Kriegsdenkmal in Kiew

1918: Endet die Evolution in einem weltweiten Kriegszustand?

Fortschritt ist das Schlüsselwort der Moderne. Demnach steht den Menschen eine bessere Zukunft bevor. Das glauben immer weniger Menschen. Das Vertrauen in den Fortschritt schwindet. Denn Kriege und Flüchtlingsströme nehmen zu. Kehrt sich die Evolution ins Negative?

Zum Foto: Der Krieg Deutschland-Russland hat sich hauptsächlich auf ukrainischem Territorium abgespielt.

Marxismus wie Kapitalismus gingen von der zwingenden Kraft des Fortschritts aus. Basis dafür sollte die Entwicklung der Technik sein. Tatsächlich haben die Fortschritte der Naturwissenschaften eine technische Umgestaltung der Welt ermöglicht. Krankheiten wurden zurückgedrängt, Verkehrsmittel haben die Reisezeiten schrumpfen lassen, ein kleiner Bildschirm ist zum Körperteil geworden, der das Menschenwesen mit jedem Punkt der Welt verbindet. Die bisher biologische Evolution geht mit der technischen Zivilisation weiter. Aber auch die der Gattung Mensch, biologisch nur eine Variante des Affen. Die Flüchtlingsströme haben sich seit 2009 von 30 auf 60 Millionen verdoppelt, die Auslandseinsätze der Bundeswehr nehmen weiter zu, mehr Staaten "scheitern", d.h. verlieren ihren inneren Zusammenhalt und damit die Schutzfunktion für ihre Bürger. Die Problemlage ist für jeden so vertraut, dass wir meinen, unausweichlich in einer solchen Welt leben zu müssen. Führt die Evolution zu einem Wesen, welches die äußeren Herausforderungen immer besser bewältigt, mit den inneren Unzulänglichkeiten aber immer weniger fertig wird? Ist das Steuerungsorgan, das Gehirn, falsch konstruiert?

Die Moderne endet im Krieg

Seit 1918 wurde eine weltweite Ausdehnung des Krieges nur für einige Jahre unterbrochen. Blickt man durch die Brille des Evolutionskonzepts auf diesen Ersten Weltkrieg, dann wurde tatsächlich eine Entwicklungsstufe erreicht, nämlich die ganze Menschheit in ein großes Geschehen zu verwickeln. Vorher waren es Klimakatastrophen, so 1883 der Ausbruch des Krakataus auf Indonesien. Dieser schleuderte so viel Asche in die oberen Luftschichten, dass die Sonneneinstrahlung beeinträchtigt wurde und es zu Missernten kam. Wer als Kind in die heutige Zivilisation hineinwächst, wird kaum noch von der Natur bedroht, sondern fast nur noch von vom Menschen verursachten Katastrophen konfrontiert. So erfolgreich der Mensch in der Handhabung der Natur ist, die "Handhabung" seines Zusammenlebens gelingt ihm immer weniger.

Das Gehirn ist nicht für diese Zivilisation konstruiert

Seit 1918 hat sich an dem bestimmenden Geschichtsfaktor "Krieg" nichts Grundlegendes geändert. Mit dem Konfessionskrieg zwischen dem schiitischen Persien und dem sunnitischen Saudi-Arabien ist die Religion als kriegstreibende Kraft zurückgekehrt. Das gilt nicht nur für den Islam. Die größte christliche Nation, die USA, unterhält nicht nur die größte Militärmaschinerie, sie erhöht den Militäretat und ist von allen Mächten in die meisten bewaffneten Konflikte verwickelt. Bleibt man bei der Blickrichtung der Evolutionsbiologie, dann hat das Spitzenprodukt der Evolution, das Gehirn, komplexer als jeder Computer, die Fähigkeit perfektioniert, die eigenen Artgenossen zu vernichten. Nimmt man noch das zweite Prinzip der Evolutionsbiologie hinzu, den Selektionsmechanismus, dann mündet die Entwicklung in der totalen Herrschaft der Affenspezies Mensch über alle anderen Lebewesen und zugleich der Auslöschung ihrer selbst. Von der Evolution her betrachtet ist es wohl so, dass das Gehirn des Menschen allen anderen Gehirnen überlegen ist, aber längst seine Grenzen erreicht hat, wenn es um die Steuerung des Zusammenlebens des Rudeltieres "Mensch" geht. Je vernetzter die einzelnen Einheiten der Gattung Mensch sind, desto größer das gegenseitige Schädigungs- und sogar Vernichtungspotential.

Die Friedensforschung hat keine Handlungskonzepte gefunden

Im Folgenden wird der Blickwinkel der Evolution beibehalten, weil sich in diesem Konzept das  herrschende Selbstverständnis der Gattung Mensch artikuliert. Nachdem Metaphysik und Religion als Deutungsmuster nicht mehr an die nachwachsende Generation weitergegeben werden, muss diese evolutive Sicht des Menschen die Ressourcen bereitstellen, um die Gefahr gegenseitiger Vernichtung zu überwinden. Die bisherigen Anstrengungen in der Friedensforschung scheinen wenig hilfreich, zumindest hat Europa keine Strategie, den Krieg in Syrien wenigstens auszutrocknen. Die USA und Russland setzen ihr Militär ein.

Dieses Gehirn macht den Menschen mit seinen medizinischen Kompetenzen, der Verfügbarkeit von Lebensmitteln und einer zweiten schützenden Haut durch Kleidung, Hausbau und Heizung überlebensfähig. Damit hat das Gehirn allerdings die Entwicklungsstufe erreicht, für die es in der Evolution wohl geformt wurde. Denn die längsten Entwicklungsperioden verbrachte der Frühmensch in der Auseinandersetzung mit der Natur. Zwar gab es zur Zeit der Neandertaler wohl schon Vernichtungsaktionen des Homo Sapiens, aber erst mit der Entwicklung von Großreichen, so dem der Assyrer, gab es so bedrohliche Kriege, dass ganze Völker vernichtet wurden. Offensichtlich ist das menschliche Gehirn nicht dafür ausgestattet, den inneren Zusammenhalt der Gattung Mensch zu gewährleisten. Die modernen Staaten haben zwar eine große innere Befriedung erreicht. Aber seit der Französischen Revolution führen die Staaten Krieg. Die aus der sog. Aufklärung hervorgegangenen Staaten scheinen so programmiert, dass sie von Anfang an zuerst Europa in eine Folge von Kriegen verwickelten. Mit Waterloo waren die von Napoleon initiierten Kriege nur unterbrochen. Die gleichen Staaten haben nach einer Vielzahl regionaler Kriege mit dem Ersten Weltkrieg den weltweiten Dauerzustand "Krieg" herbeigeführt, der mal "kalt" und dann auch, zumindest an einigen Fronten, "heiß" geführt wurde.

Offensichtlich kann man die Evolution noch nicht als abgeschlossen betrachten. Zwar hat Europa, zumindest die in der EU und der Nato versammelten Staaten, aus dem Dauerkriegszustand herausgefunden. Ein Konzept, wie die Kriege nicht durch noch höheren Militäreinsatz, sondern mit einem besseren Gehirn abgebaut werden können, ist nicht in Sicht. Europa muss daher damit rechnen, dass andere Großmächte, China, die USA und Russland nicht auf das Modell zurückgreifen werden, wenn sie die Selbstgefährdung der Gattung Mensch minimieren wollen. Noch scheinen die Europäer nicht zu verstehen, dass ihr Staats-Modell kein Exportartikel mehr ist. China geht dezidiert einen anderen Weg.

Die Reihe wird fortgesetzt.


Kategorie: Analysiert

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