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Alter: Woran merke ich, dass ich umziehen muss?

Wer umzieht, hat einen Grund. Auch fordert ein Umzug, sich auf Neues einzustellen. Für junge Menschen hat umziehen oft etwas Lustvolles, einen großen Reiz, neue Möglichkeiten aufzuschließen. Im Alter noch einmal umzuziehen, fühlt sich nicht so locker an. Da braucht es Mut, Überwindung der unterschwelligen Angst, aber auch Offenheit für neue Menschen.

Ein Umzug ist immer ein Akt. Ich muss die Beziehungen zu Nachbarn und Bekannten loslassen, liebgewordene Plätze in meinem Umfeld gehen mir verloren, die Wege, die mir vertraut sind, lasse ich zurück. Das Neue, das auf mich zukommt, ist mir meist noch fremd und kann mich ängstigen. Ich fühle mich unsicher, denn es gehen mir viele Fragen durch den Kopf. Werden mich die neuen Nachbarn wohlwollend aufnehmen? Finde ich Anschluss an andere, werde ich mich in dem neuen Stadtteil wohlfühlen? Wird mir das Umfeld gefallen? Viele Unsicherheiten begleiten uns bei einem Umzug.

Vertrautes hinter sich lassen

Die Wohnung, das Haus ist mir so vertraut geworden. Ich fühle mich darin sicher, aufgehoben, beheimatet. Ich kenne alle Wege. Fühle mich mit den Menschen um mich herum verbunden. Mit dem Auto kann ich mich in dem mir bekannten Umfeld noch gut bewegen, aber bei Dunkelheit fällt das Fahren immer schwerer. Wie ist das dann erst in einer fremden Umgebung?

„Ein Umzug ist für mich wie ein Berg. Alle Räume im Haus oder der Wohnung müssen ja ausgeräumt werden. Da hat sich im Leben so viel Persönliches angesammelt. Mein ganzes Leben ist darin zu Hause. Ich will auch meinen Garten nicht aufgeben, in dem ich immer etwas zu tun habe. Ich weiß auch nicht, wovon ich mich trennen will. Ich überlasse das lieber den Kindern, die können das machen, wenn ich die Augen zugemacht habe. Die sagen sowieso: 80% kommt in die Tonne.“

Wenn ich mich so konditioniere, wird mir mein Haus oder meine Wohnung als der Ort der Geborgenheit immer wichtiger. Da bin ich zu Hause, da habe ich das Sagen, da kenne ich mich aus und habe alles, was ich brauche. Ich habe da auch immer etwas zu tun. Für Aktivitäten außerhalb ist dann manchmal Überwindung notwendig. Deshalb richte ich mich immer mehr bei mir selber ein. Soll ich mir jetzt im Alter noch die Last aufladen, aus dieser mir geschaffenen und beschützenden Burg auszuziehen, nur weil ich vielleicht in Zukunft Vieles nicht mehr selber erledigen kann? Oder soll ich einfach auf mich zukommen lassen, was die Zeit bringt? Vielleicht schlafe ich ja mal ganz ruhig mitten aus dem prallen Leben heraus ein und brauche weder einen Umzug noch Pflege.
Wir wissen alle, dass das nur wenigen vergönnt ist. Unser Altwerden führt uns meist auch durch schwache und kranke Phasen, in denen wir auf andere angewiesen sind, deren Hilfe brauchen. Ich kann gut verstehen, wenn Witwen oder Witwer sagen: „wenn ich alleine bleibe, nehme ich mir eine Pflegekraft ins Haus. Ich gehe aus meinem Haus nicht raus.“  
Ich frage mich: Will ich das auch?

Was lässt mich fragen, zweifeln?

