Wohlstand reicht nicht
Irgendwie scheinen diese Werte für uns so selbstverständlich, dass sie in der Öffentlichkeit selten Thema werden. Wir reden wenig darüber. Wir erleben sie erst dann als gefährdet, wenn die Rechten in unserem Land oder Parteien in Italien und Frankreich sie missachten, gewalttätig auf den Straßen werden, Hasskommentare posten und sogar den Krieg Putins gegen die Ukraine rechtfertigen. Gegen die Werte, die uns unser Grundgesetz und unser christlicher Hintergrund sichern und die Ukrainer*innen ebenfalls sehr viel bedeuten, führt Putin Krieg, damit sie sich von dort aus nicht weiter in den Osten ausbreiten. Sie nehmen in Kauf, dass ihre Städte zerstört werden, Menschen ihr Leben lassen müssen, Familien auseinandergerissen werden, Lebensbedingungen auf ein Minimum heruntergeschraubt werden. Es geht ihnen nicht vorrangig um noch mehr Wohlstand, um noch mehr Konsum, um größere Autos, sondern vor allem darum, nicht in einem Überwachungsstaat leben zu müssen, der die persönliche Entwicklung, die freie Berichterstattung und die Versammlungsfreiheit verhindert. Denn erst die kulturellen Werte wie individuelle Bildungsmöglichkeiten, freie Lebensgestaltung, Rechtstaatlichkeit sichern ihnen ein Leben in Freiheit. Dafür bringen sie einen hohen Einsatz.
Folgen wir den tragenden Werten?
Unsere Demokratie verspricht uns diese Werte mit sogar gleichzeitiger Steigerung des Wohlstandes, der unser Leben immer besser machen soll. Es scheint so, als verspreche das Wirtschaftswachstum die Werte, für die sich das Leben lohnt. Höherer Wohlstand, dem wir folgen, der uns reizt, der auch immer teurer zu stehen kommt. Die Parteien müssen versprechen, diesen Wohlstand vorrangig im Programm zu berücksichtigen, wenn sie gewählt werden wollen. Aber geht der Wert „Wohlstand“ nicht an den tieferen, den uns viel wichtigeren Werten vorbei, die in unserer Sehnsucht tiefer verborgen liegen? Werte wie Zeit füreinander zu haben, ohne Stress und Burnout leben zu können, Musik zu hören, mit unserem Leben nachhaltig, gesund, zufrieden und im Einklang mit der Natur sein zu können? Das Leben wird doch immer komplizierter statt einfacher, es wird teurer, aufwändiger und sorgt dafür, dass die Schere zwischen Reich und Arm weiter auseinanderklafft. Unsere Gesellschaft ist zum großen Teil nicht arm, Viele haben von allem mehr als sie wirklich brauchen, um ein „gutes Leben“ zu führen. Trotzdem wollen wir immer noch mehr und dann noch einmal mehr haben. Was ist die Triebfeder dahinter? Wir hoffen anscheinend, durch größere Autos, durch Fernreisen oder neue modisch aktuelle Kleidung unsere Grundsehnsucht nach Glück zu stillen. Mir scheint, da ist der Blick oft für das versperrt, was wirklich inneren Frieden oder tieferes Glück verspricht. Das trifft nicht nur auf Kleidung, die modernste Technik zu, sondern auch auf viele andere Konsumgüter einschließlich der SUV’s. Konsum scheint uns nur begrenzt zufrieden zu stellen aber nicht wirklich nachhaltig „satt“ zu machen.
