Bild von Pixource auf Pixabay

Es ist oft nicht „Schicksal“, sondern gemacht

Wie blicken wir eigentlich auf schlimme Ereignisse, die uns im Leben widerfahren sind oder in der Welt passieren. Wenn wir sie nicht erklären können, sagen wir leichthin: „Das war eben Schicksal“, oder auch „Zufall“. Das war „Gottes Strafe“ kommt uns nicht mehr so leicht über die Lippen.

 Widerfahrnisse erfordern Deutung

Auf welcher Folie deute ich solche Ereignisse? Diese Deutung orientiert sich daran, wie ich mich in der Welt verstehe, wie ich sie erkläre, woran ich glaube. Wenn ich an Schicksal glaube, glaube ich daran, dass es eine höhere Macht gibt, die Einfluss auf mein Leben nimmt. Dieser Macht fühle ich mich hilflos ausgeliefert. Es ist zwecklos, mich gegen sie zu wehren. Denn alles, was ich mit meiner Freiheit noch beeinflussen kann, nennen wir ja nicht Schicksal. Aber welche Macht ist das, die uns so unfrei machen kann und mit der wir nicht kommunizieren können? Oder benutzen wir nur die Worte „so“ und denken uns nichts dabei? Die Deutungen „das war Zufall“ oder „Glück gehabt“ benutzen wir lockerer, weil sie auch für schöne Ereignisse gebraucht werden. Sie sind wie beim Schicksal allerdings auch nicht erklärbare Situationen. So bringen wir sie auch weniger mit einer höheren Macht in Verbindung. „Es war zufällig“, „es ist mir zu-gefallen.“ Wenn Zufall aber auch meine Lebensdeutung ist, dann ist möglicherweise auch mein Leben nur zufällig. Muss ich mich da nicht fragen, wenn ich so zufällig bin, wieso ich dann die Frage nach dem Sinn des Lebens stellen kann?

Schicksal ist oft „Sich-Herausreden“

Wir können uns die Erklärung, was oft Schicksal ist, am Corona-Virus verdeutlichen. War die Ansteckung der ersten Heinsberger Bürger nun Schicksal?
Für die Menschen, die in den Anfängen nicht wussten, dass sie sich anstecken können, war es vermutlich Zufall. Aber dass sich das Virus weltweit so ausbreiten konnte, dass es von Wuhan aus die Reise um die Welt angetreten hat, war kein Schicksal, sondern die Folge von Entscheidungen.
Hätten die kommunistischen Parteikader nicht aus Angst vor Machtverlust verschwiegen, dass das Virus bereits im Dezember nachweisbar war, dann hätten die Viren vermutlich die Stadt Wuhan nicht verlassen. Die Pandemie hätte tatsächlich verhindert werden können. Wenn auch wir uns jetzt nicht an die Corona-Regeln halten und erkranken, dann ist das ebenfalls kein Schicksal, sondern Leichtsinn.
Vergleichbares gilt für die vielen Toten 2004 beim Tsunami vor dem thailändischen Badeort Phuket. Das war auch kein Schicksal, sondern die Folge von Fehlentscheidungen bei der Bebauung der Insel. Da wurden Hotels bis an den Rand des Meeres gebaut, obwohl bekannt war, dass in dieser Gegend mit Tsunamis zu rechnen ist. Das war ein Zuwiderhandeln gegen die Gesetze der Natur, indem Geld als der höhere Wert im Vergleich zur Sicherheit der Menschen gesetzt wurde. Hinzukommt, dass wir immer mehr das Gespür für das verlieren, was in unserer Natur passiert. Die Tiere auf einer Inselgruppe zwischen Thailand und Indien hatten sich rechtzeitig in das Landesinnere geflüchtet, weil sie den Tsunami kommen spürten. Ihnen waren die Bewohner der Insel gefolgt, die noch weitgehend ohne Berührung mit der technischen Zivilisation leben. Draus haben wir aber nimmer noch nicht die Konsequenz gezogen, uns nicht noch mehr von der Natur zu entfremden, weil unser Leben nur in der Verbindung mit der Natur gelingt.
Die Ökokrise ist weder Zufall noch Schicksal, die weder eine höhere Macht noch Gott verschuldet hat, sondern die von uns Menschen verursacht ist. Wenn wir das unter Schicksal abtun, dann ziehen wir uns mit der Schicksals-Nummer aus der Verantwortung. Vieles von dem was in unserem Leben und um uns herum geschieht, ist von uns selbst verursacht. Auch das Virus Covid 19 ist kein Zufall oder Schicksal, sondern durch die nicht artgerechte Tierhaltung auf den Menschen übertragen worden.  