Will ich wirklich irgendwann alleine leben, denn mein zunehmendes Alter schneidet mich irgendwann von Vielem ab, was ich bisher alles noch unternehmen kann. Schon gar, wenn ich gebrechlicher werde. Freunde versterben, die mich besucht haben und denen ich nahe war. Sie werden mir fehlen. Welche Ansprechpartner bleiben mir? Die Kinder können auch nicht jeden Tag vorbeischauen. Was mache ich mit meinem Hunger nach Kultur? Möchte ich mit diesen Einschränkungen leben?
Wenn ich krank werde, will ich dann nur auf eine und mir oft auch fremde Pflegekraft angewiesen sein, mit der ich mich dann noch kaum unterhalten kann?  
Wenn ich das alles nicht will, muss ich mich frühzeitig mit den Möglichkeiten beschäftigen, die ich überhaupt habe. Welche Alternativen gibt es? Das ist ein erster schwerer Schritt, mir einzugestehen, dass das Alter und damit auch Gebrechlichkeit nicht vor meiner Haustüre haltmachen werden. Ich kann auch nicht immer davon ausgehen, dass mein Lebenspartner gesund bleibt und mich überleben wird und damit meine Pflege gesichert wäre. Wenn ich mich mit diesen Gedanken ernst nehme, dann haben sie für meine Zukunftsplanung Konsequenzen.

Ich muss es entscheiden

Für einen Pflegeversicherungsvertrag, einen Betreuungsvertrag und ein Testament gibt es viele Vorlagen, aber für meine Sehnsüchte im Alter gibt es keine Vordrucke. Die muss ich mir selber eingestehen und realistisch überprüfen, welche davon ich umsetzen kann und wie. Wenn ich warte, bis ich Pflegefall bin, kann ich meine Situation vermutlich nicht mehr selbst bestimmen. Ich muss dann mit dem Heim Vorlieb nehmen, das gerade einen freien Platz hat. Deshalb darf ich die Entscheidung nicht zu lange vor mir herschieben. Ich kann auch gar nicht lange abwarten, denn wenn ich nochmal umziehen will, braucht es mein entschiedenes „Ja“ dazu, damit ich mich auch zufrieden auf das Neue einlasse. Ich brauche Kraft, um das Haus oder die Wohnung auszuräumen, aber auch um meine letzte Lebensphase in dem neuen Umfeld aktiv zu gestalten. Dazu gehört Mut und Offenheit, um auf andere zuzugehen. Je älter ich werde, desto schwieriger wird das. Auch sind noch meine geistigen Kräfte gefordert, um mich mit den neuen Herausforderungen auseinander zu setzen, die auf mich zukommen. Mein Leben hört ja nicht auf, sondern fängt jetzt nochmal richtig an. Ich will ja meinem letzten Lebensabschnitt noch etwas Positives abgewinnen und ihm einen lebendigen Kick geben.

Sich von den Widerständen von außen nicht abbringen lassen

Wenn ich darüber im Kreise anderer rede, dass ich mich in einem Seniorenstift angemeldet habe kommt mir inzwischen mehr Verständnis entgegen als früher. Aber die meisten tragen doch noch Horrorvorstellungen in sich, die sie mit der Wohnsituation in „Altersheimen“ verbinden. Wer sich für ein Betreutes Wohnen, ein Wohnstift, eine Wohngemeinschaft oder eine andere Lebensform im Alter entscheidet und darüber redet, spürt aus den Reaktionen der anderen, was sie wirklich davon halten. Vorstellungen von Krankenhausatmosphäre, Zweibettzimmern ist nicht selten. Dass das betreute Wohnen in Wohnstiften aber mein selbstbestimmtes Alter mit einer eigenen Wohnung, meinen Zugang zu Kultur, zu Sport, Musik und zu Menschen in ähnlicher Situation erst ermöglicht, ist meist nicht im Blick. Die Entscheidung dafür bedeutet gerade nicht Verabschiedung aus dem Leben, sondern Neuanfang für den letzten Lebensabschnitt, um der Vereinsamung und der Abhängigkeit von nur einer Bezugsperson zu entgehen. Ein Umzug ist dafür erforderlich. Mich entlastet meine Entscheidung. Ich kann mich innerlich darauf vorbereiten, wo ich in einigen Jahren sein werde. Ich kann mich Schritt für Schritt von „Altem“ verabschieden, damit ich Platz für Neues mache.

Zum Weiterlesen zu diesem Thema:
Zuhause - was ist das?
Warum denn umziehen? Pendeln als Theologiestudentin - das kann auch Spaß machen

 

 


Kategorie: Verstehen

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