Friedenspalast in Den Haag, eine Perspektive Foto: hinsehen.net E.B.

Theodizee - Gott würde das Leid vermehren

Die Grausamkeiten, die Kriege, den Missbrauch, den wir nicht stoppen können, lassen nach einem Mächtigeren suchen. Gott soll eingreifen. Jedoch, würde er den Gewalttätigen das Handwerk legen, wäre das Leid trotzdem da, es würde sich sogar vergrößern.

Wenn der Staat jeden Schaden reparieren, jede Geldschuld bezahlen, jeden Schmerz lindern, jede Enttäuschung wegnehmen würde, würden die Sozialausgaben ständig wachsen. Denn wenn niemand mehr für die Folgen seines Handelns einstehen müsste, würde die Gewalt zunehmen und der Missbrauch zur Gewohnheit werden. In Zeiten der sexuellen Revolution waren die Zahlen des sexuellen Missbrauchs am höchsten. Wenn jeder eine tödliche Waffe bei sich tragen kann, werden auch mehr Menschen zu Tätern. Seit die Ehescheidung zu einem Verwaltungsvorgang gemacht wurde, sind die seelischen Schmerzen einer Trennung nicht geringer geworden.

Das Leid würde eher zunehmen

Das Eingreifen einer höheren Instanz entlässt den Täter aus seiner Verantwortung. Ich kann andere enttäuschen, verletzen, missbrauchen, ausnutzen, sogar töten, ohne dass meine Tat auf mich zurückwirkt. An einem Mafiaboss sind die Folgen ablesbar. Er kann Hunderte umbringen lassen. Wenn die staatliche Macht ihn nicht hindern kann und dann Gott einspringen würde, würde er noch ungehemmter mit Erpressung und Morden sein Reich vergrößern. Und mehr Täter und Täterinnen würden sich auf diese Weise Vorteile verschaffen. Die Zahl der Verbrechen, des Missbrauchs, der Erpressung würden steigen. Wir würden allerdings von Gott erwarten, dass er den Mafiaboss mit einer Krankheit von weiteren Untaten abhält, auf den Diktator ein Attentat verüben lässt, den Missbraucher dem Hass der Eltern aussetzt. Das hätte wiederum eine Konsequenz:

Gott würde zum Diktator

Wenn Gott dem Mörder die Waffe aus der Hand schlüge, den Missbraucher lähmen, den Diktator mit einem Blitzschlag umbringen würde, dann würde er selbst zum Mafiaboss oder diktatorischen Herr über alle üblen Herrscher. Denn auch der Mafiaboss rechtfertigt den Mord, indem er das Opfer als Verräter brandmarkt. Der Diktator beginnt einen Krieg mit der Begründung, dem Angriff des Gegners zuvorkommen zu müssen. Würde Gott mit einem solchen Eingreifen die Menschheit nach vorne bringen oder nicht gerade das Böse im Menschen fördern? Wieviel Kriegstreiber und Attentäter geben bereits so schon vor, im Auftrag Gottes zu handeln. Die Konfessionskriege in Europa und seit über 30 Jahren der zwischen Schiiten und Sunniten haben das Leid noch mehr vergrößert, weil die Kriegsparteien den Menschen weismachen konnten, Gott wolle den Einsatz von Waffen, um in der von ihm gewünschten Weise verehrt zu werden. Die einen haben die anderen zu Häretikern und damit zu Gottesfeinden erklärt. Diese alle übertrifft der Moskauer Patriarch, wenn er den Krieg gegen seine Gemeinden in der Russisch sprechenden Ostukraine befeuert, gegen orthodoxe Christen, die sich Jahrhunderte dem Moskauer Patriarchat zugehörig fühlten.
Alle, die mit Gewalt ihre Ziele verfolgen, könnten sich auf Gott berufen, denn er macht es ja nicht anders.

Eingreifen führt zu Gewalt
Die menschliche Geschichte zeigt, dass Eingriffe eines Diktators immer mehr zunehmen. Wenn sich dann Menschen gegen die Freiheitsberaubung auflehnen, wird ein Gesetz erlassen, mit dem sie ins Gefängnis gebracht oder sogar hingerichtet werden. Wir können es in China, in Persien und anderen Ländern beobachten. In Russland darf das Wort Krieg für einen Eroberungsfeldzug nicht einmal mehr gebraucht werden. Religiöse Autoritäten haben auch ein solches Disziplinar- und Gewaltsystem errichten können. Man konnte Frauen und auch Männer zu Hexen erklären, Ketzer auf den Scheiterhaufen bringen. Der Moskauer Patriarch übertrumpft auch hier seine Vorgänger, indem er den Krieg damit rechtfertigt, den Menschen in der Ostukraine würde die Teilnahme an Gay-Paraden aufgezwungen. Mit dieser Begründung kann man Kindergärten und Krankenhäuser bombardieren.
Eine realistische Sicht des Menschen führt zu dem Ergebnis: Gott würde die bösen Anteile in mir verstärken. Gott würde uns auch die aus der Freiheit begründete Würde nehmen.