Es hängt oft von weit zurückliegenden Entscheidungen ab

Wir steuern unser Leben durch Entscheidungen und können es durchaus in eine Katastrophe lenken. Wir kommen immer wieder bei Entscheidungssituationen an, die wie Kreuzungen auf uns zukommen. An einer solchen Entscheidungs-Kreuzung wählen wir, in welche Richtung wir unser Lebensschiff lenken wollen. Ich kann rechts oder links abbiegen, kann geradeaus oder zurück. Es ist meine eigene freie Entscheidung. Dabei spielt es aber eine große Rolle, auf welchem Werthintergrund ich entscheide. Entscheide ich mit dem Blick auf das, was meine Entscheidungen an Konsequenzen nach sich ziehen? Denke ich daran, was meine Entscheidungen für Nachteile mit sich bringen? Schaue ich darauf, was ich mit meinen Entscheidungen bei anderen Menschen auslöse? Das sind Fragen, die mir helfen können, so zu entscheiden, dass sowohl mein Leben als auch das der anderen sich entwickeln kann.

Widerfahrnisse nach einer Entscheidung

Wenn mir dann etwas Außergewöhnliches auf diesem Weg geschieht, kann ich mich natürlich mit dem Zufall oder dem Schicksal herausreden, um mich so von eigener Verantwortung zu entlasten. Aber wenn ich genauer hinschaue, dann entdecke ich vielleicht doch, dass ich nicht alles im Blick hatte, dass ich vielleicht nicht lange genug abgewogen habe.
Bei den Hotelbauten in Phuket wurden viele Argumente nicht berücksichtigt, da stand der Gewinn im Vordergrund. Die Projektoren hätten erkennen können, dass das Vorhaben nicht ohne Gefahr für Leib und Seele von Menschen realisiert werden konnte. Hier war es nicht das Schicksal das zugeschlagen hat, sondern es haben sich die Folgen unserer Entscheidung eingestellt.
Das, was ich heute vielleicht als Schicksal interpretiere, habe ich nicht selten mit einer Entscheidung oder einer Unterlassung vor Jahren selbst eingefädelt. Um herauszufinden, woran etwas gescheitert ist, müsste ich mir die Mühe machen so weit wie möglich zurück zu recherchieren.

Strukturelle Schuld

Ich übernehme auch die Folgen von Entscheidungen anderer. Die Therapie-Methode Systemik, die mit Familienaufstellungen arbeitet, kann die Wurzeln freilegen, die über Generationen zu Unheil geführt haben. Meist sind es nicht erkannte Fehlverhalten. Da hören wir dann auch schon mal die Aussage „die Familie ist vom Schicksal verfolgt“.

Fehlverhalten das nicht korrigiert wird, setzt sich über Generationen weiter fort. Nicht nur in Familien, sondern auch in anderen Systemen, wie Unternehmen, Institutionen. Jedes System ist gefährdet, mit Fehlverhalten und damit auch Fehlentscheidungen Situationen herzustellen, die nicht öffentlich werden dürfen, weil sie so gravierend, so schlimm, manchmal sogar kriminell sind. Darunter fallen oft psychische Verletzungen, Missbrauch, aber auch Unterschlagungen, nicht aufgeklärte Umweltverseuchung und vieles andere. Da diese Vorfälle nicht öffentlich werden dürfen, gibt es auch nur wenige Eingeweihte die davon Kenntnis haben. Diese werden zum Stillschweigen gezwungen.
Damit wird es zum „Geheimnis“ einer Familie, einer Institution, des Unternehmens. Es bleibt im Untergrund, trägt sich aber in die nächsten Generationen weiter, wo es sich solange reproduziert, bis es endlich von jemandem öffentlich gemacht wird. Wir können das an vielen Skandalen beobachten. Deren Ursache liegt oft sehr weit zurück, so dass das Unheil immer schwerer zu erklären ist, um dann als Schicksal hingestellt zu werden. 


Donna Tartt hat in ihrem Roman „Die geheime Geschichte“ eine solche Schuldverstrickung minutiös beschrieben und die Folgen, die sie für Überlebende hatten.
Wie sexueller Missbrauch über Jahre praktiziert werden konnte, ist in schriftlichen Berichten und in Filmen inzwischen in den Mechanismen aufgezeigt worden. 


Kategorie: Analysiert

Kommentare (0)

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben

Zum Seitenanfang