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Muss Alleinsein einsam machen?

Die Altersforschung definiert Einsamkeit als Ursache für Dauerstress. Dieser löst Entzündungen aus, die sich in die innersten Prozesse des Körpers einschleichen. Sie schädigen dort die Adern, das Immunsystem, schwächen die Körperabwehr, so dass der Mensch anfälliger für Bluthochdruck, Infekte, Herzinfarkte und Krebserkrankungen wird.

Alleinsein macht nicht notwendig krank

Diesen physiologischen Zusammenhang legt Dr. Marianne Koch in ihrem Buch „alt werde ich später“ dar. Was kann ich tun, damit das Alleinsein mit dem ich im Alter ja rechnen muss, meinen Körper nicht in den Stress von Einsamkeit bringt. Es hängt wesentlich davon ab, wie ich mich im Leben verstehe, ob es mir schon früh gelingt, mit meiner eigenen Person mein Leben aktiv zu gestalten, meinen „Lebensstand“ mit meinen Fähigkeiten entwickle, mich auch in meinen Beziehungen mit dem, was ich im Leben will, nicht aus dem Blick verliere. Bin ich eine Person mit Eigenstand? Oder delegiere ich mein Wohlbefinden, die Lebendigkeit in meinem Leben an andere. Dann kann es im Alter schwierig werden, wenn ich mehr alleine bin. Es fehlt dann derjenige, der diese Funktion übernimmt. Dann fühle ich mich verlassen, so dass der Stress der Einsamkeit wirkt.  
Ob ich mich, wenn ich alleine bin einsam fühle oder nicht, daran krank werde oder gesund bleibe, hängt maßgeblich von meiner eigenen Einstellung und Interpretation ab. Manche Menschen können nämlich mit dem Alleinsein gut umgehen, ohne an den Folgen von Einsamkeit krank zu werden. Manche suchen sogar zeitweilig die Einsamkeit, um ihre persönlichen Begabungen, Träume, Vorhaben, Interessen überhaupt verwirklichen zu können oder wie Einsiedler und Einsiedlerinnen, die bewusst in die Einsamkeit gehen, um mit Gott zu leben. Sie gehen eine Beziehung mit einem Gegenüber ein, aus der sie Kraft gewinnen. Für andere kann Einsamkeit zu Depression führen, wenn es keine Kontakte gibt und wenn sie ihr eigenes Seelenhaus mit ihren Talenten nicht entwickeln konnten. Dann ist dieses Alleinsein Stress, der Entzündungen auslöst.  

Warum können die einen mit Alleinsein besser umgehen als andere

Wer sich alleine fühlt, aber mit seinem Leben etwas vorhat, wer seinen Alltag mit seinen Begabungen gestaltet, seinen Lebensauftrag verfolgt, spürt in seiner Person Energie, die ihn vor den negativen Auswirkungen der Einsamkeit schützt. Dabei hat die Verwirklichung der eigenen Person einen besonderen Stellenwert, denn ich kann mit meinen Talenten, Kompetenzen etwas tun und mich in Beziehung zu diesem Tun setzen. Das kann durch Schreiben, Musik machen, im Chor singen, sich in einem Ehrenamt engagieren, Enkel betreuen, sich um einen Hund oder eine Katze kümmern möglich werden. Die innere Beteiligung, mich in Beziehung zu dem zu setzen, was ich kann, nimmt mir das Gefühl von Einsamkeit. Ich bin nicht alleine, meine Talente bringen mich nämlich in vielfältige Beziehung. Das wird an dieser Beobachtung deutlich: Einsam kann ich mich auch in der Partnerschaft oder in Gruppen fühlen, wenn ich mich nicht dazugehörig erlebe, wenn zwischen mir und den anderen ein unüberwindbarer Abgrund herrscht, wenn ich nicht ähnliche Wertvorstellungen teile, wenn ich nicht als Person vorkomme.

