Diesen Krieg ermöglichen nicht nur Putins Elite, seine militärische Führung und Soldaten, die die zahlreichen Kriegsverbrechen begehen. Die russischen Bürger sind ebenso daran beteiligt, indem sie für den militärisch-industriellen Komplex Russlands arbeiten, Steuern zahlen und den Narrativen der russischen Propaganda folgen. Nach mehr als zwei Jahren des groß angelegten Krieges zwischen Russland und der Ukraine ist der Begriff “Putins Krieg” immer noch von den westlichen Medien wie auch von Politikern in Gebrauch. Um eine faire Antwort auf die Frage zu geben, wer die Verantwortung für diesen Krieg trägt, muss man ein paar Schritte zurückgehen.
Diktatur, durch Wahlen legitimiert
2.000 wurde Wladimir Putin zum ersten Mal zum Präsidenten der Russischen Föderation gewählt. Mit Ausnahme von vier Jahren (2008–2012), als er der Premierminister war, hatte er die Macht. Nach der russischen Invasion in die Ukraine am 24. Februar 2022 bekam der Präsident die Unterstützung der Mehrheit, die immer noch bis zu 75 % beträgt. Man könnte behaupten, dass man der russischen Soziologie nicht das Vertrauen entgegenbringen kann, dass diese hohen Zustimmungswerte so hoch sind. Wie lässt sich dann eine ziemlich große Freiwilligenbewegung erklären, die in Russland während des großangelegten Krieges entstand? Die lahme Erklärung, dass die Russen nichts daran ändern können, ist durch „sie wollen nicht“ zu ersetzen. Einige rechtfertigen die Zustimmung der Mehrheit der Russen damit, dass sie der starken russischen Propaganda unterworfen seien und daher eine verzerrte Sicht auf die Vorgänge haben. Unkenntnis entbindet nicht von der Verantwortung. Allein die Tatsachen, dass die demokratische Welt Russland widersteht, Sanktionen verhängt, die Ukraine im Krieg unterstützt und die Einreise von Russen in Europa einschränkt, bewegen die meisten Bürger der Russische Föderation nicht dazu, zumindest nachzudenken und die “spezielle militärische Operationen” in Frage zu stellen.
Russen wollen autoritär regiert werden
Für viele Menschen außerhalb dieses Kriegs ist es immer noch schwer nachzuvollziehen, dass ein riesengroßes Land mit der Bevölkerung von mehr als 140 Mio. nicht in der Lage ist, eine Person zu stürzen. Das ist letztendlich die logische Folge eines Systems, das die Russen seit Jahrzehnten gepflegt haben. Es ist die Wahl, unter der Herrschaft eines Diktators zu leben.
Wenn man tiefer in die Geschichte Russlands und seiner Vorgänger eintaucht, kann man der klaren Tendenz folgen, dass die usurpierte brutale Regierungsform eher ein normaler Verlauf der Geschichte für den russischen Staat ist, als eine Ausnahme. Nach jeder Liberalisierung folgte eine noch stärkere Macht. So ist Putin ein Ergebnis der jahrhundertealten Geschichte und der russischen Mentalität.
Am Anfang der russischen Invasion in die Ukraine wurden Hilflosigkeit und Untätigkeit der Russen durch das Regime begründet: Sie hätten keine Stimme, ihr Leben sei gefährdet, falls sie etwas gegen Regierung aussprechen. In letzten zwei Jahren sind viele Russen ausgereist, die Antikriegsrebellion fand trotzdem nicht statt. Im Gegenteil kommen die Fälle der offenen Unterstützung des russischen Präsidenten oder Vorwürfe gegen die gesteigerte Russophobie immer wieder in sozialen Netzwerken vor. Und die Einzelnen, die ihre Gegen-Kriegs-Stimmen erheben, versuchen Mitleid unter den Europäern zu wecken, als Opfer des ganzen Geschehens.
Gewalt ist nicht schönzureden
Der Westen versucht Russland immer noch zu “retten”, einen Dialog mit den Vernünftigen aufzubauen oder Vermittler zu finden, um diesen Krieg zu “regeln”. Das Problem besteht aber darin, dass all diese Versuche zu viele Menschenleben der Ukraine kosten werden.
Man muss das Wichtigste begreifen: Die russische Herrschaft in der Ukraine ist kein Frieden, das ist kein Machtwechsel oder eine andere Farbe des Staatswappens. Russische Besatzung ist das, was die ganze Welt im März 2022 in Butscha gesehen hat: Gewalt, Folter, Erschießungen und Vergewaltigungen von Zivilisten. Die Waffenlieferung an die Ukraine zu stoppen, wird keinen Weltfrieden bringen. Dies wird nur den ukrainischen Staat zerstören und Russland wird mit seinen imperialen Ansprüchen näher an die europäischen Grenzen rücken. Weißrussland ist ein aussagekräftiges Beispiel dafür. Seit den 90er Jahren wurde Russland nie für seine Aggression gegen souveräne Staaten bestraft. Das ist ein gutes Vorbild für die Diktatoren weltweit, die sich in der Vorstellung verankern, dass Nachbarstaaten anzugreifen, international anerkannte Grenzen zu verletzen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu begehen, eine normale Art des Zusammenlebens ist. Dafür wird keiner zur Verantwortung gezogen werden. Die demokratische Welt kann dem noch vorbeugen. Russland spricht ausschließlich die Sprache der Macht. Zusammen mit dem Westen kann die Ukraine die gleiche Sprache sprechen und dabei das letzte Wort haben.
Es gibt Russen, die nicht nur das russische Regime verurteilen, sondern auch mit Taten die Ukraine unterstützen. Leider ist deren Zahl so gering, dass man von wahrnehmbaren Auswirkungen auf die politische Landschaft in der Russischen Föderation nicht sprechen kann. Es sind auch die Russen zu erwähnen, die auf der Seite die ukrainischen Streitkräfte gegen ihre Landsleute kämpfen. Diesen Bürgern sowie den UkrainerInnen ist jedoch bewusst: Das Beste, was mit Russland passieren kann, ist seine Niederlage. Dazu muss man es nicht nur besiegen, sondern unfähig machen, ein anderes Land anzugreifen.
Maria Karapata ist eine ukrainische Journalistin und Autorin. Sie war vom ersten Tag der Studentenproteste auf dem zentralen Platz Kiews, dem Maidan dabei. Sie Teil der ukrainischen Bürgerbewegung. Als Germanistin spricht sie fließend Deutsch
Links: Oppositionelle entschuldigen ihre russischen Landsleute
Ukraine - eine Nation baut ihren Staat
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