Foto: Jutta Mügge

Garten ist Geben und Nehmen

Ein Garten fordert täglich. Wenigstens einmal durch ihn gehen, schauen was wächst. Die Rosen loben, dem Gemüse gut zureden, ihnen etwas Wasser geben. Garten ist nicht nur Mühe und Arbeit. Ich tanke dort auf, kann mich jeden Tag mit einer tieferen Ebene meines Lebens verbinden. Ich staune so oft, wie überraschend diese Natur sein kann:

Garten ist Freiheit

Wenn ich in meinem Garten bin, kann ich die Zeit vergessen. Ich kann mich kreativ verwirklichen, mich austoben, neue Ideen umsetzen. Mein Garten setzt in mir viele Potentiale frei. Ich spüre oft pure Freiheit, wenn ich in der Erde grabe, durch die Beete gehe, um zu ernten oder auch nur dasitze, um zu schauen, zu hören, nachzudenken. Es ist Lebenszeit, die sich lohnt. Zeit, weil sie mir einen neuen Blick auf das Leben schenkt. Zeit, die mich zu mir kommen lässt, aber mich gleichzeitig mit etwas verbindet, was unbeschreiblich großartig ist. Diese Natur, die eher still ist, hat so viel zu sagen.

Der Garten gibt zurück

Ein Garten ist selten geizig. Er hat viel zu geben. Nicht nur, dass ich mich dort entfalten, meine Möglichkeiten entdecken kann, um aus den Ergebnissen zu lernen,  sondern auch dass er mich reich belohnt. Er lässt es einfach wachsen. Manches gelingt, manches kommt erst spät zur Blüte, einige Pflanzen gehen auch ein.  Er zeigt mir, was geht oder nicht geht. Ich muss nur aufmerksam sein.
Er ist kein gefügiger Knecht. Nein, im Gegenteil. Er hat einen eigenen Willen und zeigt ihn mir immer wieder. Da wachsen Pflanzen, die ich nie ausgesät habe, er kreiert Arrangements, wie ich sie nicht schöner zusammenstellen könnte. Er zeigt mir seine Stärke, da wo er besondere Blüten und Früchte bringt. Ich staune oft über die Vielfalt der Blumen, Kräuter und Büsche, die sich nach einigen Jahren irgendwo in einer Ecke entwickelt haben. Da tauchen auch schon mal wieder Pflanzen auf, die von mir längst abgeschrieben waren, oder die ich da noch nie gesehen habe. Jahr um Jahr bringt er die Kraft für Neues auf. Er wird nicht müde, gestaltet auch ohne mich. Sträucher und Bäume treiben aus, blühen und tragen Früchte. Ich habe sie nur gepflanzt. Er gibt mir für meine Mühe viel zurück.

Er hat auch Schwächen

Mein Grundstück liegt am Hang, so dass das Wasser immer abwärts läuft. Außerdem ist es eigentlich ein Weinberghang. Auf dem Schiefer liegen kaum mehr als 80 cm Erde. Das ist für manche Pflanzen zu wenig. Einige vertragen diese Trockenheit nicht. Ich musste lernen, was dort gedeihen und für welche Büsche oder Blumen dieses Grundstück nicht geeignet ist. Versuch und Irrtum. Das hat eine Weile gedauert. Ich bin immer noch auf der Suche nach den Pflanzen, die sich dort ganz besonders wohlfühlen. Auch liegt mein Stück Land am Waldrand mit vielen kleinen wie größeren Tieren, die meinen Garten anscheinend mögen. Sie verursachen natürlich auch Schäden. Die Rehe kommen gerne zum Naschen der Rosenknospen. Die Wühlmäuse mögen anscheinend die Wurzeln der Beerensträucher, denn jedes Jahr geht mir ein Strauch ein, den ich so aus dem Boden ziehen kann. Die Amseln fressen mir einen Teil der Himbeeren und Kirschen weg. Die Waldmäuschen holen sich die Buschbohnen und ich vermute, dass es die Kaninchen oder die Eichhörnchen sind, die meine Kohlrabis futtern. Natürlich so, dass sie nur die oberen zarten Teile verspeisen, die Knolle richtiggehend aushöhlen. Alles andere lassen sie stehen. Alle scheinen nur auf die Delikatessen aus zu sein. Anfänglich war ich ziemlich sauer über den Raub meines Gemüses oder den Verlust der Rosenblüten. Ich musste lernen, dass auch diese Tiere zu meinem Garten gehören. Sie leben schon viel länger auf diesem Grund als ich ihn bewirtschafte. Da sie mir noch genug lassen, kann ich es inzwischen aushalten.

