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Lohnt sich Demokratie?

„Wir brauchen die Demokratie, aber noch mehr braucht inzwischen die Demokratie uns“! In seiner Weihnachtsansprache lenkte Walter Steinmeier mit diesem Zitat unseren Blick darauf, besser auf unsere Demokratie zu achten. Bedeutet das eigentlich etwas für jeden von uns oder nur für die Parteien?

Wie entwickelte sich Demokratie?

Ich bin in den Aufbau eines demokratischen Staates hineingeboren. Ich hatte keine Erfahrungen mit autoritären oder diktatorischen Systemen, ich musste mich nie darin bewegen, noch zurechtfinden. Die Diktatur des Dritten Reiches hat aber Menschen hinterlassen, deren Verhalten und Grundhaltungen nicht so schnell verwandelbar waren. Der Wandel in der Politik musste sich erst in den Menschen nach und nach vollziehen. Das war nicht einfach, denn ich habe noch als junge Frau erlebt, wie sich autoritäres Verhalten in der Familie, in Kindergarten und Schule, in den Kirchen und dem Arbeitsleben anfühlt, wie viel Angst und Druck erzeugt wurde und wie eng und unfrei das Lebensgefühl war.

Demokratie geht nicht autoritär

Was habe ich von einer Demokratie? Was ermöglicht sie mir?
Freie Wahlen ermöglichen uns als Mann oder Frau gleichberechtigt unseren politischen Ansichten Ausdruck zu geben. Wir können darauf vertrauen, dass es in der Politik ein Mehrheits- oder Konsensprinzip gibt, dass nicht einer allein oder nur eine kleine Gruppe die wichtigen Entscheidungen treffen, dass es eine Verfassung gibt, die unsere Menschenrechte definiert unsere Rechte und Würde sichert. Dass Andersdenkende, wenn sie die Menschenrechte achten, einen Platz in unserer Gesellschaft haben. Ich könnte noch vieles dazu setzen, denn wir haben noch mehr Voraussetzungen für eine funktionierende Demokratie geschaffen. Doch das sichert nicht unbedingt einen demokratischen Führungsstil in den Unternehmen, den Institutionen, den Familien.

Es braucht mehr Demokratie im Zusammenleben

Habe ich meinen Beitrag zur Demokratie bereits geleistet, wenn ich hin und wieder einen Stimmzettel in die Wahlurne werfe? In den neuen Bundesländern hat sich gezeigt, dass freie Wahlen nicht schon Demokratisierung für alle Menschen bedeuten. Auch die Bundesrepublik hatte mit Relikten der vergangenen Diktatur zu kämpfen. Sind nicht auch in den Unternehmen noch viele autoritäre Spuren in den Führungsebenen? Es scheint lange zu dauern, bis sich Demokratie im Führungsstil wie in Unternehmensstrukturen niederschlägt. Die nächsten Generationen der Millennials wie die Generation Z reagieren bereits auf direktives, wie autoritäres Führungsverhalten. Sie setzen sich aber nicht wie die Achtundsechziger-Generation offensiv mit Autoritäten auseinander, sondern gehen einfach weg. Sie entziehen sich dem Druck. Ein demokratisches Führungsverhalten ist gefragt. Wenn ich Führungskraft bin, unabhängig davon in welchem Unternehmen oder in welcher Einrichtung, dann braucht es in meiner Führung mehr Anwendung von Demokratie, um die nächsten Generationen zu erreichen.

Unternehmen brauchen demokratische Führungskonzepte

Es wird Zeit, nicht nur politisch, sondern auch in Unternehmen und Institutionen mehr Demokratie zu leben. Damit Demokratie nicht nur mit dem Wahlzettel stattfindet, sondern auch im Alltag erlebt wird, muss sie auch dort erfahrbar sein, wo wir die meiste Zeit unseres Lebens verbringen. Wie kann die Führung ihre Aufgaben neu verstehen?
Wer seine Mitarbeiter*innen als höchstes Gut im Unternehmen betrachtet, wird seinen Blick mehr auf das lenken können, was die Mitarbeiter brauchen, damit sie mit ihrer Motivation das Unternehmen unterstützen. Auch geht es darum, die innere Beteiligung der Mitarbeiter nachhaltiger zu wecken, ihren kreativen Kräften Raum zu geben, sie an der Verbesserung von Arbeitsabläufen zu beteiligen, damit diese menschlicher werden. Aber auch die Weiterentwicklung eines Unternehmens sollten Führungskräfte nicht im Alleingang hinter verschlossenen Türen entscheiden, sondern die Mitarbeiter am Entwicklungsprozess beteiligen.

Für die Umsetzung dieser Führungsideen brauchen die Führungskräfte sehr viel mehr Vertrauen in die Mitarbeiter*innen. Denn nur so kommen sie deren Sinnsuche, die sie nicht zuletzt in ihrem Beruf verwirklichen wollen, wie ihrer Kreativität, mit der sie Verbesserungen von Arbeitsabläufen mitgestalten können, entgegen.  Mitarbeiter*innen wollen mit ihren Kompetenzen ernst genommen werden und sich beteiligt fühlen. Mit dem Vertrauen in sie, können Führungskräfte erreichen, dass sich die Mitarbeiter mehr mit dem Unternehmen identifizieren, Verantwortung für den Erfolg mit übernehmen, was zu weniger Kündigungen oder Ausstiegen führt. Natürlich kann dieses Vertrauen auch von einigen missbraucht werden. Die Korrektur muss dann nicht von der Leitung kommen, sondern erfolgt aus dem Kollegenkreis.

Stress abbauen

Führungskräften gelingt dieses Vertrauen in die Mitarbeiterschaft besser dann, wenn sie sich von ihrem eigenen Stress verabschieden, der meist dadurch entsteht, dass sie sich alleine für alles verantwortlich fühlen. Wenn sie jeden Arbeitsschritt akribisch durchplanen und kontrollieren, den Möglichkeiten der Mitarbeiter*innen zu wenig Raum für Entfaltung bieten, lastet alle Verantwortung auf ihnen und die Mitarbeiter*innen sind nur Ausführende. So paradox das klingt, wenn sich Führungskräfte mehr Zeit für die Mitarbeiter*innen nehmen gewinnen sie mehr innere Ruhe und Gelassenheit. Wenn sie die Verantwortung auf mehr Schultern verteilen, überwinden sie eher die Angst davor, dass Einzelne, indem sie sich Vorteile verschaffen, das Ganze ins Wanken bringen könnten.

Andreas Schnabel und Klaus Dehner beschreiben den Wandel in ihrem Beitrag vom Management zum Menschment in der FAZ


Kategorie: Analysiert

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