Unterschiedliche Familienkulturen
Da treffen nämlich verschiedene Muster von Urgroßeltern, Großeltern und Eltern aufeinander und das gleich zweimal aus den verschiedenen Familien. Weil es meist nicht gelingt, die tieferliegenden Probleme des jeweiligen Familiensystems aus den vorherigen Generationen aufzulösen, werden diese weitergegeben und wiederholen sich dann in den nachfolgenden Generationen. Deshalb ist jede Familie immer wieder gefordert, genau hinzuschauen, wenn Probleme auftauchen. Unsere Familienbeziehungen gut zu gestalten erfordert große Aufmerksamkeit. Und dennoch gelingt das gerade nur begrenzt.
Unter jedem Dach ein Ach
Aus eigenen Erfahrungen wie aus vielen Gesprächen mit Freunden, Bekannten wie auch aus meinen Erfahrungen im Ehrenamt als Notfallseelsorgerin habe ich die Nöte in Familien sehr deutlich kennengelernt. Da gibt es Verfeindungen unter Brüdern oder Schwestern, die nie aufgelöst werden, Söhne, die keinen Frieden mit den Vätern schließen, Töchter, die ein Leben lang die Mutter ablehnen. Diese Konflikte nehmen die Beteiligten nicht mit ins Grab, sondern geben sie wie eine stille Post an die nächste oder übernächste Generation weiter.
Kinder geraten in Schwierigkeiten
Wenn wir uns solche Phänomene vor Augen führen, selbst vielleicht als Eltern betroffen sind, weil eigene Kinder ausscheren, Drogis werden oder in den Suizid gehen, dann können wir uns immer fragen: Was ist in unserem Familiensystem los? Es sind oft nicht die direkten Eltern die Ursache, sondern das System, das vielleicht schon über Generationen in dieser Familie wirksam ist.
Auch ich kenne Schweres aus meiner Familie. Ich kenne auch die Hemmung mit anderen darüber zu sprechen. Die Gefahr ist groß den Mantel des Schweigens darüber zu legen. Aber genau dieses Schweigen verursacht den Transport in die nächste Generation.
Es ist schwer zu verstehen, weshalb Geschwister sich manchmal so verschieden entwickeln können, obgleich sie von den gleichen Eltern und in ähnlicher Weise erzogen wurden.
Mit anderen reden
Wenn ich den Mut finde, mit anderen meine und ihre Familienerfahrungen zu teilen, wird die Last erst geringer. Wir stellen auch fest, dass wir nicht alleine mit unseren Erfahrungen stehen, dass andere ähnliche Situationen kennen. Das Gespräch darüber öffnet vieles. Es holt das Geschehen ans Licht. Damit verliert es oft schon seinen Schrecken, bleibt nicht im Nebulösen hängen und wird nicht verdrängt. Das Tabu, möglichst die Dinge im Dunkeln zu lassen, weil ja nach außen hin alles stimmen muss, ist gebrochen. Das entlastet, denn wer kennt nicht die Vorwürfe die wir uns selbst machen, die Schuld, die wir oder andere bei uns suchen, etwas in der Gestaltung von Familienbeziehungen oder in der Erziehung der Kinder unterlassen zu haben.
Was im Untergrund bleibt, macht krank
Die Wissenschaft und die Therapeuten wissen inzwischen, dass unter dem Deckel gehaltene Probleme die Beteiligten nicht entlasten und die Probleme weiter wirken lassen. So wie wir Häuser, Geld und Autos vererben, so vererben wir auch die ungelösten Konflikte. Wenn wir sie nicht auflösen, reproduzieren sie sich in den nächsten Generationen. Wir haben nur die Chance, aus diesem Kreislauf auszusteigen, wenn wir offen mit diesen Problemen umgehen. Wir sollten uns fragen, weshalb wir diese im Untergrund wirkenden destruktiven Kräfte tabuisieren, obwohl wir doch überzeugt sind in einer offenen Gesellschaft zu leben, in der alles Thema werden kann.
Wann gelingen solche Gespräche
Gespräche über persönliche Probleme brauchen einen geschützten Raum, d.h. Menschen, denen ich vertrauen kann. Es braucht auch eine bestimmte Art des Gespräches.
Ich treffe mich seit über 40 Jahren mit Freundinnen in verschiedenen Gruppen. Es sind immer kleine Runden. Wir haben uns eine vertraute Atmosphäre geschaffen, in der wir persönlich von uns reden können. Bei jedem Treffen erzählen wir erst einmal nacheinander, wie es jeder geht. Jede kommt zu Wort. Wir fragen nach. Wir hören uns zu. Es gibt keine Parallel-Gespräche. Da kommen dann auch häufiger akute Probleme auf den Tisch, auch solche, über die wir nicht überall reden würden. Allein das Aussprechen entlastet. Da braucht es keine Ratschläge oder Ähnliches. Meist kennen wir ähnliche Situationen selbst, die dann mit ins Gespräch fließen. Wir können dann gemeinsam das aufarbeiten, was jeden von uns belastet, aber auch das ins Wort bringen, was sich vielleicht auch in der Gruppe als Konflikt anbahnt. Ich kann sicher sein, dass nicht über mich und meine Probleme woanders gesprochen wird. Dieser Schutz hilft, mich auch an die empfindlichen Seiten der eigenen Lebensprobleme zu wagen.
Gesprächsregeln
Wenn ich genau hinschaue, dann gibt es für diese Gespräche einige Regeln.
- Jeder kommt zu Wort.
- Wir hören uns gegenseitig zu.
- Das Gesagte bleibt in der Gruppe und wird nicht nach außen getragen.
- Probleme werden angehört, sie werden nicht bewertet.
- Wer Hilfe braucht sagt es.
- Wir reden nicht über andere, sondern nur von uns selbst, denn unser Leben ist reich genug.
Diese Regeln haben sich inzwischen in den Kreisen wie selbstverständlich eingenistet. Wäre da jemand dabei, die bewertend, abwertend oder besserwisserisch auf persönliche Probleme reagieren würde, wäre das mit der guten Atmosphäre aus. Niemand würde mehr seine persönlichen Nöte erzählen können.
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