Lebensnähe im Garten

Garten ist nichts Pflegeleichtes, aber erhöht meine Lebensqualität. Ich kann stundenlang in der Erde arbeiten. Erdbollen mit meinen Fingern zerkrümeln, damit sich die Pflanzen gut entwickeln können. Wenn mir der Erdgeruch in die Nase steigt, kommen sogar Kindheitserinnerungen hoch. Der Duft von Wald- Erde, den ich schon als Kind so gerne mochte. Ich spüre so etwas wie zu Hause sein. Bin der Erde ganz nahe, spür das Leben ganz dicht, bin der Vergänglichkeit nicht fern. Da, wo ich bin, wächst es und vergeht. Ich brauche nur das Samenkorn einzulegen, alles andere macht der Boden, die Sonne, der Regen, der Wind. Ich trage dazu nur wenig bei. Es ist die Lebenskraft der Natur, die ich in meinem Garten spüren kann. Es sind die Tiere, die mir dort Gesellschaft leisten, die Kröten, das Rotschwänzchen, das Eichhörnchen, der Igel, die vielen Schmetterlinge, die Ameisen, die Blattläuse. Auch eine wunderschöne lange Ringelnatter lebt in meinem Umfeld. Es gibt alles, deshalb auch Ausgleich. Ich bin davon überzeugt, dass alles da sein darf, ohne mit der Chemiekeule vernichtet zu werden. Dann regelt sich vieles ohne mein Zutun. Ein bisschen Schwund beim Gemüse ist nicht so schlimm wie Vernichtungsmittel oder Gift gegen Wühlmäuse im Boden. Ist der Ausgleich in der Tierwelt gewährleistet, lösen sich viele Probleme von selbst.

Den Garten teilen

Garten ist kein einsames Geschehen. Er wird zu einem lebendigen Garten, wenn ich ihn für andere öffne, ihn nicht nur mit den Tieren teile, sondern auch mit Familie, Freunden, Nachbarn. Wenn die Zucchini, die Gurken, die Tomaten oder die Rosen gut gedeihen, dann gibt es genug, das ich verteilen kann. Wenn ich andere an den Früchten und Blumen teilhaben lasse, können sie den Geschmack von Gurken erfahren und wie Tomaten noch nach Tomaten schmecken. Sie können sich auch in meinem Garten niederlassen, die Ruhe genießen, ihr Leben mit in den Garten bringen. Garten ist ein sozial unkompliziertes Instrument. Er fügt Menschen zusammen, lässt gemeinsame Erfahrungen zu, verbindet untereinander. Wer einen Garten hat, kennt den regen Austausch über Gelingen oder Misslingen, über neue Pflanzen, die besonders für trockene oder schattige Plätze geeignet sind, über Obstsorten, die gut gedeihen. Ich kann meine tiefe Freude, meine Dankbarkeit über das Wunder unserer Natur in den Gesprächen teilen, hier passt es hin.

Ausgleich im Geben und Nehmen

Geben und Nehmen ist im Garten nie ausgeglichen, denn der Garten gibt mir mehr als ich für ihn tun kann. Er ist ein Lebenselixier, er nährt nicht nur meinen Körper mit dem Gemüse, sondern auch meine Seele mit allem, was ich in diesem Garten erlebe. Ich kann zur Ruhe kommen, um über vieles nachzudenken. Ich kann an der Natur ablesen, welch unbeschreiblicher Plan dahinter stecken muss. Ich kann mit dieser Natur eins werden, mich in ihren Rhythmus einklinken, mich inspirieren lassen. Die Mühen, die mich der Garten kostet, werden durch vieles mehr als aufgewogen. Wenn ich ihn gut behandle, schenkt er mir alles das, was meine Seele braucht.  


Kategorie: Entdecken

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