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Materialismus ist meist hässlich

Wir gehen meist nicht durch Gewerbegebiete oder von Einkaufszentren aus spazieren. Wenn wir eine besondere Umgebung erleben wollen, fahren wir nicht in ein Gewerbegebiet mit modernden Zweckbauten, sondern an einen See, ins Gebirge oder in eine sehendwerte, meiste traditionsreiche Stadt. Etwas Zeitgemäßes findet in Gewerbegebieten und Einkaufszentren seinen Ausdruck. Wie hinter einem Renaissance-Rathaus oder einem Mietshaus aus der Gründerzeit muss es eine gestaltende Idee geben.

Unsere Arbeits- und Einkaufswelt ist nicht zufällig eintönig

Wir bewegen uns deshalb in den Ideen unserer Epoche meist unbewusst, weil es eben unsere Idee von Leben ist. Wir fahren mit dem Auto in die Einkaufszentren, weil wir uns nicht aus dem Garten ernähren, sondern unseren Einkaufswagen vollladen und direkt zum Auto gelangen, um den Berg der eingekauften Lebensmittel zu verstauen. Wir sind Konsumenten. Das Produzieren haben wir, auch in der Landwirtschaft, weitgehend an Maschinen delegiert. Wenn wir zum Einkaufen oder ins Büro fahren, machen wir uns deshalb nicht bewusst, welche Welt wird uns da gebaut haben. Denn das Auto bringt uns in die Hallen oder Büros, weil wir etwas zu erledigen hat. Da fällt die Ödnis und die Einfallslosigkeit der auf Abbruch errichten Gehäuse uns nicht auf. Denn mit dem Auto kommen wir in unsere Behausung und können mit dem gleichen Gefährt Schönes ansehen. Da suchen wir nicht das von Ideen der Moderne Gebaute und Gestaltete, sondern die von der Natur geformten Landschaften oder die Ensembles, die frühere Epochen entworfen haben. Eigentlich ist es doch „völlig unmodern“, in das in Deutschland meist besuchte Gebäude, den Kölner Dom oder ein anderes mittelalterliches Bauwerk zu gelangen, um das Raumgefühl der damaligen Epoche zu spüren. Warum suchen wir dieses Spüren nicht zwischen den Türmen der Bürostädte?

Ist die Moderne überhaupt erlebenswert?

Wenn wir das „moderne“ Lebensgefühl spüren wollen, setzen wir uns in ein Auto oder Flugzeug. Bewegung scheint die Idee zu sein, die in der Moderne verwirklicht wurde. Wir haben das Land mit einem Netz von Schnellstraßen und Autobahnen überzogen sowie die Straßen in den Städten autogerecht gemacht. Ludwigshafen hat diese Idee besonders gut verwirklicht, indem es Hochstraßen gebaut hat, so dass die Autos wie auf einer Schnellstraße die Stadt überqueren können. Jetzt wird eine dieser Hochstraßen abgerissen. Die Autos ruckeln mühsamdurch die Straßen, die in den sechziger Jahren schon zu eng geworden waren, so dass man die Hochstraßen gebaut hat. Die sollen die Menschen staufrei zu ihren Arbeitsplätzen bringen. Dort gelangen sie in eine karge Umgebung, keine ansprechend ausgestatteten Arbeitsplätze. Der Grund ist das billige Prozieren. Da die Gewerkschaften nur für höhere Entlohnung und nicht für die Ausgestaltung der Arbeitsplätze streiken, kommt es zu einer großen Diskrepanz zwischen Arbeits- und Wohnumfeld. Das Auto ermöglicht, an beiden Orten zu sein. 

