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Welcher Gottheit huldigt der Karneval?

Feste sind Huldigungen. An den Fastnachtstagen scheint der Gott des Spaßes gefeiert zu werden. Wer ist dieser Gott? Ist es eine germanische Gottheit, die verchristlicht werden müsste, indem sie in den Sonntagsgottesdienst hineingeholt wird?

Entspringt der Karneval christlichen Wurzeln, so dass Karneval gar nicht in den Gottesdienst hineingeholt werden müsste. Immer mehr Pfarrer wollen wohl zeigen, dass Christentum und Spaß sich nicht gegenseitig ausschließen. Da war das Mittelalter intelligenter aufgestellt als die einfache Version: „Wir verstehen doch auch Spaß!“.

Karneval ist eine Kreation des Hochmittelalters

Es sind keine urgermanischen Vorstellungen, die die Betondecke des Christlichen, die das "gesunde Germanische" fast erstickt hätten, durchgebrochen haben. Augustinus ist der Ideengeber, wie Dietz Rüdiger Moser in „Fastnacht-Fasching-Karneval“ nachgewiesen hat. Der Ideengeber war Augustinus. Er hat die für das Mittelalter noch maßgebende Vorstellung der "Zwei Reiche" entwickelt. Er war der meist gelesene Theologe, denn die Geistesgrößen des 12. und 13. Jahrhunderts mussten ja erst einmal hundertmal und mehr abgeschrieben werden, ehe sie europaweit rezipiert werden konnten. Allerdings tritt in seinem umfänglichen Werk "Gottesstaat" die Konturen der beiden Reiche nicht so prägnant zum Ausdruck wie z.B. in der Betrachtung der Zwei Banner des Ignatius v. Loyola. Der Meditierende wird vor die Frage gestellt, unter welchem Banner er dienen will. Im Lager des Teufels geht es wie an Karneval zu. Der Meditierende soll sich vorstellen:

„Ein großes Feldlager in der Gegend von Babylon, wo der Anführer der Feinde Luzifer ist. … wo er auf einem großen Thron aus Feuer und Rauch sitzt, in furchtbarer, schrecklicher Gestalt … und die er sie auffordert, Netze und Ketten auszuwerfen. Dass sie zuerst die Begierde nach Reichtümern in Versuchung führen solle, wie dies in den meisten Fällen zu geschehen pflegt, damit man leichter zu eitler Ehre der Welt gelange und danach zu gesteigerten Hochmut.“               Exerzitienbuch Nr. 138ff

Es ist laut, es stinkt und Rauch gehören zum Lager Luzifers, der allerdings in den Karnevalskostümen nur selten dargestellt wird. Dafür die Laster in den Masken. Der Narr gilt als der, der zu dumm ist, aus der Schöpfung den Schöpfer zu erkennen. Narretei ist das, was der Karneval in den Büttenreden und auf den Wagen zur Darstellung bringt. Dass die Wagen als Narrenschiffe gestaltet werden, geht auf einen Autor des 15.Jahrhunderts zurück.

Die Zahl der Gesetzlosigkeit

Der Rheinische Karneval hat von den Jakobinern nicht einfach den Elfer-Rar übernommen, sondern auch die tiefere Symbolik verstanden. Denn die Zahl 11 steht für den Bereich, der nicht durch die 10 Gebote geregelt wird und damit für Gesetzlosigkeit. Karneval wird auch heute noch so verstanden, dass man ohne Maß Alkohol konsumieren muss, dass sexuelle Freizügigkeit gewährt ist, dass man andere beleidigen kann. 

Karnevalswagen

1494 veröffentlichte Sebastian Brant in Basel das Narrenschiff. 112Ausformen menschlicher Laster, Unklugheiten, Fehlurteilen und Kurzsichtigkeit werden beschrieben. Er nennt die Fastnacht der „Narren Kirchweih“. Das Narrenschiff treibt ohne Segel und Ruder über das Meer des Lebens und wird bei den Umzügen aktualisiert durch die Straßen gefahren. Die Büttenreden spinnen Brants Beobachtungen weiter 

Damit ist der Karneval keine Zeit unbeschwerter Fröhlichkeit, sondern bitterer Kritik am Fehlverhalten und der Verführbarkeit des Menschen. Brant stellt am Ende seines Buches den vielen Variationen menschlicher Verfehlungen den „Weisen Mann“. Er ist in der Lage, über sich zu reflektieren:
„was er getan den langen Tag,
was übersehn er haben mag,
was er beizeiten sollt‘ betrachten,
worauf er tat zur Unzeit achten,
….
warum er Arme übersehn,
...
warum er dies gefangen an,
und warum jenes nicht getan:

Warum er gefolgt natürlichem Hang,
sein Herz zur Zucht nicht zog und Zwang?

bedenkt die Sachen, die er tut,
verwirft, was schlecht und lob, was gut…

Aus Sebastian Brant, Das Narrenschiff, Marix-Verlag, Wiesbaden 2004

Da der Karneval die Gegenwelt zur Fastenzeit darstellt, gehört er nicht in die Kirche, sondern wie seit alters her auf die Straße. Die Gegenwelt stellt Sebastian Brant im weisen Mann vor „Heilsame Ermahnung zum Nutzen und zur Erlangung von Weisheit, Vernunft und guten Sitten.“ Heißt es im Nachwort. Der dann noch genannten Zielsetzung des Buches „zur Verachtung und Strafung von Narrheit, Blindheit, Irrsal und Torheit ...“ kommt das Karnevalstreiben bis heute erstaunlich getreu diesem Bestseller am Beginn der Neuzeit nahe. Brants Buch wurde in viele Sprachen übersetzt und war vor den Schriften der Reformatoren das meist verkaufte Buch. Es sei den Büttenredner empfohlen


Kategorie: Verstehen

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