Entfaltung meiner Freiheit

Das wichtigste, was meiner Person geschenkt ist, ist meine Freiheit. Sie ermöglicht mir und fordert zugleich von mir, meine Begabungen zu entwickeln, meine Talente einzusetzen, meine Persönlichkeit zu entfalten und Beziehungen einzugehen und diese dann auch zu pflegen. Der Einsamkeit im Alter entgehe ich, wenn ich in den verschiedenen Lebensphasen die Herausforderungen meiner Freiheit annehme. Das entscheidet sich oft schon in jungen Jahren, wenn es darum geht, meine Begabungen zu verfolgen.
Bringe ich die Kraft nicht auf, bereits in jungen Jahren meine Begabungen zu entwickeln, die eigene Lebenszeit mit persönlichen Vorhaben zu füllen, erwarte ich ja von anderen, dass sie mir das Leben lebendig machen. Das geschieht oft unbewusst. Nicht selten passiert so etwas in Beziehungen, in denen sich einer scheinbar ganz „selbstlos“ für den anderen „aufopfert“. Oft ist das die Rolle der Frau gewesen, die ihrem Ehemann den Rücken freihielt, damit er seine Karriere verfolgen konnte. Sie selbst war mit Kindererziehung und Haushalt beschäftigt, so dass sie die Möglichkeiten nicht nutzte, auch ihr Eigenes in dieser Zeit zu verfolgen. Ein solches Beziehungs-Arrangement scheint auf den ersten Blick ziemlich engagiert, sozial und uneigennützig zu sein, stellt sich aber auf den zweiten Blick oft ganz anders dar. Das gilt auch für Männer, die außerhalb ihres Berufes keine weiteren Interessen gepflegt haben, aus denen sie die Zufriedenheit im Alter schöpfen können. Opfere ich nämlich meine Lebenszeit nur für die Ziele der anderen oder dem Erfolg des Unternehmens, versäume ich das, was ich in mir auch noch entwickeln sollte, um im Alter mein eigenes Leben lebendig zu halten auch wenn ich alleine zurückbleibe oder aus dem Berufsleben ausgeschieden bin. Es ist das, was mich für die zweite Lebenshälfte zufrieden machen soll und auf das ich mich in meinem Handeln verlassen kann. Da wird auch die Einsamkeit nicht so schnell zuschlagen, denn ich kann aus einem Fundus schöpfen, der mich trägt, mit dem ich etwas tun und mich damit in Beziehung setzen kann. Unerträgliche, krankmachende Einsamkeit ist meist die Spätfolge von nicht genutzter Freiheit, verpasster Chancen schon in jungen Jahren, die eigene Person mit ihren Talenten nicht entwickelt zu haben. In dieser Selbstaufgabe wird das Leben an die anderen delegiert. Da können die Talente im eigenen Seelenhaus zu wenig wachsen. Ich brauche sie aber als Kraft für mein Alter, vor allem, wenn ich alleine bleibe. Es ist allerdings nie zu spät. Auch im Alter kann ich noch meine Vorlieben entdecken und ihnen nachgehen.

Ich darf im Alter noch etwas wollen

Viele genießen das Alleinsein, die Ruhe, die damit verbunden ist. Ich erkenne, dass ich mich aushalten kann, nicht immer etwas tun muss, das ist erst einmal beruhigend. Ich kann spüren, was sich in mir bewegt, weil ich weniger durch Äußeres abgelenkt werde. Die Einflüsse von außen nehmen ab, es geht jetzt darum, mit mir zurecht zu kommen. Es gibt auch schon bei den Jungen viele Singles, nicht nur bei uns Älteren, die mit ihrem Alleinsein gut fertig werden. Alleinsein heißt nämlich nicht automatisch, einsam zu werden, mit all den negativen Folgen. Gegen krankmachende Alterseinsamkeit kann ich schon in jungen Jahren etwas unternehmen, in dem ich Freundschaften pflege, mich in Gemeinschaften einfügen lerne, mich in den Gruppen, in denen ich mich bewege, auch weiterentwickle. Ein sicherer Weg in die Einsamkeit ist allerdings die ständige Kritik oder Nörgelei an dem, was andere machen und auf die Beine stellen.  Wer will schon mit so jemandem seine Ideen und Vorhaben teilen? Einsamkeit überfällt mich im Alter, wenn ich meine Freiheit nicht dazu nutze, um mich mit anderen in Beziehung zu setzen, um mich in meinem sozialen Umfeld in eine Gemeinschaft zu integrieren. Der gesunde, soziale Mensch hat eigentlich in sich die Anlage, auf Gemeinschaft hin zu leben. Auch im Alter kann ich mich noch aufmachen, um Kontakte zu knüpfen.

