Foto: Susan Cipriano

Entscheidungen für die letzte Lebensphase

Älter werden entbindet nicht davon Entscheidungen zu treffen. Regelungen für den Ernstfall von Pflegedürftigkeit und Zugehen auf den Tod gehören zu einem selbstbestimmten Leben. Jutta Mügge erläutert, wie dieses sensible Thema mit konkreten Fragen angegangen werden kann.

Ich bin alleine

Wer alleine lebt, muss auch alleine entscheiden. Jede Entscheidung hat Konsequenzen, die ich selbst tragen muss. Die Entscheidung, wie ich im Alter leben will ist weitreichend und will gut überlegt sein. Alleinlebende hören öfter von Paaren: “Du hast es ja viel einfacher, du musst dich mit niemandem abstimmen.“ „Du bist ja nur für dich verantwortlich.“ Das mag auf der einen Seite stimmen, andererseits liegt die ganze Last der Entscheidung wie deren Konsequenzen allein auf den Schultern eines Einzelnen.
Als Alleinlebende brauche ich, wie Paare auch, das Pro und Contra, wenn es darum geht ein Problem zu lösen. Nur so kann ich eine nachhaltige, tragfähige Entscheidung treffen. Mit meinen Kindern oder Freunden kann ich Probleme durchsprechen, mir die verschiedenen Sichtweisen anhören, aber letztendlich muss ich alleine entscheiden. Denn ich muss ja auch für die Entscheidung hin stehen. Ich muss sie wollen und bereit sein, die Konsequenzen zu tragen, selbst wenn ich besser anders entschieden hätte. Es ist mein Leben. Niemand trägt die Verantwortung für meine Entscheidung mit. Warum soll das einfacher sein als für Menschen, die in einer Partnerschaft leben?

Entscheiden in einer Paarbeziehung

In einer Partnerschaft trägt auch jeder selbst die Verantwortung für die getroffene Entscheidung. Er, sie treffen aber diese mit dem Blick auf den anderen. Ich muss den Partner in meine Entscheidung mit einbeziehen. Gehen Entscheidungen beide an, ist es unumgänglich mit dem anderen zu überlegen, denn er muss ja die Entscheidung mitverantworten. Auch bei den Entscheidungen, die für das Leben im Alter anstehen, sind gemeinsame Lösungen notwendig. Eine besonders heikle Frage erfordert Gespräche und dann eine Entscheidung, nämlich wie sich jeder in der Partnerschaft das Älterwerden vorstellt. Dazu gehört auch eine Antwort auf die Frage, was mit dem geschieht, der alleine zurück bleibt? Was muss von dem Paar entschieden werden, damit die Vorstellungen auch realisiert werden? Welche Kompromisse müssen wir schließen?

Mut zum Gespräch

Es ist nicht leicht, aus dem aktiven Leben heraus die letzte Lebensphase miteinander ins Wort zu bringen. Über das Altwerden und das Sterben, das am Ende steht, spricht es sich nicht so leicht. Denn dieses Thema ist angstbesetzt. „Es lebt sich doch gerade ganz gut, weshalb muss ich mich dann mit Gedanken belasten, wenn ich nicht mehr so gut dran bin? Dafür haben wir immer noch Zeit.“
Es lauert eine Art magische Angst, dass das Lebensende, wenn es so deutlich in die Sprache gebracht wird, schneller eintreten könnte. Aber machen wir uns nichts vor,  „Gevatter Tod“ steht ja irgendwann „vor jeder Tür“. Wir haben es nicht in der Hand, wann das sein wird. Deshalb ist es nie zu früh, sich darüber Gedanken zu machen. Das Gespräch darüber soll ja nicht davon abhalten, weiter aktiv, lebensfroh, interessiert und miteinander das Leben zu gestalten, sondern mehr dazu beitragen, selbstbestimmt und gelassener in die letzte Phase des Alters zu gehen. Ich treffe die Entscheidung besser in einer Lebensphase, in der ich noch über alle meine geistigen Kräfte verfüge. Dann spüre ich auch Entlastung, weil alles geregelt ist,  was es zu regeln gilt. Das trifft nicht nur auf Alleinlebende zu, denn irgendwann bleibt auch in einer Paarbeziehung einer alleine zurück. Deshalb ist es hilfreich zu überlegen, was sollten wir jetzt schon gemeinsam entscheiden? Was will auch ich jetzt selbst entscheiden, falls ich alleine zurück bleibe? Ich muss dann nicht irgendwann die Entscheidung anderen überlassen und damit meine Selbstbestimmung aufgeben.
Die Paare, die sich über diese Fragen austauschen treffen auf folgende Themen:

Ich möchte in meiner Wohnung oder im Haus bleiben.