Ein Eingreifen Gottes würde die Menschen "verkindischen"

Freiheit begründet deshalb die Unantastbarkeit jedes Menschen, weil er sich mit seinen Lebensentscheidungen eine Gestalt gibt. Ich "werde" das, wofür ich mich entschieden habe. Das will Gott und hat mir im Gewissen die Leitplanken für das Gelingen mitgegeben. Gott wirkt auf die Menschheit durch diejenigen ein, die ihrem Gewissen folgen und dafür auch einstehen. Wenn Gott die Rückwirkung böser Taten abmildert, würde er wie Eltern handeln, die ihrem Kind alles abnehmen, was schwierig ist. Es ist nicht nur die heiße Herdplatte, sondern sein Verhalten, auf das ein Kind bereits im Kindergarten schmerzhafte Rückmeldungen erhält. Gott nimmt die Freiheit so ernst, dass die Täter für ihr Handeln einstehen müssen. Müssten sie das nicht, hätte Gott ihnen die Freiheit gegeben, sie aber zurücknehmen, wenn jemand andere zu sehr schädigt, würde er diesen nicht ernstnehmen, sondern zum Kind machen.  

Strikte Gewaltlosigkeit

Denkt man die Forderung durch, Gott müsse eingreifen, wenn Mobbing, Despotie, Angriffskrieg nicht aufhören, dann kommt man zu dem Ergebnis, dass die Menschen es noch schlimmer treiben werden. Das lässt erahnen, warum Jesus seine Hinrichtung akzeptieren musste. Der Grund dafür ist nicht, dass der Wille Gottes Jesus ins Leiden geschickt, sondern Gott auf sein Eingreifen verzichtet hat. Denn Gott traut der Menschheit zu, die ethischen Überzeugungen zu entwickeln, die Mobbing und Angriffskriege unmöglich machen. Das ist nicht nur eine Frage an Russland, sondern auch an die USA. Wenn Gott nicht auf die Geltung von Gerechtigkeit und ethischem Handeln setzen würde, wie könnten sich Menschen auf Gott berufen, wenn sie sich für die Achtung der Würde jedes einzelnen, für eine unabhängige Gerichtsbarkeit, für Medienfreiheit und für die Ächtung des Krieges einsetzen. Gott muss überzeugen und kann nicht auf Manipulation und Gewaltmittel setzen, um seine Ziele zu verfolgen.

Evolution: wir sollen unsere Kultur entwickeln

Nicht nur erwartet Gott durch das Gewissen, dass der Mensch sich an die Gebote hält, sondern dass er eine Kultur aufbaut, in der nicht Willkür herrscht, sondern Recht und Ordnung gilt. Für die globalisierten Menschen weltweit muss diese Ordnung noch gebaut werden. Das zeigt der Ukrainekrieg deutlich, wenn in Afrika Menschen verhungern. Auch die Abwendung von weiterem Artensterben und von Klimakollaps ist eine Menschheitsaufgabe. Nehmen die Menschen die Evolution ernst, dann ist diese nicht beendet, wenn alle ans Glasfaserkabel angeschlossen sind und nur noch erneuerbare Energien nutzen. In der geistigen, der ethischen, der künstlerische Sphäre des Menschseins liegt ein großes Entwicklungspotential.
Das gilt auch für Russland. Nicht Waffen, sondern Kultur und Ethos werden die Russen überzeugen, dass eine freie Ukraine, die mit einem rechtsstaatlichen und demokratischen Russland rechnen kann, für Russland den größeren Nutzen bringen. Wird die Ukraine mit Gewalt unterworfen, muss Russland viel Militär und Polizei stationieren, den Geheimdienst massiv ausbauen.

Diejenen, die von Gott ein Eingreifen fordern, legen faktisch ihre Hände in den Schoß und erwarten von Gott, was dieser in die Freiheit der Menschen gelegt hat.

Gott wirkt wie das Gewissen
Gott müsste eingreifen, wenn der Mensch den Klimakollaps nicht abwenden kann. Er müsste den Syrien- wie den Ukrainekrieg beenden. Er greift aber nicht ein, obwohl Viele zu ihm flehen und seine Leugner ihn herausfordern. Er ist allenfalls präsent im Gewissen, nur leise, damit für Viele nicht auf göttliche Weise. Hier zum Weiterlesen

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Kategorie: Verstehen

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