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Macht Corona stressfrei?

Für diejenigen, die im aktiven Arbeitsprozess stehen, ist der erneute Lockdown beängstigend. Nicht nur fühlen sich Viele in ihrer Existenz bedroht. Unsere deutsche Mentalität verlangt, dass wir immer etwas zu tun haben müssen. Weiter, höher, mehr. Stillstand geht nicht. Auch nicht für Senioren. Von Kleinauf lernen wir, dass Nichtstun Müßiggang ist.

Weshalb hetzen wir uns so?

Ich habe nicht gelernt, „nichts“ zu tun. Für viele Menschen ist es wie für mich eine Herausforderung, wenn nichts „los“ ist. Schaue ich auf meinen Alltag, dann habe ich auch jetzt als Rentnerin und trotz Lockdown immer irgendetwas zu tun. Es hört nie auf. Da sind die alltäglichen Dinge, wie Haushalt und Garten, Kochen und Aufräumen, es stapelt sich die Wäsche, die gebügelt werden will oder der Keller schreit nach Entrümpelung. Der Kleiderschrank braucht wieder mal etwas mehr Luft. Dann sind da die Telefonate am Tag, die Post, die Banküberweisungen, die Steuer und Buchhaltung, das Grab auf dem Friedhof. Selbst wenn ich das alles hinter mir habe und endlich mein Buch weiterlesen kann, sind noch tausend Sachen offen, die unerledigt rumliegen. Wie muss es erst gewesen sein, als ich auch noch einen Achtstunden Arbeitstag zu bewältigen hatte? Dieses Grundgefühl, dass die Zeit nicht reicht, führt doch zwangsläufig zu innerem Druck. Wofür?

Freizeitstress

Nicht nur unsere Pflichten halten uns auf Trapp, auch unsere Freizeitwünsche. Wir haben mit zunehmendem Wohlstand einen hohen Anspruch an unsere freie Zeit entwickelt. Es soll möglichst viel Neues, Interessantes passieren, mal wieder verreisen, sich mit Leuten treffen, shoppen gehen, Ausstellungen oder Konzerte besuchen. Unsere work-live-balance versuchen wir durch Wochenend - Wellness hinzubekommen. Selbst in der Freizeit treibt uns etwas an, was nicht unbedingt unserer Gesundheit dient. Die Zeit scheint so begrenzt, dass wir wie zwanghaft immer noch mehr hineinpressen müssen. Liegt es auch daran, dass wir jetzt, solange wir leben, noch viel erleben wollen, weil wir vom Leben danach ja nichts mehr erwarten? Vor Corona waren die Tage voll von Terminen. Für Begegnungen mussten die Treffen frühzeitig vereinbart werden, damit sie überhaupt zustande kamen. Wenn ich heute in meinen Kalender schaue, sieht er ziemlich leer aus. In mir regt sich so etwas wie: „So langsam darf das Leben doch nicht gehen“.

Aber es geht mit sehr viel weniger

Wenn die Getriebenheit wegfällt, passiert etwas in mir. Ich spüre schon seit einigen Monaten durch die Erfahrungen mit Corona, dass dieser innere Druck nach ständig neuen Erlebnissen nicht nur ungesund, sondern auch unnötig ist. Vieles geht mir in der Ruhe besser von der Hand. Wenn ich es mit Sorgfalt und Geduld mache und nicht schon der nächste Termin ansteht. Um mir Zeit zum Überlegen zu nehmen, um Dinge gut durchzudenken, muss ich die Ruhe aber auch aushalten. Die Corona Monate haben mich in einen neuen Zustand versetzt, den ich so noch nicht kannte. Die Entschleunigung, die sich einstellt, wenn die Impulse von außen nachlassen, ist in meinem Leben neu. Ich bin auf mich und meine eigene Kreativität verwiesen, um mein Leben lebendig zu halten. Auf der einen Seite erlebe ich die Ruhe als wohltuend, weil ich mich in einer anderen Weise mit den wirklich wichtigen Fragen des Lebens auseinandersetzen kann. Auf der anderen Seite frage ich mich aber auch, wieso ich so anfällig dafür bin, mich immer wieder durch neue Impulse antreiben zu lassen, sowohl von mir selbst als auch von anderen? In der Coronazeit fehlen die Antreiber von außen. Da entstehen Leerstellen. Ich versuche jeden Tag neu herauszufinden, wie ich dieses Vakuum kreativ füllen kann. Ich bin mit dem, was mich umgibt, dem Garten, dem Wald, meiner Wohnung, konfrontiert. Dort muss ich auch nach Lösungen suchen. Und es geht, holprig, aber es geht. Mir fällt auf, dass ich gar nicht so viel brauche, wie ich immer dachte.

