Foto: Joana Sasu

New Work: Wie soll sich Arbeit für Millennials anfühlen?

Als Millennial ist mein Denken digital geprägt. Ich sehe die Welt mit der digitalen Brille. Vor dieser inneren Folie fühlt sich auch die Berufswelt anders an als für die meisten 50-Jährigen. Nicht bloß Arbeitsabläufe haben sich durch digitale Tools verändert. Es geht auch um das innere Erleben von Arbeit:

Millennials brauchen eine analoge Rückmeldung, um das Gefühl zu haben, dass eine Aufgabe erfolgreich abgeschlossen ist. Auch möchten wir unsere Arbeitszeit als sinnvolles Engagement einbringen.

Auf analoge Rückmeldungen angewiesen

Unsere digitale Lebenswelt lebt von Feedback. In den sozialen Medien kommt es darauf an, gesehen, wahrgenommen zu werden, zu gefallen. Diese Logik haben wir verinnerlicht. Aber wir können den digitalen Rückmeldungen immer weniger vertrauen. Denn Likes und digitaler Zuspruch können täuschen, sind flüchtig und ungewiss. Aufmerksamkeit und digitale Anerkennung sind von Algorithmen gesteuert, und machen daher meist nur kurzfristig zufrieden. Nur weil mein Beitrag heute oft geteilt wurde, kann ich mich nicht darauf verlassen, dass das morgen wieder so sein wird. Zudem ist Social Media-Aufmerksamkeit kein Garant dafür, dass meine Arbeit auch inhaltlich, argumentativ stimmig ist. Viele „Likes“ heißen nicht automatisch, dass mein Artikel tatsächlich gelesen wurde. Vielleicht habe ich nur mit einem schmissigen Teaser den Algorithmus beeindruckt. Und Social Media können sich toxisch auf unser Selbstbewusstsein, unsere psychische Gesundheit auswirken. Wir sind daher im Beruf auf persönlichen Austausch, auf qualifizierte Rückmeldungen angewiesen. Wenn ich als Autor einen Beitrag schreibe, genügt es mir im Sinne meiner inneren Zufriedenheit daher nicht, diesen an eine Redaktion abzugeben und zu wissen, dass diese ihn veröffentlichen wird. Ich muss einerseits wissen, wo die Redakteure noch Kürzungen, Veränderungen, Präzisierungen vorschlagen und warum. Andererseits will ich aber auch wissen, was der Redakteur, die Redakteurin inhaltlich dazu denken, ob ich an ähnlichen Ideen und Themen weiterarbeiten soll. Die sich ständig, fast täglich verändernde Welt um uns herum, die durch das Digitale mitverursachte Unbeständigkeit vieler Berufsbilder verweist uns auf verlässliche Ansprechpartner*innen, die uns in unserer beruflichen Weiterentwicklung unterstützen. Wir brauchen konstruktive Kritik und sind auch bereit, diese anzunehmen. Zugleich erwarten wir, dass Vorgesetzte proaktiv auf uns zugehen, Feedback-Gespräche führen, uns deutlich machen, dass sie unsere Arbeit wahrnehmen, wertschätzen – und uns sagen, wo wir uns verbessern können. Dazu gehört bereits beim Einstieg ein ausführliches On-Boarding, also eine gewissenhafte Einarbeitung. In jedem Fall brauchen wir die bereits genannte, sorgfältige Feedbackkultur, bei der Vorgesetzte sich wiederum der Versuchung des Micro-Managing bewusst sein und ihr zu widerstehen versuchen sollten. Im Sinne von Micro-Managing-Vermeidung heißt Rückmeldung: Nicht jeden einzelnen Arbeitsschritt der Mitarbeitenden beobachten, kritisieren, erste Ergebnisse sofort verändern – sondern delegieren, Aufgaben übertragen, Vertrauen signalisieren. Im Anschluss sollten dann Auswertung der Ergebnisse und Rückmeldung stehen. Die Einführung in bestehende Strukturen und Arbeitsläufe muss sich zugleich die Waage halten mit der Möglichkeit, mich selbst einzubringen:

Ich will vorkommen und gewollt sein

Viele Millennials sind sehr gut ausgebildet, haben nach der Devise studiert: Mach, was Dir Spaß macht. Wir bringen Leidenschaften, inneres Feuer und Ideen mit – und oft herausragende Kompetenzen. Wir bewerben uns daher bei Unternehmen, mit denen wir aus unserer Sicht möglichst viele Werte teilen – und wollen helfen, diese zu verwirklichen und weiterzuentwickeln. Für Nachhaltigkeit muss man uns nicht erst gewinnen. Gleichzeitig legen wir großen Wert darauf, unsere eigenen Ziele und Visionen einzubringen und zu verfolgen. Dafür muss das, was ich individuell als Mitarbeiter zum Erfolg beitragen kann, vom Unternehmen wahrgenommen werden. Wenn ich nur das abarbeiten soll, was auf meiner Planstelle schon immer so gemacht wurde oder lange liegengeblieben ist, könnte man statt mir auch einen Roboter anstellen. Das Gefühl soll sein: Nicht jemand wird gebraucht, um die Stelle zu besetzen, sondern ich werde gebraucht und bin gewollt. Diese Einstellung sollte sich bereits in Bewerbungsprozessen zeigen. Vorstellungsgespräche sollte dementsprechend transparent geführt, die Möglichkeiten und Grenzen der jeweiligen Stelle transparent aufgezeigt werden. Unternehmen ist am meisten geholfen, wenn Bewerbende über ihre Kompetenzen und ihren Lern- und Entwicklungsbedarf vorab ehrlich sind. Zugleich brauchen potenzielle Mitarbeitende Transparenz über den Umfang, aber auch über so etwas wie die „Philosophie“ der Mitarbeitenden-Entwicklung ihrer zukünftigen Stelle: Welche meiner Fähigkeiten werde ich tatsächlich umsetzen können? Wie kann ich mich selbst mit meinen Stärken und Idealen einbringen? Wir wünschen uns eine ausgewogene Balance zwischen der Übernahme bisher gewachsener, notwendiger Aufgaben einerseits und andererseits der Freiheit, die Stelle mit eigenen, neuen, innovativen Ansätzen weiterzuentwickeln. Wer Millennials mit der Perspektive einstellt, sie auf Führungsverantwortung vorzubereiten, sollte den Schwerpunkt mehr auf Eigenverantwortung und Innovation legen, um Flexibilität in Bezug auf bisherige Abläufe und Strukturen zu signalisieren – auch in Bezug auf Kommunikation:

Stressfaktor Telefon

Die Kommunikationsmuster und -Gewohnheiten der Millennials haben sich durch die digitale Wende verändert. Besonders schwer tun sich viele Millennials mit Telefonanrufen, vor allem dann, wenn sie nicht angekündigt oder verabredet sind. Die Krisengeneration der Millennials rechnet nämlich bei unvorhergesehenen Anrufen sofort mit dem Schlimmsten. Und manchmal gibt es ja auch wirklich dringende Situationen. Aber dann denke ich als Angerufener auch entsprechend an etwas womöglich Dringendes, mein Puls geht hoch, ich bereite mich innerlich auf ein schwieriges Gespräch vor, womöglich muss ich gleich Feuerwehr spielen oder in den Konflikt mit eine*r wütenden oder unzufriedenen Kund*in gehen. Wenn es um Anrufe geht, werden selbst sonst extravertierte Millennials zu Introvertierten – Anrufe sind für sie echte Energiekiller.
Mit einem Anruf aus heiterem Himmel signalisiert die anrufende Person zudem: Meine Frage ist jetzt, in diesem Augenblick so wichtig, dass ich nicht warten kann. Ich muss die Zeit des Angerufenen unbedingt jetzt sofort in Anspruch nehmen. Daher bin ich berechtigt, den Workflow des anderen zu unterbrechen. Das hat den Geschmack des Hierarchischen. Ich signalisiere „Meine Zeit ist wertvoller als die des anderen“. Millennials würden solche hierarchischen Kommunikationsgewohnheiten gerne abbauen.

Kommunikation: Energien sparen, Hierarchien abbauen

Wir haben mit digitalen Instrumenten zur Kommunikation sehr gute Erfahrungen gemacht. Kommunikation sollte aus unserer Sicht Hierarchien verflachen.
In digitalen Kommunikations-Plattformen wie Slack oder Trello lassen sich viele Dinge leichter klären oder vorbesprechen. Nicht jede Frage braucht einen Anruf, nicht jede Absprache eine Gruppen-E-Mail, schon gar nicht ein physisches Meeting oder einen Zoom-Call. Der Zeit- und Kraftaufwand für E-Mail-Ping-Pong mit vielen Adressaten, viele Seiten langen Antworten, Mail-Signaturen, womöglich noch Datei-Anhängen lässt sich vermeiden. Die Informationsflut kann digital bewältigt und zentralisiert werden, auch bei Aufgabenverteilung und Projektmanagement. Tools wie Slack bieten den Vorteil, dass ich jede(n) Kolleg*in direkt erreichen kann, auch meine Vorgesetzten. So lassen sich schon auf der Kommunikationsebene flachere Hierarchien etablieren. Der Millennial-Wunsch nach Hierarchie-Abbau sollte auch in Meetings berücksichtigt werden: Wenn Vorgesetzte oder Kolleginnen bloß Informationen weitergeben wollen, braucht es nicht unbedingt ein Treffen, schon gar nicht in Präsenz. Dann gewinnen informierende, nicht interaktive Formate, wie eine Text- oder Audionachricht oder andere audiovisuelle Medien sogar mehr Aufmerksamkeit als ein Meeting, in dem ich doch nur zuhören soll. Beim Meeting sollte es um echten Austausch zwischen den Teilnehmenden gehen, die Energien freisetzen, um eine neue Idee, ein Ergebnis, motivierende Stimmung herauszulocken.

Als Person wahrgenommen werden

Millennials wollen auch im Beruf mit ihrer ganzen Person präsent sein, sich ganzheitlich einbringen. Daher würden wir gerne im beruflichen Kontext das Sprechen über Gefühle und Stimmungen normalisieren. Wir erwarten, dass Leitungen in Gesprächen und Meetings für eine Atmosphäre sorgen, die dazu einlädt, auch Emotionales, Innerliches sichtbar zu machen. Möglichen Konflikten kann man so zuvorkommen oder sie frühzeitig moderieren und auch auf der Beziehungsebene lösen. stabilisieren

Ökologie im Büro

Noch eine Beobachtung: Millennials sind ökologisch motiviert und wollen auch in ihrem Berufsalltag dazu beitragen, das Klima zu schützen. Was nicht unbedingt ausgedruckt werden muss, lesen wir daher am liebsten am Bildschirm, auch Dokumente füllen wir digital aus, bin hin zur Unterschrift. Das spart Papier, Druckertoner wie auch Platz, auch sind Dokumente digital leichter zu archivieren und wiederzufinden. Wenn sich nicht bedrohliche Stapel von Zeitungen oder Akten um mich herumstapeln, fühle ich mich zudem in meinem Arbeitsprozess freier und bin kreativer.


Kategorie: Digitalisiert

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