Neue Wohnform im Alter?

Jeder, der auf das Alter zugeht, kann sich fragen, „Wie will ich wohnen und leben, damit ich nicht durch meine Wohnsituation in die krankmachende Einsamkeit rutsche“. Habe ich eine gute Nachbarschaft, ein soziales Netz in meiner Nähe aufgebaut und muss nicht in den dritten Stock in meine Wohnung ohne Aufzug, kann ich mir überlegen, wohnen zu bleiben und abzuwarten, wie sich das eigene Alter entwickelt. Die Pflegedienste sind rund um die Uhr tätig, so dass ich mit deren Unterstützung von weiteren Haushalts- und Pflegehilfen vielleicht in meiner Wohnung bleiben kann. Da sind dann noch die Freunde in der Nähe, vielleicht auch die Kinder und die Nachbarn, die ab und an vorbeikommen können. Ich kann weiter im Chor singen oder mit anderen musizieren, solange es geht. Das sichert mir zumindest, dass ich nicht ganz einsam werde.
Anders sieht es aus, wenn ich alleine in einem eigenen Haus mit einem vielleicht großen Garten lebe. Da muss ich mich schon aus wirtschaftlichen Gründen fragen, ob ich mich nicht verkleinern will. Ziehe ich um, muss ich mich in ein neues Umfeld integrieren. Das ist nicht so einfach. Da sind vielleicht die Freunde und die Familie nicht so nah, so dass ich damit rechnen muss, häufiger allein zu sein. Für einen Umzug bietet sich deshalb ein betreutes Wohnen an, wo ich leicht neue Menschen kennenlerne, die ich auf kurzen Wegen erreichen kann. Wo ich selbstbestimmt leben kann, kulturell und ärztlich gut versorgt werde, aber auch Platz für meine eigenen Talente, Begabungen und Hobbys finde. Möglicherweise kann ich mich ehrenamtlich in der Gemeinschaft engagieren, oder finde Menschen, die mit mir meine Vorlieben teilen. Prophylaxe gegen krankmachende Einsamkeit.

Mit mir ins Reine kommen

Mit ein paar Fragen kann ich mich vergewissern wo ich stehe:

·       Komme ich mit mir und meinem Alleinsein gut zurecht?

·       Pflege ich meine Kontakte regelmäßig aktiv oder warte ich, bis andere sich melden?

·       Gestalte ich mir meinen Alltag lebendig und teile ihn auch mit anderen?

·       Kann ich am Abend mit Freude auf den Tag blicken?

·       Kann ich mich auch alleine beschäftigen?

·       Habe ich Ideen, Pläne, Perspektiven, was ich noch alles machen will?

·       Bin ich für meine Zufriedenheit auf andere angewiesen?

·       Sollte ich umziehen?

Alle diese Fragen suchen nach Antworten, die mich vor Alterseinsamkeit schützen können. Je mehr ich in meiner Seele Ordnung schaffe, meine Kontakte pflege, mein Leben auch selbst interessant gestalte, in mir ruhen kann, desto anziehender und interessanter werde ich auch für andere.


Kategorie: Verstehen

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