Die Seele blieb zugedeckt

Mir drängt sich immer mehr der Gedanke auf, dass unser Leben, auch mein eigenes, bis ich in Rente ging, überwiegend durch die Arbeit definiert wird. Aber leben heißt auch, meinen inneren Menschen zur Entfaltung zu bringen, mein Seelenleben nicht zu vergessen. Mit den vielen Anforderungen an meine Zeit hat die Seele oft gar keine Chance. Sie lebt ja ganz bescheiden tief in mir. Sie kann viel aushalten, beklagt sich nicht, schreit nicht. Wir bemerken sie oft erst, wenn wir unzufrieden oder depressiv werden, wenn uns das „Wasser“ bis zum Hals steht, wenn wir nach dem Sinn des Ganzen fragen. Dann spüre ich, dass mir etwas fehlt. Nicht immer liegt das offen auf der Hand, um was es meiner Seele geht. Ich brauche Zeit und Ruhe, damit ich nachspüren kann. Wenn ich aber den ganzen Tag „rödle“, bleibt dafür nicht viel Spielraum. Arbeit ist in einem bestimmten Umfang notwendig, aber wenn sie meine ganze Zeit in Anspruch nimmt, komme ich ja überhaupt nicht zu mir selbst. Gibt mir Corona die Chance, für mehr Innenleben und damit auch für mehr Wachsen meiner Person? Ich glaube, dass wir ein neues Verständnis zwischen Arbeit und Leben finden können. Eine Lösung, die den Ausgleich ermöglicht. Der Lockdown, so schlimm er sich auch für manche anfühlt, er fordert mich heraus, meine Lebenszeit jeden Tag für mein Leben zu nutzen. Es braucht Kreativität, um die Leere zu füllen. Damit für manche Berufsgruppen diese Leerstellen überhaupt entstehen können, sind neue Arbeitsmodelle notwendig. Homeoffice ist schon ein kleiner Beitrag, denn es schafft Freiräume für die Familie, wie für das, was uns gesund hält. Aber auch die Künstliche Intelligenz wird das Arbeitsleben neu umschichten, die Leerstellen zur Folge haben werden. Sie wird viele Tätigkeiten übernehmen, für die wir bisher unsere Lebenszeit eingesetzt haben. KI wird z. B. mein Schreiben ersetzen können, denn sie wird in der Lage sein, meine Texte mit ein paar Vorgaben von mir zu schreiben. Für mich bleiben dann noch die Korrekturen und zugleich mehr freie Zeit.

Entscheidungssicherheit gewinnen

Um die Freiräume nicht in der Langeweile versinken zu lassen, brauche ich Ideen. Mich hat Corona erst einmal lahmgelegt, mir viele meiner Lebensgewohnheiten ins „Aus“ gesetzt, mir aber auch die Notwendigkeit aufgezwungen, mich neu zu orientieren. Ich hatte und habe Zeit darüber nachzudenken, was wirklich wichtig für mein Leben ist, was ich brauche, um es auch in diesen Zeiten zu steuern. Je mehr mir klar wird, um was es mir im Leben gehen soll, welchen Werten ich folgen will, was ich bewahren oder ablegen will, desto eher bin ich in der Lage mich von den Impulsen zu distanzieren, die mich von diesem Weg abbringen. Ich kann mehr Unterscheidungssicherheit gewinnen, wenn ich mir die Zeit nehme, auf das zu schauen, was für mein Leben stimmig erscheint. Es hat sich in mir schon Einiges geklärt und entzerrt, ich habe mich auch innerlich von manchem bereits verabschiedet. Ich spüre natürlich wie andere auch, dass ich mich schwer tue, auf bestimmte liebgewordene Gewohnheiten zu verzichten. Dazu gehören meine regelmäßigen Saunabesuche, wie meine wöchentlichen Trainingsstunden im Schwimmbad.

Wenn wir nach dem Tod kein Paradies erwarten, sondern alles sich in der Lebesnspanne auf dieser Erde verwirklichen und erleben wollen, müssen wir die Zeit intensiv nutzen. Hier zum Beitrag: Kein Jenseits mehr nötig

Wie Künstliche Intelligenz inzwischen Autorenarbeit erledigt: Künstliche Intelligenz bedroht Textarbeiter


Kategorie: Analysiert

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