Geld verdienen, um dann zu konsumieren

Wir haben uns in den letzten Jahren viele Wohnungen gebaut, in denen wir uns seit Corona nicht nur zum Schlafen und Essen aufhalten. Die meiste Zeit verbringen wir jedoch in den kahlen Büroschachteln. Denn welche Firma kann sich einen sanierten Altbau aus dem 19. Jahrhundert leisten. Die Distanzen zwischen dem heimeligen Zuhause und dem kargen Berufsumfeld überbrücken wir mit einem Auto von ausreichender Größe. Es wird viel über die SUV`s gelästert. Vielleicht braucht man die Umgebung, die ein solches Gehäuse bietet, damit man die eintönige Bürolandschaft, übersteht. In diesem eintönigen Umfeld soll man freundlich, voller Ideen, kommunikativ mit den Kollegen und Kolleginnen sein soll.  Erstaunlich ist auch, dass viele Kaufhäuser geschlossen werden müssen. Da gab man sich noch Mühe, das Kauferlebnis zu inszenieren. In den Hallen der Einkaufszonen mit ihren Parkplätzen herrscht Lieblosigkeit. Wohl deshalb können die Handelsketten nur noch mit Niedrigpreisen werben. Einen Schönheitspreis hat keiner der Anbieter verdient, man könnte nur in absteigender Linie die größere Eintönigkeit prämieren.

Welche Ideen erzeugen Langweile und Hässlichkeit:

Das klingt jetzt sehr negativ. Viele werden sagen, dass die Bauten ihren Zweck erfüllen und mehr auch nicht verlangt werden kann. Damit stellt sich die Frage an uns selbst. Wer mit dem Fahrrad unterwegs ist, kann eher diese Impressionen gewinnen, vor allem wenn man nur radelt, ohne etwas zu erledigen, zu transportieren, zu besprechen hat, sondern einfach unterwegs ist. Dann erst spürt man deutlicher, was auf einen einwirkt. Zudem ist man nicht wie im Innenraum eines Autos von dieser tristen Umwelt abgeschirmt. Offensichtlich wollen wir die meiste wache Zeit in der Eintönigkeit verbringen. Wäre eine neue Idee nicht attraktiver, würde sie unser Leben nicht lebenswerter machen? Dafür müssten wir die Idee, die Hässlichkeit erzeugt, durch eine andere ersetzen:

Maximierung von Gewinn und Konsum

Die bebaute Umwelt, die wir uns geschaffen haben, wird von unseren Motiven hervorgebracht. Wir wollen uns auf der einen Seite zuhause gut einrichten, in größeren Immobilien und mit größeren Autos. Dafür müssen auf der Produktionsseite Kosten eingespart werden, auch in der Ausstattung der Arbeitsplätze. Hier wird investiert, was Arbeit einspart. Deshalb werden auch immer mehr Algorithmen Einzug halten. Da Maschinen keine kreativitätssteigernde Umgebung und keine kommunikativ eingerichteten Bürotürme brauchen, weil demnächst der Algorithmus für uns einkauft, werden die Kosten für die Produktion weiter sinken, so dass wir uns dafür mehr leisten können. Aber warum bei der Arbeit wie beim Einkaufen auf Ästhetik verzichten, wenn wir doch kaum zu Hause sind. Muss die Work-Life-Balance nicht gründlicher durchdacht werden?

Es braucht einen neuen Zeitgeist

Wenn wir mehr vom Leben haben wollen, dann kann die Steigerung der Produktion und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz nicht das Zukunftsszenario sein. Mehr Bäume, weniger Verkehr, nicht durch Chemie aufbereitete Lebensmittel, mehr Schönheit. Schon um unseren Lebensraum zu erhalten, müssen wir ein neues Verhältnis zur Natur finden. Nicht mehr die Natur verändern, zubetonieren, Tagebau, Ressourcenverbrauch. Eine nachtechnische, innovative Bestimmung unseres Verhältnisses zu den uns umgebenden Lebewesen wird neue Gestaltungsideen für unsere Bauprojekte hervorbringen. Auf einmal wird uns die Hässlichkeit eines Einkaufszentrums bewusst und wir gehen mit dem Fahrrad in der Nähe einkaufen. Sicher werden wir uns dann eine weniger hässliche Umgebung schaffen. Da wir die öden Hallen und die lieblos entworfenen Bürogebäude nicht alle abreißen können, steht es wohl als erstes an, Bäume zu pflanzen und Wandflächen zu begrünen, um die Hässlichkeit zu verdecken.


Kategorie: Gesehen

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