Die Fähre ist an eine Kette gelegt,das Schiff ist freier, am beweglichsten sind die Padler Foto: hinsehen.net E.B.

Der größte Feind meiner Freiheit bin ich selbst

Das Grundgesetz garantiert meine Freiheit. Ich kann frei wählen, meinen Beruf aussuchen, meine Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft selbst bestimmen. Ich entscheide selbst, mit welchem Partner ich mein Leben verbringen will. Das sind alles Möglichkeiten der Freiheit. Jedoch werden sie erst Realität, wenn ich selbst frei handle.

Ich kann mein Leben in großer Freiheit selbst bestimmen und gestalten. Jedoch die Möglichkeiten meiner Selbstbestimmung scheinen begrenzt zu sein, denn manchmal fühle ich mich eingeengt, komme in Vielem nicht voran. Dann muss ich mir meine Freiheit abringen und stoße damit an meinen Charakter. Um die Grenzen, die mir nicht von außen, sondern von mir selbst gesetzt werden, geht es im Folgenden.

Eine alte Charakterologie

Wir sind in unserem Charakter verschieden, weshalb wir uns auch in unterschiedlicher Weise einengen. Allerdings sind die Varianten nicht so zahlreich. Das Enneagramm zeigt die neun Hauptmuster. Es hilft mir seit Jahren, die innere Unfreiheit in jedem Charakter-Muster zu verstehen. Das Verstehen ist deshalb hilfreicher als bei anderen Charakterologien, weil die Engführung eines Musters jeweils als die Rückseite seiner Stärke erklärt wird. Im Namen „Enneagramm“ steckt die griechische Bezeichnung für die Neun.  Jeder von uns hat von allen neun Mustern zwar etwas in seinem Charakter ausgebildet, aber einen dieser Schwerpunkte mehr entwickelt als die anderen. Dieser Charakterzug bestimmt dann auch meine Sicht auf die Welt, mein Handeln, meine Möglichkeiten. Die Mischung der verschiedenen Muster, wie Patchwork in meiner Person, sowie der mich dominierende Charakterzug machen mich zu einem einzigartigen, unvergleichlichen Menschen, weil es diese Mischung nicht ein zweites Mal gibt. Diesen einzigartigen Charakter bilde ich in den ersten dreißig Jahren meines Lebens aus, der genetische Anlagen, Erziehung und vor allem Kindheitserfahrungen zu einer Synthese bringt. Jedes Charaktermuster ist geprägt durch eine besondere Qualität, die der einzigartigen Stärke des Charakters ein Gesicht geben.

Stärken haben auch eine Kehrseite

Meine Stärken sind meine Talente, mein besonderer Blick auf die Welt, meine Möglichkeiten, mit denen ich agiere, meine Kreativität, mit der ich gestalte. Aber wie jede Medaille eine Kehrseite hat, so hat auch mein Charaktermuster eine Schattenseite, die mich verwundbar macht. In der Mythologie findet sich diese Tatsache symbolisch dargestellt an der Achillesferse oder der einen Stelle an der Schulter Siegfrieds, an der er verwundbar ist. Dieser wunde Punkt tut eigentlich immer weh, wir spüren den Schmerz aber nur dann, wenn wieder einmal ein Pfeil dort gelandet ist.
Das passiert, wenn ich andere vor den Kopf stoße, übergriffig bin, zu streng auf Fehler reagiere oder weil ich zu angepasst bin, das Leben nicht ernst genug nehme, zu lange brauche, um fertig zu werden, andere übergehe, nicht das mache, was ich eigentlich tun wollte/sollte oder im Selbstmitleid ertrinke. Auf mein Verhalten gibt es deshalb auch Reaktionen von anderen und ich spüre selbst, dass da etwas unrund in mir läuft. Das schränkt meine Handlungsmöglichkeiten ein. Ich spüre, dass ich nicht entscheidungs- und handlungsfähig bin. Dann fühle ich mich in meiner Seele eng, eingegrenzt, ausgegrenzt, verletzt, manchmal auch hilflos, traurig oder wütend. Ich bin nicht frei. Ich kann mich zwar darüber hinwegsetzen oder so tun, als ob ich die Eingrenzung nicht spüre, aber wegzaubern kann ich sie damit nicht. Ich weiß genau, dass meine Schwachstelle, wenn ich sie nicht in den Blick nehme, bleibt. Ich werde immer wieder damit konfrontiert. Will ich versöhnter mit meiner schwachen Seite leben, um mich als Person auch weiter zu entwickeln, brauche ich den Willen, sie auch anzuschauen.

