Der Ukrainekrieg ist kein Naturereignis
Wenn uns Deutschen nichts andere einfällt, als unsere Soldaten mit besseren Waffen auszurüsten, um zu warten, was dann geschieht, haben wir nichts aus unserer eigenen Geschichte gelernt. Der Zweite Weltkrieg war aus dem Rassenwahn geboren, nicht nur die Juden, sondern auch die Slawen wurden als minderwertig gesehen, die einen mussten vernichtet, die anderen hinter den Ural getrieben werden, um den Osten Europas mit den höherwertigen Germanen zu besiedeln. Millionen Christen sind dieser Ideologie gefolgt, obwohl ihre Religion von einem Juden ausgeht. Die Rassentheorie ist eine biologische Vorstellung, aber sie stimmt nicht aus denen Genen, sondern aus einem verwirrten Geist. Ähnlich fühlen sich Millionen Russen dem Westen moralisch überlegen, während die Weißrussen und Ukrainer Europa für die geistig höherstehende Region halten.
Wir tun uns wohl deshalb mit der Aufrüstung der Köpfe so schwer, weil wir den Menschen vom Körper und nicht vom Geist her verstehen. Damit begann schon Freud, als er nach dem Ersten Weltkrieg dem Menschen tiefenpsychologisch einen todestrieb andichtete. Vor ihm hatte Marx den Krieg als Ergebnis der kapitalistischen Wirtschaft erklärt. Das hinderte den Sowjet-Marxismus nicht daran, viel Geld in die Rüstung zu stecken und dann auch Kriege zu führen. Auch die USA, die sich christlich verstehen, haben von sich aus Kriege angefangen.
Das materialistisch-naturalistische Verständnis des Menschen sucht die Ursache des Krieges nicht in der Person, sondern im Unterbewussten oder in der Gesellschaft und führt dann zu politischen Entscheidungen, die sich als falsch herausstellen werden. Warum sind genau 100 Milliarden für Waffen notwendig? Auch 200 Milliarden gäben nicht Sicherheit vor einer Atomrakete, die von Königsberg aus keine 10 Minuten bis Berlin brauchte.
Kriege aus geschichtlicher Notwendigkeit?
Kriege werden als unvermeidlich hingestellt, nicht von denen, die sich gegen eine Invasion wehren, sondern von den Angreifern - so Russland, das den Angriff auf die Ukraine mit dem Hinweis zur Zwangslage erklärt, es müsse einem Angriff der NATO zuvorkommen. Die Ukrainer halten den Krieg in keiner Weise für notwendig. Ihnen wurde, um den Krieg vom Zaun brechen zu können, Bedingungen gestellt, sie sie nur erfüllen konnten, wenn sie ihre Unabhängigkeit aufgegeben hätten. Aber auch diese Bedingungen sind nicht naturgegeben. Historiker können zwar aufzeigen, wie sich die Voraussetzungen für einen Krieg entwickelt haben. Es war jedoch immer noch der Befehl notwendig, der die eigenen Truppen in Marsch setzt. Im Fall von Russland ist es eine geistige Vorstellung, dass die Ukraine, Kleinrussland, zu Russland gehört und deshalb zurückgeholt werden muss. Da sie, so die russische Propaganda, in die Fänger von Nationalsozialisten und der NATO geraten sind, besteht für die Russen ein Muss, das Brudervolk zu befreien. Aber auch hier ist es ein geistiges Konstrukt. Russen könnten wie Franzosen und Deutsche in jeweils eigenen Staaten leben. Wenn sie kooperieren, wächst der Wohlstand für jeden sehr viel schneller. Diese Vorstellungen entfalten in Belaruss keine Wirkung. Die Soldaten des Landes weigerten sich, ihr Leben für diese Idee aufs Spiel zu setzen.
Auch keine wirtschaftliche Notwendigkeit für den Krieg
Vor 2013 machte der Warenaustausch mit Russland 60% des Außenhandels der Ukraine aus. Nach der Annexion der Krim und des Donbass kappte die Ukraine die Handelsbeziehungen mit Russland. Eigentlich hätte Russland die Ukraine zwingen müssen, wieder in den Warenaustausch zurückzukehren, so wie England China im Opiumkrieg oder die USA Japan. Die Ukrainer wehren sich nicht aus wirtschaftlichen Gründen, sondern um ihre Lebensform mit unabhängigen Gerichten, Medienfreiheit und kontrollierter Regierungsmacht leben wollen. Wegen dieser Lebensform und nicht aus Wohlstandswünschen wollen sie zur EU gehören.
Das Kriegs-Gen findet sich nur bei den Russen
Wenn der Krieg seinen Ursprung in der Natur des Menschen hat, dann müsste sich das Gen bei den Russen eingeschlichen haben. Denn die belarussischen Soldaten haben sich dem Einmarsch in die Ukraine verweigert und die Ukrainer sind nicht von einem Todestrieb heraus zum Widerstand entschlossen, sondern weil sie nicht in postsowjetische Freiheitsberaubung und staatliche Überwachung mit dem damit verbundenen Denunziantentum zurückkehren wollen. Sie wehren sich aus einer geistigen Überzeugung.
