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Weisheit, Perspektive für Wachstum

War der Advent oberflächlich, wurde es nach Weihnachten erst die Zukunft, das, was kommen wird, Thema. Es wird auf jeden Fall herausfordernder.

Wir sollen mehr miteinander reden, so Ministerpräsident Armin Laschet in seiner Ansprache an die Nordrhein-Westfalen. Nicht die Demokratie ausnutzen, sondern etwas für Sie tun. So Walter Steinmeier. Offen und mit Initiative die Zukunftsfragen anpacken. Das kam aus dem Fernseher ermutigender als ich viele Gespräche erlebt habe. Fast alle sind sich einig: es wird schwieriger werden. Viele sorgen sich, ob die emotionalen, die Bildungs- und kreativen Ressourcen ausreichen, um die Herausforderungen zu bewältigen. Nicht nur fordern die Ansprachen den einzelnen. Viele, so wurde es mir in Gesprächen deutlich, fühlen sich auch mehr gefordert. Aber wo soll die Energie herkommen, wenn wir nicht wie die Achtundsechziger-Generation eine neue Gestaltungsidee für unsere Welt haben. Wirtschaftswachstum wird nicht mehr das zusätzliche Geld einspielen, um wie bisher zu reparieren, was gar nicht hätte kaputtgehen müssen. Wir müssen in anderen Feldern wachsen. Auf die Politik zu setzen, wird nur zu Enttäuschungen führen.

We cannot

Barak Obama startete als Hoffnungsgestalt und wurde von den Problemen eingeholt, die einen großen Wurf immer mehr zu einem kleinen machten. Die Jüngeren gehen gar nicht mehr davon aus, dass es eine grundlegende Verbesserung des menschlichen Miteinanders geben könnte. Revolutionen, so ihre Schlussfolgerung, lohnen sich nicht. Es sind einige Verbesserungen möglich, manche Entwicklungen erfordern ein grundsätzliches Umsteuern. Aber die grundsätzliche Unfähigkeit, die Umstände in eine dauerhafte Zufriedenheit zu überführen, bleibt und macht zu große Hoffnungen zunichte. Das lässt sich am Kommunismus ablesen. Was dieser versprach, war das größte historische Experiment, die Lebensverhältnisse grundlegend und auf Dauer zum Besseren zu wenden. Selbst wenn die Theorie umsetzbar gewesen wäre, das Projekt wäre an den Bürgern gescheitert, die einfach nicht von selbst zu dem Neuen Menschen werden wollten, der mit dem Kommunismus kommen sollte. Wir wissen jetzt, dass die Politik den Menschen nicht ändert, sondern nur Interessen bedient und einiges für die Zukunft auf den Weg bringen kann - wenn die Wähler mitspielen. Doch wir Wähler stellen die Politiker vor ein unlösbares Dilemma: es soll alles besser werden, aber es darf sich nichts ändern. Die Franzosen spielen das gerade mit der Rentenreform durch. 
Wir Menschen sind jedoch auf Fortschritt angelegt. Die Evolution arbeitet in uns weiter. Wohin soll die Entwicklung laufen, wenn der drohende Klimakollaps ein weiteres Wachsen der Wirtschaft unterbindet? Wir können jedoch nicht auf Wachstum verzichten. Deshalb sollten wir uns andere Felder für unsere weitere Evolution suchen. Sollten wir nicht gleich ein Feld wählen, auf dem etwas wächst, das zugleich unsere Unzufriedenheit heilt. Wir sollten unserem inneren Antrieb folgen, dass wir auf Wachstum hin angelegt sind. Und wer zwingt uns, die Hoffnung auf ein voll erfülltes Leben aufzugeben. Könnte nicht Hinwachsen in eine größere Weisheit der Ausweg aus der Gemengelage sein, die den Menschen in der Unzufriedenheit festhält und zugleich nur dazu führt, sich resignativ mit den Gegebenheiten abzufinden?

Die Zustände fordern weise Reaktionen

Zum Vergleich der Revolutionär. Er darf nicht weise sein, sonst bleibt seine geballte Faust in der Tasche. Wer nicht mit ihnen auf die Barrikaden geht, wird als Jemand hingestellt, der die endgültige Verbesserung der Verhältnisse blockiert. Der Kommunismus hat das Eigentum an Produktionsmitteln abgeschafft, weil eben der Besitz von kapitalintensiven Produktionsanlagen zur Ausbeutung der Arbeiter geführt hatte. Würde man einzelnen den Besitz weiter erlauben, bliebe das Wunder der Veränderung aus. Es ist auch so ausgeblieben. Trotzdem erwarten viele Engländer vom Brexit ein Wunder und tatsächlich gibt es Politiker, die mit der Abschaffung der Demokratie das Versprechen verbinden, dass dann - ja was dann? Es gilt, die richtige Schlussfolgerung aus dem Rückblick auf die letzten hundert Jahre zu ziehen:

Sich selbst entwickeln

Nicht zu viel zu erwarten, aber an einer großen Idee vom Leben festhalten, das könnte helfen, sich nicht an den Verhältnissen aufzureiben. Wenn daraus aber Resignation folgen müsste, dann würde das an der wenig erfreulichen Grundstimmung nichts Entscheidendes ändern. Ist die Unzufriedenheit nicht ein deutlicher Hinweis, dass wir mehr vom Leben erwarten. Dürfen wir die Erwartung überhaupt aufgeben? Die Religionen versprechen ein endgültiges Ankommen in einem Leben, das die Erwartungen erfüllt und empfehlen für die Vorbereitung darauf, sich selbst mehr abzuverlangen, nicht unbedingt mehr Arbeit, aber achtsamer werden, weniger in Streit geraten, selbst möglichst wenig Sand ins Getriebe streuen. Keine spontanen Entscheidungen treffen, gute Gewohnheiten weiterführen und vielleicht eine oder auch zwei noch mit ins Boot nehmen.
Dabei nicht aufhören, auf etwas Großes zu hoffen. Denn uns ist mehr versprochen. Manche Glücksfälle halten die Hoffnung wach, dass dieses Leben noch mehr zu bieten hat. Wir können dann mit den vielen Unvollkommenheiten leben, wenn wir nicht selbst daraus ein voll zufriedenstellendes Leben machen müssen. Denn wir können das Glück nicht schaffen, sondern nur uns für sein Eintreffen disponieren. Sonst fällt es uns zu und wir merken es nicht.
Weise zu werden, erfordert nicht distanziertes Zuschauen, sondern das Ruder des Lebensschiffes in die Hand zu nehmen, um es zwischen Resignation und hohen Erwartungen so zu steuern, dass ich mich für Größeres disponiere.



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