Was kann ich tun, damit mein Freiheitspotential wächst?

Jedes Muster im Enneagramm hat seinen eigenen Weg, wie es zu mehr innerer Größe und damit auch zu mehr Ausgeglichenheit und innerer Freiheit, vielleicht auch Weisheit gelangt. Es braucht dafür als erstes, dass ich meine Schattenseite erkenne und ernst nehme. Denn wenn ich Licht darauf lenke, hole ich sie aus ihrem Versteck, so dass sie nicht mehr ohne meine Einwilligung agieren kann. Oft ist sie aber auch unser blinder Fleck, so dass wir die Unterstützung anderer benötigen, um sie zu erkennen. Denn erst wenn ich weiß, womit ich mir oft selbst ein Bein stelle, mit dem ich mir meine Freiheit eingrenze, kann ich mit meiner schwachen Seite besser umgehen. Dieser erste Schritt ist deshalb notwendig, damit ich überhaupt weiß, von welcher Schattenseite mein Charaktermuster geprägt wird. Beruhigend ist übrigens, dass niemand davon verschont ist. Jeder hat mit seinem Schatten zu kämpfen. Ebenso beruhigend ist die Beobachtung, dass ich immer in das gleiche Muster falle und daher nur eine Schwachstelle im Auge behalten muss. Damit ich mich in meinem Charaktermuster weiterentwickeln kann, bietet das Enneagramm ausreichend Orientierung.

Individuelle Möglichkeiten zu mehr innerer Freiheit

Im Enneagramm gibt es Integrationslinien, die mich auf den Weg aufmerksam machen der für mein Charaktermuster heilend ist. Ich kann mehr innere Freiheit spüren, wenn ich die Stolpersteine in meinem Charakter bearbeite. Für alle Muster gilt nämlich, je mehr ich meine Energie in die Verstärkung meiner Stärke investiere, desto mehr verschärfe ich meine Kehrseite, deshalb braucht mein Charakter die Aufmerksamkeit für meinen Schatten. Ich werde meine Schattenseite aber nie ganz los, weil sie zu mir und meinem Muster gehört. Sie hat mich schließlich all die Jahre begleitet, da kann ich nicht erwarten, dass sie sich von selbst verabschiedet. Aber ich kann aufmerksamer sein. Ich kann lernen, die Füße zu heben, damit die schwierigen Seiten an mir etwas geschmeidiger und damit erträglicher werden. Das sieht in den Grundlinien so aus:

Als Perfektionist/in, achte ich darauf, dass alles möglichst richtig „läuft“. Ich bin ziemlich korrekt, meist auch effektiv. Ich begrenze aber meine innere Freiheit, wenn ich meine Gabe, Fehler schnell zu erkennen, immer mehr perfektioniere. Ich werde streng, zornig, mir und anderen gegenüber unnachgiebig. Ich habe die Chance, aus meinem inneren Gefängnis die Türe zu öffnen, wenn ich mehr Nachsicht, Wohlwollen, etwas mehr Gnade mit meinen wie mit fremden Fehlern walten lasse. Ich könnte das Leben mit einer Prise Leichtigkeit würzen.

Als Helfer/in, erkenne ich, wer in Not ist und Hilfe braucht. Ich bin innerlich bereit, anderen etwas Gutes zu tun. Daher ist meine Aufmerksamkeit fast immer auf die anderen gerichtet. Dabei gehe ich mir schon mal selbst verloren. Mit meiner Aufmerksamkeit auf andere ist aber auch verbunden, dass ich für meine Zuwendungen Bestätigung suche. Weil ich sie dringend brauche, schieße ich auch schon mal öfter über das Ziel hinaus, betreibe Überversorgung und werde dann als übergriffig erlebt. Zuviel des Guten, mit dem ich mich unentbehrlich mache. Da ich den Blick mehr auf die anderen habe als auf mich richte, verliere ich den Zugang zu meiner eigenen Hilfsbedürftigkeit. Es ist der Stolz, der mich hindert, meine eigene Ohnmacht wahrzunehmen. Ich muss meine Scham, selbst auch hilfsbedürftig zu sein, überwinden. Mein Charaktermuster braucht deshalb tragfähige Beziehungen, die mir die Sicherheit bieten, dass ich auch ohne Hilfsangebote gemocht bin. Außerdem helfen mir stille Zeiten, in denen ich mich mit meiner Seele, meinem Befinden beschäftigen und erkennen kann, dass auch in mir viel Lebendiges wohnt, das betreut werden will. Ich bin dann nicht so abhängig von außen. Erst dann bin ich frei, mir auch bei anderen das zu holen, was ich selbst nicht habe.

