalb der Bewusstseinsschwelle. Es sind die Energien, die der kleine Bildschirm uns unbemerkt, selbst wenn ich meine Geräte auf nicht-erreichbar stelle, abzapft. Viele klopfen doch an und halten mich allein damit in Spannung, dass etwas passiert seine könnte. Es gibt so viele Kanäle, dass immer etwas bis zu meinem Ohr durchdringt. Die faktische Überwachung, die einfach durch die Registrierung meiner Aktivitäten im Netz und den Social Media auf mich zurückschlägt, wird in ihrem Kräfteverzehr meist nicht wahrgenommen.
Was uns im Alltag nicht bewusst ist: Wir unterliegen einer 24stündigen Datenabfrage, wo immer wir uns aufhalten. Als Adressaten von Werbebotschaften sind unsere Gewohnheiten von besonderem Interesse. Mit der Post werden uns fast täglich Kataloge, Vorschläge für Kurzurlaube, das besonders günstige Angebot in den Briefkasten geworfen. Mit den digitalen Medien sind wir über sehr viel mehr Kanäle erreichbar. Da von den Servern in den USA mehr über mich zu erfahren ist, als ich in einem Interview berichten könnte, bin in meinen Interessen und Vorlieben verführbar. Wir haben noch kaum die Immunkörper entwickelt, diese Einflüsse zu neutralisieren. Unser Körper hatte, auch mit den tierischen Vorfahren, Millionen Jahre Zeit, eindringende Bakterien, Viren und Schadstoffe auszumachen und einzukapseln. Ob unser Gehirn in der Lage ist, die tausende, täglich in mich eindringenden Impulse auszusondern und aus meinen Vorstellungen auszuradieren, ist noch nicht erforscht. Auf jeden Fall ist es zu viel, was unsere Abwehr überwindet und uns zu Reaktionen zwingt.

Deshalb brauchen wir das Wochenende nicht mehr bloß zur einfachen Regeneration, sondern um eine geistige Immunabwehr aufzubauen. Vielleicht haben die Menschen das früher besser verstanden, denn früher hat man am Samstag „gekehrt."


Kategorie: Analysiert

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