In meinen Augen war Vieles für mich nicht hilfreich
Die autoritäre Erziehung im Elternhaus, die Ausgrenzung in der Schule, weil ich nicht getauft war, die Erfahrungen von Enge waren es wohl, die in mir schon früh eine Ahnung freigesetzt haben, dass es anders gehen muss. Durch diese Beobachtung war ich offen für Neues. Als Jugendliche konnte ich das sicher noch nicht so deutlich erkennen aber dieser Blick hat mich immer begleitet. Denn schon in ganz jungen Jahren habe ich meinen eigenen Weg eingeschlagen und gegen Gegenwind durchgesetzt. Ich musste etwas Neues kreieren. Ich wollte eine andere Pädagogik, ein anderes Verständnis nicht nur für meine Person sondern grundsätzlich eine Veränderung, damit Kinder ihre individuelle Entwicklung, ihre Kreativität wie ihre besonderen Begabungen ausbilden können. Dieser Herausforderung konnte ich mich schon als Jungtrainerin im Turnverein stellen. Mir wurde eine Kleinkindergruppe übertragen. Üblich war da noch mit kleinkindgerechten Spielen einfache Bewegungsabläufe den Kindern zu ermöglichen. Das änderte sich bei mir schlagartig, als ich an einer Fortbildung teilnehmen konnte.
Im Turnen hatte ich das AHA-Erlebnis
Auf einem Lehrgang des Deutschen Turnerbundes mit dem Übungsleiter Helmut Schulz machte ich eine tiefgreifende Erfahrung. Ich war 14 Jahre alt, hatte gerade die Gruppe im Kleinkinderturnen übernommen und konnte an einem Wochenende diesen Lehrgang besuchen. Der Übungsleiter ließ uns einen riesigen Parcours mit allen vorhandenen Geräten in der Turnhalle aufbauen. Es entstand ein Abenteuerspielplatz, der uns angehende ÜbungsleiterInnen inspirierte alles Mögliche zuerst selbst auszuprobieren. Ich spürte, dass das etwas war was mir sehr entsprach, denn jeder konnte sich in dem Parcours seine eigenen Bewegungsabläufe selbst zusammenstellen. Wir krochen unter die Bänke, sprangen über die Böcke, kletterten mit den Seilen bis an die Decke, schlugen Räder auf den Matten. Dieses Wochenende war eine Erfahrung, die sich nachhaltig in mir einnistete. Es war genau das, was ich mit meinen Kleinkindern umsetzen wollte, denn es ging um Vieles mehr als nur um vorgegebene Bewegungsabläufe. Da waren Entscheidungen zu treffen, Mut zu entwickeln, sich etwas Neues zu trauen, sich frei zu fühlen und selbst den Weg an den Geräten zu bestimmen. Es ging nicht um Leistung, um besser oder schlechter, schneller oder langsamer, sondern um Freude an der Bewegung, an den Herausforderungen, dem Abenteuer sich durch den Gerätedschungel zu hangeln, irgendwo anzukommen, bei anderen zu beobachten wie sie es machten. Es brauchte keinen Anleiter, der uns etwas vormachen musste, was wir nur nachmachen sollten, oder der etwas gutheißen oder kritisieren konnte. Alles war möglich, alles war richtig. Ich konnte selbst entscheiden was ich mir zutraue. Ich war in die eigene Verantwortung genommen wieviel ich erleben wollte. Ich konnte mich ausprobieren, meinem Entfaltungsdrang nachgehen, es gab keine vorgegebenen Grenzen. Grenzen wurden nicht von Erwachsenen gesteckt, „lass das es ist zu gefährlich“ sondern die Geräte setzten uns die Grenzen. Unglaublich, wie kreativ und geschickt wir mit zunehmender Übung wurden.
In diesem Parcours, den ich selbst ausprobieren konnte steckte alles das, was ich mir für die Entwicklung von Kindern auch in anderen Bereichen als das Turnen vorstellen konnte. Es geht um Selbstbestimmung, freie Entfaltung ohne Bewertungen, um Eigenverantwortung um Zutrauen zu den eigenen Kräften, um Erfolgserlebnisse aber auch um die Bedeutung von Grenzen, die ich erkennen kann.
Pädagogik heißt Leben entwickeln
Diese einschlägige Erfahrung aus dem Lehrgang hat meine Entscheidung, mich der Pädagogik zuzuwenden mitgeprägt. Sie hat meine Berufsentscheidung bestimmt, mich durch mein ganzes Berufsleben begleitet, denn sie ist für mich der Schlüssel für Bildung, emotionale und körperliche Entwicklung sowie Entfaltung der persönlichen Kompetenzen. So wie ich meinen Weg brauchte, meine Ahnung mich leitete, um das zu finden, was meinen Lebensauftrag ausmacht, so erleben das sicher andere auch. Es gibt oft schon in jungen Jahren Ahnungen, die die Augen für das öffnen, was sie mit ihrem Lebensauftrag verwirklichen wollen. Folgen sie den Ahnungen bestimmen diese meist auch ihren Blick auf die Welt, die Wahl des Berufes, das Lebensschiff das sich der Einzelne für seine Lebensreise baut. Manchmal braucht es auch ein paar Umwege bis sich diese Ahnungen in der Seele eingenistet haben, um sich zu verwirklichen. Finde ich das Leitmotiv für meine Fahrt über das große Meer meines Lebens, kann ich den Kompass immer wieder danach justieren.
Wie mein Lebensschiff gebaut ist, habe ich in einigen Artikel beschrieben. Hier geht es zur Übersichtsseite: Mein Lebensschiff
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