Jesus darf nicht sterben

Jedes Jahr an Karfreitag, während das Evangelium vorgelesen wird, kommt bei mir dieselbe diffuse Hoffnung auf: Diesmal muss Jesus nicht sterben. Jemand hat Mitleid mit ihm, oder noch besser: Alle sehen ein, dass es Unrecht und falsch ist, ihn zu töten – und Jesus überlebt.

In Hollywood überlebt der Held

Vom Abendmahlssaal bis zum Kreuz ist die Geschichte so spannend geschrieben, häufig auch so dramatisch vorgetragen oder gesungen. Wie im Hollywood-Film müsste der Held am Ende doch überleben. Auch wenn alles gegen ihn spricht. Es gibt so viele Momente, in denen sich alles ins Gegenteil drehen könnte:

Judas könnte einfach am Tisch sitzen bleiben statt loszugehen und Jesus zu verraten. Im Garten könnte er sich noch umentscheiden, Jesus einfach nicht küssen. Jesus müsste nicht fragen „Wen sucht Ihr?“, um dann „Ich bin es“ zu sagen. Vom Hohepriester, wo eigentlich jeder einsehen müsste, dass Jesus keine Schuld nachgewiesen werden kann bis zu Pilatus, der sich von der Menge nicht umstimmen lassen müsste – alles könnte sich zum Guten wenden. Selbst am Kreuz hätte Jesus noch Möglichkeiten. Er könnte – wozu ihn die verspottende Menge anstachelt – vom Kreuz heruntersteigen.

Die Jünger wollen Jesus retten

Natürlich weiß ich, wie die Geschichte ausgeht. Ich weiß auch, dass die Lektoren nicht etwas anderes erzählen können als das, was im Text steht. Im Roman „Die Bibel nach Biff“ von Christopher Moore, einem fiktionalen Jesus-Epos, haben Jesu Jüngerinnen und Jünger genau dieselbe Sehnsucht wie ich. Sie wollen Jesus retten.

Erst versuchen sie, ihn selbst umzustimmen, er soll nicht nach Jerusalem gehen. Als das nicht klappt, schicken sie eine Kontaktperson, um mit Pilatus zu verhandeln. Doch das hilft nichts. Schließlich mischen sie heimlich Gift in den Wein, den Jesus am Kreuz vom Schwamm trinken wird. Das Gift soll ihn lähmen und tot erscheinen lassen. Sobald sein Körper vom Kreuz abgenommen ist und die Römer außer Reichweite sind – so der Plan – soll Petrus ihn heilen. Doch der Römer mit der Lanze kommt ihnen zuvor und tötet Jesus.

Der Tod am Kreuz ist nicht einfach gut

Blöderweise bin ich Theologe und weiß: Kein Ostern ohne Auferstehung, keine Auferstehung ohne Tod. Jesus weiß das auch. Die Evangelien werden nicht müde, darauf hinzuweisen: Jesus wusste alles, was geschehen sollte. Und die Jünger versuchen bis zuletzt, seinen Tod zu verhindern. Das spricht mich mehr an als die theologischen Erklärungen. In der Rückschau – nach der Auferstehung – kann man die Folter und den brutalen Mord leicht theologisch verklären. Auf einmal wird dann Jesu Tod irgendwie etwas Gutes. Das sehe ich nicht so. Der Tod am Kreuz bleibt schlecht. Auch wenn ich einsehe, dass es im Nachhinein irgendwie sein musste und Gutes bewirkt hat:

Ich will nicht, dass Jesus stirbt.

Der Autor, Matthias Alexander Schmidt ist Theologe, freier Journalist und pädagogischer Begleiter. Der Text erschien zuerst bei blog.gerne-katholisch.de.


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