Kurz vor den Eisheiligen waren sie schon richtig gut im Kraut und etwa 10 cm hoch. Eine einzige Nacht mit Frost von minus 6 Grad hat das ganze Grün vernichtet und ich stand fassungslos davor. Ich war traurig und enttäuscht, dass die Kraft, die sich schon ausgebildet hatte, einfach so zunichte gemacht wurde.
Heute schaue ich wieder auf saftiges Grün, inzwischen 30 cm hoch und kurz vor der Blüte. Ich bin so fasziniert davon, dass ich jeden Tag davor stehen bleibe und mich bedanke, dass sie sich erholt haben. Ich kann staunen und spüre, wie das Leben sich in diesen Kartoffeln verwirklichen will. Sie entwickeln die Kraft, auch mit den Widrigkeiten der Natur umzugehen.
Ist solch ein Geschehen übertragbar auf unser Leben?
Wie oft im Laufe meines Lebens bin ich enttäuscht worden, bin „erfroren“, bin krank geworden, weil ich im Stich gelassen wurde, weil Menschen mit mir nicht gut umgegangen sind, weil ich mich unvernünftig verhalten habe. Aber ich konnte immer wieder die Kraft entwickeln, mich aus dem „Frost“ zu befreien, neu „auszuschlagen“, mich neu zu finden, neuen Mut zu entwickeln und nicht an den Widrigkeiten des Lebens zu verzweifeln.
Manchmal fühlt man sich ganz nahe am Abgrund, das Leben erscheint manchmal sogar nicht mehr lebenswert. Alle inneren Energiereserven sind verbraucht. Was treibt uns an, nicht den Kopf in den Sand zu stecken, zu resignieren?
Woher nehmen wir die Kraft, weiter zu leben?
Ich bin dankbar dafür, dass ich in mir diese Kraft spüren darf, mit der ich mich immer wieder hochrappeln kann. Kartoffeln brauchen dazu Wasser und Sonne und eine gute Erde. Ich brauche dafür oft auch das Sonnenlicht, die Wärme und Menschen, die es gut mit mir meinen. Wenn ich dann wieder an „Deck“ bin, gibt es auch Perspektiven.
Bei den Kartoffeln bin ich gespannt, wie die Ernte ausfallen wird – ob sich der Rückschlag durch den Frost auch in den Früchten zeigt? Gerade hat es angefangen zu regnen. Das wird der Erde gut tun. Die Temperaturen sind lau, das hilft wachsen.
Jutta Mügge
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