Viele Männer gehen davon aus, dass sie sowieso zuerst sterben und für sie das Problem, wie sie im Alter versorgt werden, überhaupt nicht brennend ist. Deshalb, so eine häufige Reaktion, brauchen sie eigentlich nicht darüber zu reden. In der Wohnung oder im Haus bleiben, ist aber nur für denjenigen die angenehmere Variante, der zuerst gehen muss, weil da ja noch jemand ist, der sich kümmert. Aber irgendwann bleibt einer von beiden alleine zurück. Ob Mann oder Frau. Derjenige, der alleine bleibt, ist inzwischen auch älter geworden und muss oft gegen Ängste ankämpfen, sich auf ein neues Umfeld einzustellen. Deshalb kann die Frage nicht ausgespart werden, wie derjenige, der zurück bleibt, sein Leben weiter selbstbestimmt führen will.

Was müssen wir regeln?

Wenn jeder selbstbestimmt auch die letzte Lebensphase durchleben will, braucht auch jeder eine Patientenverfügung, in der ich meine Wünsche klar formuliere und über die ich auch mit meinem Partner spreche, damit er oder sie im Ernstfall in meinem Sinne handeln kann. Dem Partner, der Partnerin oder den Kindern die Entscheidung zu überlassen, was mit mir geschieht, wenn ich Pflegefall werde, ist nicht zumutbar. Ich bleibe, auch wenn mich die geistigen Kräfte verlassen, für mich verantwortlich.
Darüber hinaus brauche ich auch für den Fall, dass ich nicht mehr selbst über mich bestimmen kann, jemanden, der das für mich übernimmt. Mit einem Betreuungsvertrag setze ich eine Person meines Vertrauens ein, die für mich in dieser Notsituation handelt. Wenn der Partner nicht mehr so belastbar ist, können Kinder, wenn sie einverstanden sind, diese Aufgabe übernehmen.
Wenn ich etwas zu vererben habe, dann ist es für die Erben wichtig, dass ich ein Testament aufsetze das verhindert, dass es Erbstreitigkeiten gibt. Wenn ich da unsicher bin kann ich mir notariellen Rat holen.

Wer räumt das Haus aus?

Paare, die bereits lange in einer Wohnung oder in einem Haus zusammenleben, wissen, wie  viel Sachen sich da ansammeln, die keiner mehr braucht. Ehe ich sage: „nach mir die Sintflut“ muss ich mir klar machen, dass das Ausräumen den betrifft, der übrig bleibt. Er muss es dann alleine stemmen, obwohl wir das jetzt noch zu zweit könnten. Wenn wir es nicht machen, warum sollen es dann die Kinder machen? Ist es nicht viel fruchtbarer, sich gemeinsam um das zu kümmern, wovon man Abschied nehmen kann? Das ist auch schon Einüben in das Loslassen, das im Sterben dann konkret wird. Gemeinsames Aufräumen entlastet, hinterlässt den Kindern nicht einen „Haufen Schrott“, den sie entsorgen müssen. Wenn Paare früh genug damit beginnen, ist der Kraftakt, den diese Aufräumaktion benötigt noch zu bewältigen. Außerdem ist es eine schöne gemeinsame Aufgabe, bei der gute Gespräche über das bisherige Leben stattfinden können. Auch das ist eine Vorbereitung auf die Zeit, wenn einem der Partner von der Seite genommen wird.

7 Jahre dauert der Trauerprozess

Wer allein zurück bleibt erfährt erst einmal einen herben Verlust, fühlt sich meist hilflos und alleine gelassen. Viele erleben diese Situation als nur „Halbsein“, die andere Seite fehlt. Bei allem, was ich mit dem anderen geteilt habe, erlebe ich seine oder ihre Abwesenheit. Sieben Jahre, so viele Erfahrungen, dauert der Prozess, bis ich mich wieder „ganz fühlen, auf eigenen Füssen stehen, wieder autark handeln kann“. Wenn es gelingt, darüber ein gutes Gespräch zu führen, dann sind die Ängste gebändigt, die häufig diese Gespräche verhindern.

Ich hoffe, dass dieser Artikel so aufgebaut ist, dass Paare sich angstfreier über ihre letzte Lebensphase unterhalten können, um so gemeinsam gute Entscheidungen zu treffen. Die Fragen können das Gespräch erleichtern.


Kategorie: Verstehen

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