Der Krieg kommt aus der geistigen Sphäre
Die Vorstellung, dass die Ukraine staatlich zur Russischen Föderation gehören muss, kommt nicht aus der „Natur“ der Russen, sondern ist eine Kopfgeburt, die bei den Ukrainern und Weißrussen, die fast die gleiche Sprache sprechen, nicht zu finden ist. Die Lösung wäre einfach und bräuchte kein hochgerüstetes Deutschland, wenn die Russen sich Osteuropa nicht als eine Region vorstellen würden, die von Moskauregiert werden muss. Wenn sie ihren Kopf anders ausrichten würden, bräuchten sie ihre jungen Männer nicht in den Tod zu schicken und ihre Wirtschaft durch die Sanktionen vieler Staaten herunterfahren. So müssen sie viele Tote betrauern, verlieren mit dem Krieg gegen die ukrainische Zivilbevölkerung an Ansehen und die Aussicht, dass man ihnen in Zukunft als Vertragspartner traut. Sie wählen Tod und den Weg in die Armut. Da die westlichen Firmen ihre Niederlassungen aufgelöst haben, macht sich Russland in einem Maße von China abhängig, so dass die Großmachtphantasien ausgeträumt sind.
Entwicklungshilfe für die Gehirne.
Wenn der Krieg aus der Vorstellungswelt der Russen entspringt, nützen Waffen höchstens dann, wenn sie Einfluss auf die Gehirne nehmen können. Das wäre aber sehr viel preisgünstiger und ohne Tote zu haben. Kostenlos, jedoch sehr schwer zu bewerkstelligen ist erst einmal der Umbau unserer Gehirne. Denn ehe die Russen ihre Vorstellungen verändern, müssen wir ihnen zutrauen, dass sie sich ein anderes Verhältnis zu den Ukrainern vorstellen können als diese zu unterwerfen. Wir Deutsche könnten da vorangehen. Denn auch wir hätten wahrscheinlich nicht Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Medienfreiheit entwickeln können, hätten uns das die Siegermächte das nicht zugetraut. Und wir haben in der Ukraine schlimmere Verbrechen begangen als die Russen jetzt.
So wie wir sehr bald in das internationale Beziehungsgeflecht hineingenommen wurden, müssen die Russen auf das internationale Parkett zurückgeholt werden. So wie die Alliierten für die Bundesrepublik das Personal in Zeitungen und Radio ausgewechselt haben, braucht es vor allem neue Köpfe in den Medien, Persönlichkeiten, die als Mitglieder internationaler Journalisten- und Schriftstellerverbände akzeptabel sind. Der PEN und viele andere Berufsverbände braucht eine selbständige, vom Staat unabhängige Position. Das alles muss Eingang in einen Friedensvertrag finden, dazu Städtepartnerschaften, ein deutsch-russisches Jugendwerk, so wie das mit Frankreich installierte. Die deutschen Universitäten müssen sich jungen Leuten aus Russland öffnen. Das alles kostet nicht mehr als ein Panzer und einen Jagdbomber. Aber der schwierigste Brocken ist die Kirche.
Das Moskauer Patriarchat muss überzeugt werden
Eine gewisse politische Logik ist noch in dem Kriegsziel zu erkennen, die Ukraine wieder von Moskau abhängig zu machen. Dass der Moskauer Patriarch und wohl die Mehrheit der Bischöfe einen Krieg gutheißen, in dem bereits 130 orthodoxe Kirchen zerstört wurden, widerspricht jeder Logik. Es sind Kirchen von Gemeinden, die bis vor Kurzem den Moskauer Patriarchen als ihren Papst anerkannt haben. Bis 1991 gehörten alle orthodoxen Gemeinden, außer einigen im Westen des Landes, zum Moskauer Patriarchat. Offensichtlich will die Moskauer Kirche mit Putins Armee die Gemeinden zurückgewinnen, die sich der neuen, 2018 vom Patriarchen in Konstantinopel anerkannten Orthodoxen Kirche der Ukraine angeschlossen haben. Es handelt sich damit auch um einen Konfessionskrieg, der wie der Dreißigjährige Krieg mehr politisch als religiös motiviert war. Er wurde von Habsburg im verbundmit der katholisch gebliebenen Restkirche auch als Rückholung der Gebiete, gesehen, die sich mit der neuen Religion hundert Jahre vorher eine größere Unabhängigkeit vom Kaiser erstritten hatten. Da könnten die deutschen Kirchen doch Entwicklungshilfe leisten. Die Entkirchlichung läuft ja in Deutschland seit 1648 und kommt in diesen Jahren zu ihrem Ende. Das wird der Russischen Orthodoxie auch so ergehen, wenn sie den Krieg durch ihre Unterstützung verlängert, als sich zum Friedensgebot Jesu bekehren.
Eine Strategie für die Köpfe der Russen ist vorrangig, würde eine solche vorliegen, würden auch 55 Milliarden für neue Waffen genügen. Eine Milliarde sollte für die Entwicklung von wirkungsvolleren Defensivwaffen eingesetzt werden.Zwei Milliarden für Städte- und Kirchenpartnerschaften sowie für den kultrellen Austausch würden dann zur Einsparung von 42 Milliarden führen. Den Geist, der das ermöglicht, gibt es umsonst.
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