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Frühlingsenergie – die aufblühende Natur zieht mich ins Leben

Zwei Jahre Corona, ein dreifacher Sprungbeinbruch mit einer Auszeit von fast zweieinhalb Monaten, Corona infiziert trotz Dreifachimpfung und 14 Tagen Isolation und jetzt noch der Krieg in der Ukraine, der sich jeden Tag mehr in meine Seele einbrennt. Ich dürste nach lebendigem Leben.

Ich kann wieder laufen, bin genesen aber nach dieser langen Zeit der „Isolationshaft“ auch hungrig nach Leben, nicht nur nach Bücher, Fernsehen, Online-Yoga, Telefonaten und Stille, die ich aushalten muss. Ich bin diesen Entzug von lebendigem Leben leid. Meine Fastenzeit lag schon im Januar nachdem ich mich nur noch im Rollstuhl oder auf Krücken bewegen konnte. Deshalb heißt Fasten jetzt für mich, wieder fit zu werden, meine Muskulatur zu stärken, meine Beine wieder mehr zu belasten, die Müdigkeit und Nachwirkungen der Corona-Infektion zu überwinden, meine Kondition wieder aufzubauen. Es heißt raus in die Natur, mich dem Wetter aussetzen und die lebendige Natur erleben, damit auch meine Seele wieder atmen kann. Es ist anstrengend, aber ich will wieder wirkliches Leben spüren. Nicht nur mein Körper hat auf diese Ausnahmesituationen reagiert, sondern auch meine Seele. Sie ist zu kurz gekommen, sie hat Mangelerscheinungen. Ihr fehlen die Menschen, der Sport, die Gespräche, die Umarmungen, das Lachen und das Lächeln ohne Maske, das Grün und die anderen Farben der Natur. Ich bin einfach lebenshungrig.

Ich brauche Lebendiges um mich herum

Die Natur zeigt es mir, was Leben heißt. Es macht richtig Freude, wieder in den Garten zu gehen. Mein Fuß macht mit. Die weißen Narzissen, die gelben Osterglocken und die blauen Perlhyazinthen begrüßen mich schon am Eingang zum Garten. Das Pfirsichbäumchen steht in voller Blüte, die Kamelie ist übersät mit roten Blütenknospen, die Tulpen und Vergissmeinnicht bedecken den Boden darunter. Mein Garten ist eine Heimstatt für meine Seele. Hier kann sie auftanken und alles außerhalb vergessen. Die Natur nimmt mich in ihre Obhut, so dass ich mich mit allen Sinnen auf sie einlassen kann. Ich beobachte die Meisen und Amseln, höre ihr Gezwitscher. Aus dem Nachbarwald schallt das Klopfen des Buntspechts herüber. Vier oder fünf Zitronenfalter schwirren durch die Luft, auch der Admiral und die Aurorafalter genießen sichtlich das sonnige Frühjahrswetter. Auch meine Gartenkröte lässt sich sehen und hüpft in den kleinen Teich zu den Moderlieschen, die den Winter überstanden haben. Im Vogelbecken badet ein Rotkehlchen und wäscht sich gründlich, verspritzt das Wasser um sich herum mit einer Lust, die ansteckend ist. Wie schön, dass sie alle wieder da sind. Diese verlässliche Lebendigkeit der Natur ist es wohl, die mich das Leben wieder fühlen lässt. Sie hat mich nicht im Stich gelassen. Jedes Jahr treiben die Büsche und Bäume von Neuem ihre grünen Spitzen, die Frühblüher schenken mir mit ihren bunten Blüten die Farben und die Vögel den Gesang. Ich kann gewiss sein, dass die Natur jedes Jahr mit ihrem Leben wieder kommt.

