Gerade die Evolutionsbiologie wird verdächtig, die Lehre von Gott als dem Schöpfer nicht zuletzt des Menschen zu untergraben. Einzelne Kirchen lehnen bis heute die Erkenntnisse der Evolutionsbiologie ab. Dabei könnten die Religionen und ihre Theologen aus der eigenen Geschichte lernen, dass Religion sich so grundlegend geändert hat, dass die Weltreligionen ganz anders von Gott denken als ihre Vorläufer. Statt der vielen Götter gehen die Religionen in unserem Kulturkreis davon aus, dass es nur einen Gott gibt. Das bereits seit 2.500 Jahren
Die heutigen Hochreligionen gehen auf eine Achsenzeit vor 2.500 Jahren zurück.
Um 500 vor Chr. Wurden die bisherigen Vorstellungen von den Göttern überwunden und es setze sich die Überzeugung durch, dass es nur einen Gott geben kann. Im Alten Testament, der Bibel der Juden, lassen sich die Entwicklungen nachverfolgen. Sie sind in ähnlicher Weise in der indischen und chinesischen Kultur verlaufen. In Griechenland hat die Philosophie die Götterburg auf dem Olympgebirge abgeschafft und ist denkend zum Monotheismus gekommen. Vorher wurden mehrere Götter, unter ihnen ein Obergott verehrt. Ihr verherung versprach, dass die Felder Frucht bringen und die eigene Streitmacht siegreich nach Hause zurückkehren würde. Jahwe, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs wird in den frühen Textschichten auch als Kriegsgott gezeichnet. Baal, zu dem die Nachkommen Abrahams "überlaufen", garantierte Regen und Fruchtbarkeit. Das zeigt eine wesentliche Enge der frühen Vorstellungen: die Gottheiten wurden so wie die Herrscherhäuser gedacht, sie waren nur für ein bestimmtes Territorium zuständig. Wenn man das Territorium wechselte, musste man die Götter des neuen Aufenthaltsortes verehren. Das führte noch im Römischen Reich zu Christenverfolgungen. Jeder musste nämlich der Siegesgöttin opfern, später vor der Statue des als Gott verehrten Kaisers. Wer das verweigerte, stellte sich gegen das Wohlergehen des Staates. Welche Götter man sonst verehrte, war dem Einzelnen überlassen. Weil die Christen sich weigerten, galten sie als Staatsfeinde. Als 410 die Westgoten Rom plünderten, wurden die Christen dafür mit dem Argument verantwortlich gemacht, dass wegen ihres Glaubensabfalls die römischen Götter der Stadt ihren Schutz entzogen Religion ist nicht gleich Religion, auch heute noch. Das zeigt, dass sie weitgehend aus von Menschen gemachten Vorstellungen und Riten besteht. Hätten. Augustinus hat als Gegenposition in seinem mehrbändigen Werk “Der Gottesstaat“ aufgezeigt, wie in der römischen Geschichte immer wieder gegen die Vorgaben der Götter gehandelt wurde. Als das Christentum von immer mehr Frauen und dann von ihren Männern übernommen wurde und die Ehen der Christen sich als sehr viel stabiler zeigten, wurde diese aus dem Judentum kommende Bewegung von den verschiedenen, im Römischen Reich praktizierten Religionen als staatstragend erkannt, so dass Kaiser Konstantin 313 das Christentum anerkannte und Kaiser Theodosius es 391 zur Staatsreligion erklärte.
Die enge Verbindung mit den Herrschern
Damit geriet es bis heute in die Hände der Politik. Im Krieg gegen die Ukraine hat der Moskauer Patriarch den Angriff Russlands als Kampf gegen das Böse und Befreiung der Gläubigen aus der Herrschaft von Nazis erklärt. Ähnlich haben Verehrer des gleichen Gottes im Ersten Weltkrieg die Waffen der Franzosen wie der Deutschen gesegnet. Zwar folgt die große Mehrheit der Christen dieser Vereinnahmung Gottes für den Sieg der eigenen Militärmacht nicht mehr. Die Anhänger des Islam sind nicht so weit in ihrem Verständnis. Schiiten und Sunniten, die zwei großen Konfessionen des Islam, führen seit über 30 Jahren Krieg um die Vorherrschaft im Nahen Osten. In ihren Konfessionskriegen am Beginn der Neuzeit haben die Christen ihre Religion ruiniert. Der Moskauer Patriarch wie die Befürworte eines militärischen Dschihad zeigen, das die Religion noch viel Evolution braucht. Die Entwicklung der Religion zeigt überdeutlich, dass sie weitgehend aus von Menschen gemachten Vorstellungen und Riten besteht. Auch ist das Territorialprinzip, also dass eine Religion in einem bestimmten Territorium die Staatsmacht stabilisiert und die Herrschaft eines Fürstengeschlechts oder wie in Russland eines Diktators stützt, immer noch nicht überwunden. Die Religion braucht einen Entwicklungssprung wie zur Achsenzeit, um die Konsequenzen aus dem Monotheismus zu ziehen, nämlich dass Gott der Vater aller Menschen ist und daher nicht von einer Kreispartei vereinnahmt werden kann.
