Die Effizienzmarkthypothese unterstellt, dass Aktien stets richtig bewertet werden, weil alle Marktteilnehmer oder die Summe der Marktteilnehmer immer für die richtigen Preise sorgen würden. Daher gebe es keine Über- oder Unterbewertungen, schon gar keine Blasen, auch keine geplatzte Blase.
Der Börsenwert hat mit dem Buchwert immer weniger zu tun
Während die Bilanzsumme den Buchwert eines Unternehmens darstellt, kann der Börsenwert um ein Vielfaches höher liegen. Der Buchwert stellt die Summe sämtlicher Vermögenswerte eines Unternehmens dar, also Immobilien, Fahrzeuge, Lizenzen, Rechte, Waren usw. Der Börsenwert ergibt sich aus der Multiplikation der Anzahl der Aktien mit dem aktuellen Kurs. Bei den meisten Unternehmen gibt es erhebliche Abweichungen zwischen dem Buchwert und dem Börsenwert. Dafür gibt es bei vielen Unternehmen auch gute Gründe.
Gründe für einen hohen Börsenwert
Ein Unternehmen hat möglicherweise eine gute Geschäftsidee, einen großen Markennamen, wichtige Lizenzen und Rechte, die sichere, zukünftige Gewinne versprechen und das Unternehmen entsprechend interessant macht. Eine Pharmafirma, die ein wichtiges Medikament entwickelt und ein entsprechendes Patent hat, kann ihren Börsenwert durchaus über Nacht vervielfachen. Umgekehrt kam es schon oft vor, dass sich Unternehmen über Nacht in Luft aufgelöst haben, wie etwa Wirecard. Oder die Telecom-Aktie konnte auch nach Jahrzehnte nach dem Börsenhoch nur einen Bruchteil des Wertes von damals erreichen.
Streuung auf verschiedene Aktien reduziert das Risiko nur bedingt
Wer die Risiken, die mit einer Investition in nur eine Aktie verbunden sind, reduzieren will, muss am besten in ETF, die Indexe oder Teilmärkte nachbilden oder gemanagte Fonds investieren. Trotzdem werden aber Risiken weiter bestehen bleiben. Es gibt immer wieder Phasen, in denen die Aktienkurse abstürzen. In der Weltwirtschaftskrise von 1929 bis 1932 verlor der amerikanische „Standard and Poor Aktienindex“ über 80 % seines Wertes. Inflationsbereinigt erreichte er erst im Dezember 1958 wieder den Wert vom September 1929. Das sind 29 lange Jahre. Im Jahr 1966 gab es in Amerika wieder einen Höchststand und danach Verluste von 56 % bis 1974. Erst 1992, nach 26 Jahren, wurde wieder inflationsbereinigt der Wert von 1966 erreicht. Andere Beispiele sind die Krisen des neuen Marktes und die Millennium-Blase um das Jahr 2000. Weitere große Abschwünge gab es 2002 nach den Anschlägen des 11.September 2001 in New York. Die Finanzkrise 2008, als die Aktienkurse wegen fauler Immobilienkredite zusammenbrachen, die Euro Krise 2012, Corona 2020 und der Einmarsch der Russen 2022 in die Ukraine.
Weniger dramatisch, aber auch teuer kann der Einstieg in den Aktienmarkt zum falschen Zeitpunkt sein. Wenn man am 3.4.2000 in die 50 größten Unternehmen Europas (alles Blue-Chips ) investierte und sich kostenbewusst für den Ishares Euro STOXX 50 entschieden hat, hätte man nach fast 20 Jahren (28.03.2019) eine Rendite von sage und schreibe 0,65 % erzielt, und das nach Kosten, vor Inflation.
Irrationaler Überschwang
Langfristige Renditen hängen also sehr wesentlich davon ab, ob man günstig und fair oder zu teuer eingekauft hat. Es nützt einem nichts, wenn die durchschnittliche Rendite nach 20 Jahren oder nach 30 Jahren 6 %, 8% oder 10 % beträgt, wenn man bei seinem eigenen Investment keinen Gewinn erwirtschaftet, weil im Verhältnis der Dividende pro Aktie diese Aktie zu einem vergleichsweise viel zu hohen Kurs gekauft wurde. Die Dividende wird nicht entsprechend dem Kurs der Aktie berechnet, sondern je Aktie, gleich wie hoch ihr Kurswert ist. Die meisten Anleger bevorzugen einen Anlagehorizont von 5 bis 15 Jahren. Das garantiert nich, das die >Kurse immer weiter steigen, so dass man die Aktie mit Gewinn verkaufen könnte.
