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Notfallseelsorge - tiefer erleben

Advent heißt, dass ich mehr erwarte als den Alltag. Die Weihnachtsessen ermöglichen Rückblick und sammeln die Erfahrungen eines Jahres. Jutta Mügge berichtet von der Notfallseelsorge

Zu sich kommen

Der Advent mit seinen kurzen Tagen bietet sich an, nachdenklicher zu werden und auf das Ende zu schauen. Wir schauen im Advent zuerst auf das Ende der Welt, auf die Wiederkunft Christi und dann erst auf die Krippe. Wir kommen erst einmal aus dem Alltag, der viel Zeit in Anspruch nimmt, der mit notwendigen Tätigkeiten gefüllt ist, wie Kochen, Einkaufen, Waschen, Putzen, Sport machen etc...  Sie sind, wie das Wort schon sagt - notwendig. Ich kann sie nicht einfach nicht machen, aber sie führen nicht zwangsläufig dazu, meinem Leben eine Grundzufriedenheit oder einen besonderen Sinn abzugewinnen. Es braucht ein bisschen mehr als das Notwendige, um einen tieferen Sinn meines Daseins zu entdecken, ihn zu spüren. Es hat auch etwas mit meiner Endlichkeit zu tun. Dieser Alltag schlägt für uns in der Notfallseelsorge wie für Hinterbliebene um, wenn der Tod Menschen aus ihrer Alltagssituation herausreißt. Das bedeutet für die Hinterbliebenen Apokalypse pur. Wie es in der Bibel steht, trifft das Ende die Menschen unvorbereitet in ihrer Ohnmacht, ihrer Hilflosigkeit. Das erleben wir bei jedem Einsatz mit.

Wir begegnen dem Tod sehr nah und direkt

Wir sind über 30 aktive Frauen und Männer in der Notfallseelsorge Bonn/ Rhein-Sieg. Ein Ehrenamt mit dem wir weit über 300 Einsätze im Jahr abdecken. Jede/r von uns kennt die Herausforderungen. Kein Einsatz ist wie der andere, so individuell jeder Mensch, so einzigartig ist auch die jeweilige Not - Situation. Da kann ich keine Routine abspulen. Ich muss mich auf jeden Abruf neu einstellen, mich innerlich bereit machen auf das, was mich im Einsatz erwarten kann. Wir treffen ja immer auf Menschen, die jetzt einen Angehörigen oder Freund verloren haben, die von diesem Tod überrascht wurden, sei es durch Unfall, einen Suizid, eine Krankheit oder ein Verbrechen. Eine fast immer unbegreifliche, verstörende Situation. Da ist es gut, wenn jemand einfach da ist, den Lebensgeschichten zuhören oder auch mit-schweigen kann. Wir NotfallseelsorgerInnen können, anders als die Polizei, die mit uns z.B. die Todesnachricht überbringt, bei den Hinterbliebenen bleiben. Wir können sie stützen, ihre Not aushalten, mit ihnen die nächsten Schritte überlegen. Wir können den Menschen helfen, nicht in einer traumatischen Situation stecken zu bleiben. Wir bleiben vor Ort, bis sich die Situation im Familien- oder Freundeskreis stabilisiert.

Innere Verbundenheit

Uns NotfallseelsorgerInnen verbinden bestimmte Wertvorstellungen, ohne dass man sie aussprechen muss. Wir haben alle einen besonderen Zugang oder Umgang mit dem Tod im Leben. Beim Weihnachtsessen sitzen wir an Sechser-Tischen, die uns intensive Gespräche ermöglichen. Wir sind uns vertraut, auch durch die monatlichen Austauschrunden in der Fortbildung. Es sind gute Gespräche. Kein oberflächlicher Smalltalk, der etwas Schales hinterlässt. Was macht uns eigentlich so zufrieden, so tiefgängig? Man müsste doch meinen, dass diese Arbeit unsere Seele beschädigt. Man könnte auch vermuten, dass wir zum Ausgleich das Lockere, Leichte suchen. Nein, unsere Verbundenheit besteht darin, dass wir dieser „Arbeit“ einen tieferen Sinn auch für unser Leben abgewinnen. Wir kommen immer wieder an den Rand des Machbaren, werden konfrontiert mit der Verletzbarkeit des Lebens, mit der Ohnmacht. Wir kommen selbst mit fast jedem Einsatz an existentielle Fragen. Wir wissen, wie wichtig es ist, den Hinterbliebenen, wenn möglich, eine Verabschiedung zu ermöglichen, die auch dem Verstobenen in seiner Würde gerecht wird. Damit der anschließende Trauerprozess nicht in der Ausweglosigkeit endet, braucht es schnelle Unterstützung. Alles das hat etwas mit unserer inneren Haltung wie auch mit unseren Hoffnungen zu tun. Ob evangelisch oder katholisch spielt dabei weniger eine Rolle, denn es geht um das Leben, um das Leben mit und nach dem Tod. Gemeinsam ist uns, dass wir den Tod, wie die Frage was nach dem Tod passiert, immer wieder vor Augen haben.

Auch Jüngere setzen sich der Ohnmacht gegenüber dem Tod aus

Viele ehrenamtliche Gruppierungen, Einrichtungen, und Vereine haben Nachwuchsprobleme. Deshalb ist es für mich erstaunlich, wie auch erfreulich, dass sich unserer Gruppe auch ganz junge Frauen und Männer anschließen. Sie bringen etwas Lebendiges mit, bereichern unsere Gemeinschaft, stellen sich den Herausforderungen der Einsätze.

Warum meckern wir nicht?

Wenn man uns mit anderen Gruppierungen, vor allem in der Kirche, vergleicht, kommt Meckern oder sich über andere Beschweren bei uns nicht vor. Das ist auch ein Grund, warum ich mich auf die Treffen freue und ohne schalen Nachgeschmack nach Hause gehe.



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