Je mehr Wohlstand desto mehr Aufwand und Energieverbrauch
Mir ist das durch folgende Beobachtung deutlich geworden: Wenn ich mich mit meinem Golf auf den Straßen fortbewege, komme ich mir allmählich vor, als würde ich einen Kleinstwagen fahren. Neben, vor und hinter mir SUV’s. Sie behindern meinen Überblick im Straßenverkehr, verbrauchen unnötig viel Sprit, verschmutzen die Umwelt mehr als die kleinen Autos, beanspruchen viel Platz zum Parken. Oft sitzt auch nur der Fahrer oder die Fahrerin darin. Manchmal auch ein paar Schulkinder, die die 500 Meter von zu Hause bis vor die Türe der Schule gefahren werden. Würde es den Kleinen nicht zugute kommen, wenn sie den Schulweg laufen würden? Die zunehmende Technisierung unserer Haushalte verspricht uns Erleichterung. Aber stimmt das? Jede neue Errungenschaft braucht technischen Support. Ich muss mich in die Bedienungsanleitung einlesen. Ob PC oder Kühlschrank, Waschmaschine oder Kaffeeautomat. Ich möchte ja auf nichts davon verzichten und dennoch beanspruchen sie meine ganze Aufmerksamkeit vor allem, wenn etwas nicht funktioniert.
Mehr Zeit füreinander und Frieden mit den Pflanzen und Tieren
Weder der Umstieg auf Elektromobilität noch auf künstliche Intelligenz führen zu den Werten, die uns nachhaltig zufrieden oder glücklich machen. Werte entfalten nämlich erst dann ihre Wirkung, wenn sie aus uns selbst gelebt und erlebt werden. Erst dann entsteht auch Kultur. Wenn sie im Alltag jeden Tag von neuem im eigenen Verhalten vorkommen, wenn sie zur Richtschnur meiner Entscheidungen werden. Da spielt der Wert „freie Berufswahl“ eine große Rolle, weil ich nur dann meine Begabungen und Talente ausbilde, wenn diese mich in eine berufliche Tätigkeit führen, die auf mich zugeschnitten ist. Das ist eine wichtige Voraussetzung für mehr Erfolg, weniger Stress und Burnout.
Auch in den Familien ist durch die Berufstätigkeit beider Elternteile eine Situation entstanden, die nicht zur Entspannung, sondern zu mehr Stress und Konflikten geführt hat. Corona hat bereits gezeigt, wie sehr das Zusammenspiel zwischen Eltern und Kindern neu gestaltet werden sollte, damit sich Kinder gesund entwickeln und Eltern nicht unter unnötigen Stress geraten. Das bedeutet, mehr freie Zeit für Paare mit Kindern einzuräumen, denn diese Kinder gestalten mit der Kultur, die sie in jungen Jahren erfahren, die Zukunft unserer Gesellschaft. Wer im Arbeitsleben steht, spürt oft die Gereiztheit, die Hektik, die durch Druck ausgelöst werden. Der entsteht bereits durch die Autoschlangen am Morgen und Abend. Ungesunde Bedingungen für Herz und Kreislauf. Auch hier ist Entlastung nötig, damit der Beruf nicht alle Aufmerksamkeit absorbiert, sondern auch noch Energie für das Privatleben bleibt. Ein wichtiger und hoher Wert in einer Gesellschaft sind nämlich funktionierende Gruppierungen, Chorgemeinschaften, Vereine, Freundschaften und Familien, die durch ihre aktive Kommunikation, ihre gegenseitige Unterstützung, ihre regelmäßigen Treffen eine wohltuende und spürbar verbindende Kultur des Miteinanders, der Hilfsbereitschaft, der Kommunikation, der Kreativität unterstützen. Auch unsere Beziehung zur Natur werden wir verändern müssen, damit wir uns nicht selbst die Lebensgrundlage entziehen. Es sind nur einige Ideen, wie wir die Werte in unserer Kultur wachhalten können. Der entscheidende Faktor ist, ob sie uns so viel wert sind, dass wir uns die nötige Zeit für die Umsetzung nehmen.
Links:
Die Überlegungen oben konkretisieren sich an der Ukraine. Der Widerstand gegen die russischen Truppen hat verhindert, dass Salvini, Le Pen, Weidel jubeln können. Hier Zum Beitrag: Ukraine: Glücksfall für Europa, umgekehrt kaum
Zum Thema Kultur: Menschliche Zivilisation braucht Kultur
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