Nobelpreis für Realismus
Robert J. Shiller hat seinen Nobelpreis 2013 dafür bekommen, dass er bewiesen hat, dass die Effizienzmarkthypothese falsch ist. Sein Buch „Irrationaler Überschwang" ist längst ein Klassiker der Wirtschaftsliteratur. Schon in der ersten Auflage aus dem Jahr 2000 warnte der Autor vor dem "überteuerten und anfälligen Aktienmarkt", der letztlich zum Platzen der Dotcom-Blase führte. Inzwischen wurde das Buch mehrmals überarbeitet und wird mittlerweile auch als Taschenbuch vertrieben. Eine seiner Grundthesen ist die Rückkopplung von Erwartungen. Die Kurse steigen immer mehr und verstärken sich durch Rückkopplungen, weil Investoren sich vom Preisanstieg faszinieren lassen und ihre Zweifel über Bord werfen. Dies endete regelmäßig in einem Desaster und sorgte für herbe Kursverluste derjenigen, für die, die zu spät Aktien kauften. Shiller erklärt anschaulich, wie das menschliche Verhalten zu diesen extremen Über- u. Untertreibungen führt. Eine lange Phase steigender Kurse sorgt dafür, dass es als selbstverständlich gilt, ständig steigende Aktienkurse zu sehen. Die erfüllte Erwartung steigender Kurse führt zum Glauben, dies müsse immer so weitergehen. Shiller spricht hier von natürlich auftretenden Pyramidenprozessen und Feedback-Mechanismen.
Zudem stellt er eine Verbindung von einem hohen Kurs-Gewinn-Verhältnis und einem darauf folgenden Absturz auf. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis gibt an, wie viele Jahre es bei konstanten Unternehmensgewinnen dauert, bis die aufsummierten Gewinne dem aktuellen Börsenwert des Unternehmens entsprechen. Je höher die Kurse steigen, desto länger müssen Unternehmen hohe Gewinne erwirtschaften, um die Kurse zu rechtfertigen. Solange die Investoren glauben, dass die Unternehmen dazu in der Lage sind, werden die Kurse also weiter steigen. Sobald aber Zweifel aufkommen, und dazu kommt es eben früher oder später, werden die Kurse abstürzen.
Kann weiter mit steigenden Kursen gerechnet werden?
Die unübersichtliche Lage in der Welt sollte eher an einer weiter guten Entwicklung der Weltwirtschaft zweifeln lassen. Einige Entwicklungen der letzten Jahre, die die Aktienkurse befeuert haben, wie etwa die Digitalisierung und Globalisierung, verlieren an Schwung. Zudem gehen die geburtenstarken Jahrgänge, die oftmals in den entwickelten Ländern für das Anwachsen der Vermögensstände gearbeitet haben, gehen in Rente. Auch die Zeiten von Null Zinsen für Anleihen dürften für die vorhersehbare Zukunft vorbei sein. China ist auch nicht mehr die Lokomotive der Weltwirtschaft, wie in den letzten 30 Jahren.
Die Globalisierung wird nicht erst seit der Corona Pandemie mit den Problemen in den Lieferkettenproblemen infrage gestellt. „Make America great again“, der Protektionismus eines Donald Trump, wird immer öfter kopiert und die weitere Entwicklung der Krisen und Kriege in Nahost, der Ukraine und anderswo ist sehr unklar. Die amerikanische Investorenlegende Warren Buffet hält in seiner Investmentfirma Berkershire ganze 167 Milliarden US Dollar als Geldreserve und manche deutschen Kapitalanlagegesellschaften halten sehr hohe Bestände in Geldkonten und kurzfristigen deutschen Anleihen, um das Risiko für ihre Fonds zu verringern. Manche professionellen Anleger sind also immer öfter irritiert von den hohen Kursen am Aktienmarkt. Sie gehen daher eher vorsichtig an neue Investments.
Das alles heißt überhaupt nicht, dass Aktien schlecht für die Vermögensbildung sind, aber vernünftige Vorsicht bei immer höheren Kursen ohne klare Kausalität ist geboten.
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