Als Erfolgreiche/r, habe ich ein gutes Gespür für erfolgsversprechende Aktionen. Ich kann mich gut in andere hineindenken, suche mir die Menschen aus, mit denen Erfolg auch möglich wird. Spüre ich, dass das Rennpferd doch kein Sieger wird, steige ich aus dem Steigbügel und setze mich auf ein anderes Pferd. Ich bin da etwas sprunghaft. Mich macht unfrei, dass ich mich ständig unter Erfolgsdruck fühle. Wenn ich nicht mehr nur auf Erfolg setze, sondern andere Werte wie Treue, Verbindlichkeit, Zuverlässigkeit in meinem Leben integriere, kann ich freier atmen, weil ich nicht mehr Einzelkämpfer, sondern mit anderen gemeinsam auf dem Weg bin. Es geht dann nicht mehr nur um meinen Erfolg, sondern um den des Teams.

Als Besondere/r fühle ich mich schon immer anders als andere. Irgendwie passe ich nicht so richtig in diese Welt. Ich kreise viel um mich und mein Dasein. Ich bin sehr sensibel, künstlerisch begabt oder auch für therapeutische Berufe gut disponiert. Mein Lebensgefühl ist „zu kurz gekommen“, nicht richtig angekommen zu sein. Deshalb träume ich mich auch gerne in eine andere, schönere Welt. Meine Achillesferse ist die Realität, der ich mich ungern zuwende, weil ich sie für so gewöhnlich erlebe. Ich muss meinen Neid auf Gelingen bei anderen überwinden, um mich der Realität zu stellen. Damit könnte ich mir mehr Freiheitsspielräume erobern, die mich auch aus meiner Phantasiewelt in die Realität holen.

Als Wissende/r bin ich ein Bücherwurm, eher wissenschaftlich orientiert, vertiefe mich gerne in Fachgebiete. Obwohl ich mich meist intensiver informiert habe als andere, brauche ich meist lange, bis ich einen Text oder eine Aufgabe abschließen oder gar einen Artikel veröffentlichen kann. Mich leitet die Befürchtung, dass es noch etwas gibt, das mir entgangen ist, aber für die Aufgabe, den Bericht, den Beitrag unbedingt berücksichtigt werden muss. Es darf nicht defizitär sein. Ich bin oft sehr unter Druck, weil ich Abgabetermine nur schwer einhalten kann. Auch verkompliziere ich manches, weil mein Charaktermuster mich kleinlich werden lässt. Mein Freiheitsgewinn besteht darin, mit meinem Potential an Wissen rechtzeitig ins Tun zu kommen. Dafür muss ich aber nachsichtiger mit meinem Drang zur Vollständigkeit umgehen, meinen Geiz überwinden, um großzügiger mein Wissen abgeben zu können, auch wenn ich noch nicht alles perfekt habe. Das reduziert auch den Zeitdruck, der mir sonst immer im Nacken steht.

Als Loyale/r bin ich eine treue Seele, gerne bereit, in der zweiten Reihe zu agieren, für andere Aufträge zu erledigen, solange sie integer sind. Ich komme mit vielen Menschen ganz gut aus. Ich bin bescheiden und traue mich daher oft nicht, Ansprüche zu stellen. Mein Stolperstein, mit dem ich mir meinen Freiheitsspielraum eingrenze, ist die Angst. Mir fehlt manchmal der Mut, mit meinem soliden Know how offensiver umzugehen. Wenn ich meinen Kompetenzen mehr zutraue, den Mut entwickle, auch für die Konsequenzen meines Tuns einzustehen, kann ich meine Begrenzungen sprengen.

