Kathedrale Reims, Detail aus dem Endgericht, Foto: hinsehen.net E.B.

Lohnt der Mensch?

Die Menschheit kann ihre Weiterexistenz beenden. Chemie und Medizin haben die Instrumente entwickelt, um Nachwuchs zu verhindern. Das 19. Jahrhundert liefert bereits die pessimistische Sicht für die Abdankung der Affengattung „Mensch“ von der Bühne. Rémi Brague zeigt, dass die Frage nur mit einer Metaphysik beantwortet werden kann.

Metaphysik als Fundament der Anthropologie ist der Untertitel von "Anker im Himmel", des Autors. Wir notwendig die Gesellschaft eine Vorstellung vom Menschen braucht, verdeutlicht Brague mit einer Rekapitulation der pessimistischen und nihilistischen Philosophen Nietzsche, Alexander Blok u.a. und dann auch des Positivismus. Ein solcher Rückblick auf das philosophische Denken zeigt, wie vor allem Schopenhauer einen großen Einfluss auf die Literatur hatte. Nicht zuletzt das Thema "Selbstmord" verdeutlicht, dass es im Denken um Leben und Tod geht und dass, wenn man nicht den marxistischen Blickwinkel einnimmt, das 19. Jahrhundert die Tötungsmaschinerie der Diktaturen des 20. Jahrhunderts ermöglichte, weil es den Wert des Menschen immer weiter heruntergeschraubt hat.

Die Philosophie bereitet das Handel vor

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gehen zwar die Kriege weiter, jedoch stellt sich in den Ländern, in denen die pessimistische und nihilistische Sicht des Menschen entwickelt wurde die Frage nach dem Wert des Menschen anders. Dort wird Geburtenrückgang sogar so weitergedacht, dass die Menschheit auf ein Weiterleben verzichtet.
Wer die Gedankengänge, die Brague auch mit ihrer inneren Logik aufzeigt, wird zu der auf den letzten Seiten vollzogenen Schlussfolgerung geführt: Aus der Natur heraus ergeben sich keine zwingenden Argumente, warum es den Menschen geben soll. Wie soll er auch notwendig sein, wenn das von der Philosophie übernommene Menschenbild der Evolution ihn zu einem Produkt des Zufalls erklärt. Denn was aus sich heraus nur zufällig ist, das muss nicht unbedingt weiter existieren. Deshalb braucht es die bereits von Platon erarbeitete Metaphysik, um den Menschen zu rechtfertigen. Aus dessen Dialog Timaios leitet sich von dem Bild her, dass der Mensch wie ein Baum zu verstehen ist, der auf seine Äste gestellt ist, weil seine Wurzeln im Himmel eingepflanzt sind. Dort heißt es bei Nr. 90a  von der Seele, "dass sie im oberen Teil unseres Körpers wohnt und uns von der Erde zu unserer Verwandtschaft im Himmel erhebt, da wir kein irdisches, sondern ein himmlisches Gewächs sind. Und damit haben wir vollkommen Recht. Denn indem das Göttliche dort, wo die erste Entstehung der Seele sich vollzog, unser Haupt und unsere Wurzeln befestigt, richtet es den ganzen Körper auf." Zitiert aus dem besprochenen Titel Anker im Himmel, S. 103

Die zu erwartende Anthropologie

Das Buch endet mit dieser Einsicht. Wie das für eine Anthropologie aussieht, die für das 21. Jahrhundert unter der Perspektive der Freiheit dann ausgearbeitet wäre, erhofft sich der Leser vom Herausgeber Christoph Böhr und dem Springer Wissenschaftsverlag.

Rémi Brague, Anker im Himmel, Metaphysik als Fundament der Anthropologie, 146 s. in der Reihe „Das Bild vom Menschen und die Ordnung der Gesellschaft“, Hrsg. Christoph Böhr, Verlag Springer VS

 

 


Kategorie: Gelesen

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