Parasol-Pilze, Foto: hinsehen.net J.M.

Behütet - eine Herbst-Meditation

Es ist nebelig und nass - Novembergrau. Ich breche trotzdem auf. Ich brauche nur ein paar Schritte zu gehen, dann bin ich schon in der Natur. Am Wegrand ein großer Parasolpilz, der den Schirm bereits geöffnet hat und ein kleiner, der sich darunter im Schutze entwickeln kann. Ein Bild das mich in meiner Seele anrührt.

Eigentlich nicht mein bevorzugtes Wetter zum Laufen. Aber mich drängt es raus in den Wald. Weg von Häusern und dem Verkehr. Meine Füße tragen mich mit jedem Schritt weiter den Berg hinauf durch eine frisch gemähte Wiese, die vom Regen in der Nacht noch ganz feucht ist. Die Wassertropfen legen sich auf meine Schuhe. Was bin Ich froh, dass sie wasserdicht sind, ich würde sonst mit nass, quietschenden Füßen in den Schuhen gehen. Meine Walkingstöcke helfen mir, auch an rutschigen Stellen gut vorwärts zu kommen.

Samtiger Waldboden

Der Weg geht in ein großes Waldstück über. Der samtige, weiche Moosboden ist bedeckt mit buntem bereits ein wenig abgetrocknetem Laub. Seit ein paar Tagen lassen die Bäume ihr Laubkleid fallen. Sie wollen in den wohlverdienten Winterschlaf. Ein paar Windböen bewegen die Äste der Esskastanien, deren Früchte den Weg stellenweise bedecken. Die stacheligen Schalen sind bereits aufgebrochen. Kleine braune Spitzen schauen an den offenen Stellen heraus. Zwei, manchmal drei kleine Früchte verbergen sich in dieser genialen Schutzhülle. Sie sind mir aber zu stachelig und zu klein, um sie einzusammeln.

Alles hängt mit allem zusammen

Ich gehe weiter bergan, mein Blick ist auf den Weg gerichtet. Das Laub ist schon fast knöchelhoch, es raschelt bei jedem Schritt. Ein Knistern aus Kindertagen. Ich liebte es schon damals, mit den Füßen das Laub vor mir her in kleine Hügel zu schieben. Dabei kann Ich den modrigen, erdigen Duft der Blätter noch intensiver riechen. Erinnerungen an eine sorglose, unbeschwerte Zeit als Kind werden ganz präsent. Die Natur mit ihren Wiesen und Wäldern, den Beeren und Pilzen, den Vögeln und kleinen Kriechtieren war mein tägliches Spielzimmer in dem ich soviel entdecken, beobachten, aufnehmen konnte. Mit dieser Natur habe ich schon als Kind Freundschaft geschlossen, die von einem tiefen Gefühl der Zugehörigkeit, Geborgenheit und Gemeinsamkeit geprägt ist. Ein Gefühl von Schutz und Vertrauen. Hier kann ich spüren, wie alles mit allem zusammenhängt. Wie sich Pflanzen, Bäume und die Tierwelt untereinander verständigen, sich gegenseitig unterstützen, wenn es notwendig wird. Wir kennen die Symbiose der Pilze mit den Wurzeln der Bäume. Meine Gedanken holen meine Erfahrungen ein, vermischen sich mit dem Geruch des Waldes. Ich spüre große Dankbarkeit für diese Naturerfahrung, die auch mich lebendig hält.

Eine zweite Vegetationszeit

Der noch relativ warme November in diesem Jahr lockt den Parasolpilz ein zweites Mal in dieser Saison aus der Erde. Er hat schon im August mit seinen schönen runden gemusterten Köpfen und später mit den ausgebreiteten Schirmen den Wald geschmückt. Mir auch so manches Mittagessen geschenkt. Wunderschöne Exemplare stehen auch heute am Wegesrand. Ich bringe es nicht über das Herz diese beiden mitzunehmen. Ich mache nur ein Foto. Lasse sie aber auch zur Freude anderer stehen.

Dem Geist der Natur nahekommen

Im Gehen kreisen meine Gedanken um die Frage nach dem Geist, der in der Natur wirksam ist. Er ist nicht direkt zu sehen, ich kann ihn nicht anfassen, aber ich spüre ihn. Ich spüre seine Kraft, seine Lebendigkeit, ganz besonders wenn die verschiedenen Jahreszeiten im Wandel sind. Jetzt im Übergang vom Sommer zum Herbst, kann ich es wieder gut beobachten. Der Nebel lichtet sich gerade, um ein paar blassen Sonnenstrahlen Platz zu machen. Die Blätter verändern sich in verschiedene Farbnuancen, Stürme fegen durch die Baumwipfel, damit das Sommerkleid fallen kann. Windböen lassen abgestorbene Äste brechen, damit sich die Bäume verjüngen. Der Wald lichtet sich, um Platz für Licht und Sonne zu schaffen, damit die neue Saat im Frühling nach der Winterpause, wachsen kann. Nur noch einzelne Vögel singen ihr Lied zum Abschied in die Winterruhe. Der Eichelhäher ruft im Vorbeigehen.  

In dieser Lebendigkeit muss Intelligenz stecken. Eine Intelligenz, die Zukunft will, die Entwicklung unterstützt, die Kraft hat, jedes Jahr neu aufzustehen, um für mich da zu sein, damit ich leben kann. Sie nährt mich, beschützt mich vor Einsamkeit, gibt mir die Luft zum Atmen, die Freude an Farben, zeigt mir einen Frieden wie er auch unter uns Menschen sein könnte. Ich danke für diese Erfahrungen, verbinde mich mit ihr innerlich. Da kommt der Geist mir ziemlich nahe.


Kategorie: Entdecken

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