Als Unterhaltsame/r kann ich dem Leben viel Genuss abgewinnen. Deshalb ist es mir wichtig, meinem Alltag möglichst viele schöne Dinge abzuringen. Ich lache viel und gerne, mein Leben soll lustvoll sein. Manchmal bin ich auch ein bisschen oberflächlich, weil es mir wenig Spaß macht, mich mit etwas intensiver zu beschäftigen und dann auch dran zu bleiben. Das ist mir oft zu anstrengend und zu wenig lustbetont. Manchmal führt das dazu, dass ich Dinge einfach abbreche. Traurige oder aggressive Situationen meide ich lieber, weil ich mich mit negativen Emotionen nicht belasten will. Andere mögen mich gerne, weil man mit mir viel Spaß haben kann. Ich fühle mich eigentlich selten unfrei, weil ich einfach das tue, was gerade schön ist. Doch merke ich auch, dass Dinge mir nachgehen, wenn ich sie liegen gelassen habe. Ich spüre auch, dass ich manchmal mit meiner Witzelei Leute nerve. Ich brauche mehr ernsthaftes Engagement und Ausdauer, damit ich dranbleibe, wenn es schwierig wird. Mein Freiheitserleben hängt ja auch davon ab, ob ich mit dem, was ich tue, auch Erfolg habe.

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Als Einflussreiche/r geht es mir darum, viel zu bewegen, mich dabei unabhängig zu fühlen, Prozesse in Gang zu setzen. Nicht alles, was ich anstoße, bringe ich auch zu Ende, weil ich oft schon neue Ideen habe, die mich dazu verführen, dass ich viel mehr Projekte am Laufen halte als ich bewältigen kann. Ich bin ein Macher. Meine innere Enge spüre ich, wenn Projekte nicht weitergehen, wenn Vorbehalte anderer unnötig viel Zeit rauben, wenn der Zug auf der Strecke stehen bleibt. Freier kann ich mich fühlen, wenn ich nicht nur den Focus auf die Projekte lenke, sondern darauf, dass die Menschen, mit denen die Projekte zum Erfolg geführt werden sollen, auch mitmachen, in den Zug einsteigen. Dafür brauchen sie aber Transparenz und Fürsorge.

Als Friedfertige/r agiere ich gerne in einem Umfeld, in dem nicht so viel Hektik herrscht. Ich bin selbst ziemlich langsam, weil ich mich nicht hetzen lassen will. Mir ist es ein Anliegen, dass es um mich herum emotional möglichst ausgeglichen zugeht. Deshalb trage ich nicht aktiv dazu bei, dass Auseinandersetzungen entstehen. Ich bin eher der ruhige, friedfertige Vertreter. Im normalen Alltag spüre ich meine Unfreiheit nicht. Ich merke aber, dass ich Schwierigkeiten nicht früh genug erkenne, viel zu lange warte, bis ich reagiere, weshalb sie mich dann irgendwann massiv einholen. Ich erkenne zu spät, was sich um mich herum zusammenbraut. Wenn es dann turbulent wird, fühle ich mich ziemlich gefangen. Ich bin plötzlich in heftige Auseinandersetzungen und massive Kritik involviert, ohne es bemerkt zu haben. Ich muss meine Trägheit überwinden, damit ich früh genug entdecke, was um mich herum geschieht.

 

Je besser ich mich in meinem Charakter auskenne, desto größer ist die Chance meine Achillesferse zu heilen, neue Fähigkeiten zu entwickeln, die mir mit jedem Schritt immer mehr innere Freiheit gewähren.

Zu dem Entwicklungspotential, das jedes Charakter-Muster eröffnet:
Charaktermuster- ihre Stärken ihre Entwicklungschancen

Freiheit ist in usnerenCharkter eingesperrt, zugleich ist sie weltweit bestimmend, denn vom Menshcne hängt es ab,welche Lebeweseneine Zukunft haben udn ob der Klimakollaps abgewendet werden kann:
Die Freiheit ist global geworden

Überblick, wie jedes Charakter-Muster seinen Freiheitsspielraum vergrößern kann: worauf das einzelne Muster achten kann.


Kategorie: Verstehen

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