Das Lebendige mit anderen

So wie mir die Natur ihre Nähe und Verlässlichkeit zeigt, spüre ich die Sehnsucht nach Nähe und Begegnung mit Menschen. Besonders auf diejenigen, mit denen ich viele Jahre meines Lebens schon geteilt habe. Wir haben uns fast zwei Jahre nicht gesehen, am Telefon gesprochen ja aber das ist nicht das Gleiche. Ich möchte wieder in Gesichter schauen, an der Stimme, dem Mund, den Augen erkennen, wie es ihnen geht, mich mit ihnen freuen, an den Stimmungen ihres Lebens teilhaben dürfen und an meinen teilhaben lassen. Erst dann bekommt doch dieses Leben wieder eine Fülle, aus der auch meine Seele Nahrung aufnimmt. Ich möchte mich ohne diese verflixte Angst vor Ansteckung frei bewegen können. Ist das zu viel verlangt?
Im Angesicht des Leides der Menschen in der Ukraine und derer auf der Flucht, die alles Hab und Gut, ihre Heimat, liebe Menschen verlieren, könnte ich doch zufrieden sein, dass ich satt werde, es warm haben kann, wenn ich will, keine Angst um meine Lieben haben muss. Reicht das nicht zum glücklich sein? Nein es reicht gerade nicht mehr. Es wird Zeit, dass sich etwas ändert.

Zeitenwende verlangt mein Handeln

Dieser Krieg verändert das Lebensgefühl der Menschen auf der ganzen Welt und vor allem in Europa. Es wird viele Jahre dauern, bis die Konsequenzen dieses unmenschlichen Massakers bearbeitet sind. Emotional zieht mich dieser Krieg in eine Wut, in Traurigkeit und Ohnmacht, aus der ich raus muss, weil das niemandem weiterhilft. Die traumatisierten Kinder brauchen jetzt schnellst möglich Unterstützung, die Flüchtlinge eine Unterkunft und Arbeit, damit sie in ein einigermaßen „normales“ Leben, wenn man davon überhaupt sprechen kann, zurückkehren können. Sie benötigen alles, was man für ein normales Leben braucht. Von der Zahnbürste angefangen bis zum warmen Mantel. Das sind notwendige erste Hilfsmaßnahmen, die schnell passieren müssen. Die Menschen, die vor dem Nichts stehen, haben nichts davon, wenn ich in Wut oder Hilflosigkeit verharre. Sie brauchen unsere Hoffnung, unsere Empathie, unsere Zuwendung und unseren Lebenswillen, unsere Solidarität und geistige Unterstützung aber auch unsere Freude, damit auch sie bei all dem Leid in sich wieder hoffnungsvolles Leben spüren.

Ich kann etwas tun

Welche Aufgaben kommen auf mich zu? Die Energie von Gebeten und Meditationen ist nicht zu unterschätzen, denn es ist eine weltumspannende Kraft, die nicht ohne Wirkung bleibt. In meinem Morgengebet ist die Bitte um Frieden schon jeden Tag dabei und beim täglichen Yoga meditieren wir mit dem Gotthilf Fischer Chor das Lied „Frieden sei dieser Welt beschieden“. Das ist die geistige Unterstützung, damit sich die Kraft des Guten durchsetzt. Aus der Erfahrung heraus weiß ich aber auch, dass mir im Leben immer etwas vor den Füßen lag, das ich nur aufnehmen musste. Wenn ich mit wachen Augen und offenem Herzen durch die Welt gehe, kommt mir das entgegen, was ich bewältigen soll.
Nach einem Telefonat mit einer Freundin in Berlin, die in ihrer Wohngemeinschaft ukrainische Frauen mit ihren Kindern aufgenommen haben, war mir klar, ich kann mit der Räumung meines Kleider- und Schuhschrankes ein wenig Hilfe und Unterstützung leisten. Sie sind mit „Nichts“ außer sich selbst da. Es ist nicht viel, was ich für sie tun kann, aber schon die Aufgabe, ein großes Hilfspaket zu schnüren und nach Berlin zu schicken, ermöglicht mir, aktiv zu werden. Das Paket ist unterwegs. Leben findet dort statt, wo etwas geschieht, wo sich etwas bewegt, wo Menschen etwas gemeinsam zustande bringen. Morgen kann eine andere Möglichkeit zu helfen vor meiner Tür liegen.


Kategorie: Entdecken

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