Die Vorstellung einer jenseitigen, transzendenten Welt
Erstaunlich ist, dass in verschiedenen Kulturen unabhängig die Sphäre Gottes von den irdischen Gegebenheiten getrennt wurden. In der griechischen Mythologie wurden die Götter auf einem Berg, dem Olymp situiert. Bei Sokrates und Platon können wir die jenseitige, die uns überschreitende, die transzendente nur noch durch ihren Schatten erahnen. Der Monotheismus in der jüdischen Bibel geht auf Kreise in Babylonien zurück. Nebukadnezar hatte 587 v.Chr. den Tempel, die Wohnstadt Jahwes, zerstört und die Oberschicht deportiert. Sollten die gläubigen Juden jetzt den babylonischen Marduk verehren oder bei ihrem Glauben bleiben? Viele haben nicht nur ihren Glauben behalten, sondern sind geblieben, weil sie dort ihren Gott ebenso verehren könnten. Im Buch Daniel wird in der Erzählung von den „Drei Jünglingen im Feuerofen“ berichtet, dass sogar Nebukadnezar erkennt, dass der Gott dieser jungen Männer der einzig wahre Gott ist. Der Traum Nebukadnezar von der Figur mit den tönernen Füßen wird von Daniel so erklärt, dass Gott bestimmt, wie die Herrschaft weitergeht und dass der König seine Herrschaft von diesem einen Gott hat.
In Indien entwickelt sich nicht die Vorstellung eines persönlichen Gottes, sondern Brahman, die allesgestaltende Größe umfasst die Welt des Menschen. In China ruft das Tao den Menschen in die geistige Sphäre und teilt sich von daher auch mit. Im Judentum entwickelt sich die Vorstellung der Weisheit, die zwischen Gott und dem Menschen vermittelt. Sie kann im Menschen wohnen. Mit dem Monotheismus kommt auch eine entschiedenere Ethik ins Bewusstsein, der oberste Gott steht für Gerechtigkeit und die sittliche Ordnung. Der Ursprung und damit auch ihre Geltungskraft wird, wie auch in anderen Weltreligionen, bei Gott gesehen. Das macht den Monotheismus in vielen kleinen Schritten unabhängig von dem Geltungsanspruch politischer Herrschaft. „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“ ist ein großer evolutiver Fortschritt, der eine Religion braucht, die nicht bedingungslos der Staatsmacht huldigt. Insofern ist das Moskauer Patriarchat in eine religiöse Welt zurückgefallen, wie sie vor der Achsenzeit noch möglich war.
Die politische Dimension des Monotheismus
Monotheismus ist aber nicht nur eine Relativierung von Herrschaft, er kann auch Herrschaft legitimieren. Unsere germanischen Vorfahren sind nicht zuletzt deshalb Christen geworden, weil der christliche Gott nicht an einen Ort gebunden ist. Sachsen wie Slawen hatten mehre Kultstätten, kein von ihnen konnte die anderen integrieren. Für ein größeres Reich gab es keine Alternative zum Monotheismus, da zudem das Christentum die Schrift mitbrache, ohne die das Reich Karls d.Gr. nicht regiert werden kotenn. Der Monotheismus war es allerdings nicht allein, der die Germanen überzeugt. Es war auch die strahlende Person des von den Toten auferstandenen Christus. Der überzeugt die Germanen deshalb, weil sie eine pessimistische Weltsicht hatten, in der die Götter nur schwach waren und nach der isländischen Edda von den Riesen besiegt werden.
Die Religion muss sich weiter entwickeln
Der kurze Überblick und noch deutlicher das Moskauer Patriarchat im Krieg Russlands gegen die Ukraine zeigen, dass auch der Monotheismus viel Evolution vor sich hat. Dies gilt nicht nur für die soziale Gestalt der Religion, sondern auch für die Vorstellungen von Gott. Diese steht vor einer ähnlichen Herausforderung wie die antiken Religionen gegenüber Platon und den jüdischen Propheten. Das Weltbild, das die Naturwissenschaften durch ihre Erkenntnisse heute entwerfen können, verlangt nach anderen Vorstellungen von Gott. Es ist nicht zufällig, dass seit Galilei die Religion sich durch die Erkenntnisse der Naturwissenschaften infrage gestellt sieht. Es ist zu zeigen, dass sich die Religion ändern, nämlich entwickeln muss. Das aus ihrem eigenen Verständnis. Wenn Gott, so die christliche Überzeugung seit Paulus, aus seinen Werken erkannt werden kann, dann sind Urknall, die Ausdehnung des Weltalls und die Evolution die Themen, die die Religion aus ihrer Stagnation befreien können. Dafür braucht sie eine Theologie, die die biblische Botschaft mit dem heutigen Weltbild neu in Beziehung setzt. Warum Menschen mit dem Gott, der von den Kanzeln verkündet wird, nicht mehr zurechtkommen, ist Thema eines nächsten Beitrages.
Links:
Wolfgang Schreiner deutet die Auferstehung als Evolutionsschritt der Religion: Die Evolutionskomponente der Auferstehung
Weitere Beiträge zu Evolution und Religion sind zusammengestellt bei Evolutions-Theologie
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